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So wimmeln Krankenkassen Widersprüche ab

Die unabhängige Patientenberatung registriert immer mehr Beschwerden. Dabei sind Patienten häufig im Recht.

Von Stephanie Wesely
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Patienten nehmen ärztliche Kunstfehler offenbar immer seltener klaglos hin.
Patienten nehmen ärztliche Kunstfehler offenbar immer seltener klaglos hin. © Frank May/dpa

Berlin. Immer mehr Menschen suchen die Hilfe der Unabhängigen Patientenberatung. Deutschlandweit wurden im vergangenen Jahr knapp 130.000 Anfragen an die Ärzte, Juristen und Sozialversicherungsexperten der gemeinnützigen Organisation gestellt – 40 Prozent mehr als zwei Jahre zuvor. Das geht aus dem aktuellen Report der Patientenberatung hervor, der in Berlin vorgestellt wurde. 

Den meisten Beratungsbedarf gab es mit mehr als 40.000 Anfragen zu Problemen mit Kassenleistungen. Dazu gehören zum Beispiel die Zahlung von Krankengeld und die Übernahme von Hilfsmittelkosten. Rund 6.000 Patienten suchten zu Behandlungsfehlern Rat. Der Geschäftsführer der Patientenberatung Thorben Krumwiede kritisiert, dass die Genehmigung von Leistungen durch die Krankenkassen nicht immer nachvollziehbar sei. „Die Kommunikation gegenüber Versicherten ist oft unzureichend oder sogar irreführend“, sagt er. Das zeige sich besonders im Umgang mit Widersprüchen gegen abgelehnte Kassenleistungen.

Der Patientenberatung liegen bundesweit mehr als 12.000 Schreiben vor, in denen Versicherte von ihren Krankenkassen aufgefordert werden, über eine Rücknahme ihres Widerspruchs zu entscheiden. „Es wird damit der Eindruck erweckt, der Widerspruch sei erfolglos, obwohl es noch gar keine abschließende Entscheidung dazu gab“, sagt Krumwiede. „Wir befürchten, dass diese Praxis bereits System hat.“ Ausnahmslos alle Kassenarten seien betroffen.

Auf SZ-Anfrage erklären die großen Krankenkassen in Sachsen, dass die allermeisten Leistungsanträge genehmigt würden. Bei der AOK Plus mit 2,2 Millionen Versicherten im Freistaat gingen 2018 insgesamt 17.230 Widersprüche ein. „33,5 Prozent davon wurden abschlägig beschieden“, sagt Sprecherin Hannelore Strobel. Jeder Sechste zog seinen Widerspruch nach Post von der Kasse zurück.

Über die verbleibenden Widersprüche entscheidet ein Ausschuss aus Versicherten und Arbeitgebern – oft zugunsten der Versicherten, wie eine Studie des Patientenbeauftragten der Bundesregierung von 2017 zeigt. „Mit der Aufforderung zur Rücknahme ihres Widerspruchs wird Versicherten diese Chance genommen“, sagt der Sprecher der Patientenberatung Jann Ohlendorf. Auch eine Entscheidung vor den Sozialgerichten sei dann nicht mehr möglich.

Ähnlich wie die AOK Plus verfahren die IKK classic und die Techniker Krankenkasse (TK) in Sachsen. Bei der IKK wurde jeder fünfte Widerspruch zurückgenommen. Barmer, TK und DAK machen dazu keine Angaben. Aus Sicht der Patientenberatung ist das kritikwürdig. Denn auch der Umgang mit Widersprüchen könne ein Kriterium für die Kassenwahl sein.