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Sorgenkind Regiobahn will wieder spuren

Die Chaosjahre sollen vorbei sein. Zumindest das VVO-Dieselnetz wird jetzt wieder planmäßig auf der Schiene bedient.

Von Michael Rothe
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Insgesamt bedient die MRB in Sachsen zehn Linien.
Insgesamt bedient die MRB in Sachsen zehn Linien. © Dietmar Thomas

Reisende der Mitteldeutschen Regiobahn (MRB) mussten in den vergangenen Jahren zuweilen tapfer sein. Kaum eine Woche verging, in der nicht Fahrplanänderungen, Zugausfälle, Ersatzverkehr angekündigt wurden. Zwar bleiben Einschränkungen auch diese Woche nicht aus – etwa zwischen Heidenau und Altenberg, doch gibt es auch gute Kunde: Seit Montag wird das 2019 nach einer Notvergabe von der insolventen Städtebahn übernommene Dieselnetz des Verkehrsverbunds VVO auf allen Linien mit Zügen bedient, zuletzt auch zwischen Pirna und Sebnitz. 

Das Netz umfasst vier Bahnstrecken zwischen Dresden, Kamenz und Königsbrück, durch das Müglitztal sowie zwischen Pirna und Sebnitz. Insgesamt bedient die MRB in Sachsen zehn Linien. Am Montag nahm die Chefriege zur Situation und ihren Plänen Stellung.

Bis zu fünf Prozent der Züge fallen aus

„Im Gegensatz zu anderen dünnen wir nicht aus“, sagt Henning Weize, Vorsitzender der Geschäftsführung. „Klar fällt wegen Krankheit auch mal ein Zug aus, das ist halt so.“ Die Ausfälle lägen „bei höchstens fünf Prozent“, würden zu 90 Prozent durch Busse ersetzt und seien meist Baumaßnahmen der Deutschen Bahn (DB) geschuldet, auch deren mangelhaften Baumbeschnitt.

Es fehlt an Personal und Technik

Weize spricht beim Personal von einer „Unterbedarfslücke von zwei bis fünf Prozent“. Laut Prognosen wird sie Anfang 2021 geschlossen – derzeit nur durch Überstunden. Anders als die DB bildet die MRB keine Azubis drei Jahre aus und schult nur Quereinsteiger in zehn Monaten um. „Wir können nicht die Ausbildungsbreite eines integrierten Konzerns abbilden“, rechtfertigt Weize die Praxis und kritisiert Abwerbeprämien von Cargounternehmen und Verleihfirmen. Er schielt auch auf Fachkräfte aus Vietnam und der Ukraine. Trotz der Defizite will die MRB ein Angebot zum Weiterbetrieb des VVO-Netzes bis 2031 abgeben. Weize: „Wir übernehmen Fahrer und Material doch nicht nur für zwei Jahre.“

Zehn von 16 Triebzügen im Einsatz

Die MRB leidet unter dem Städtebahn-Erbe. Die Triebzüge seien „in erbärmlichem Zustand gewesen, wie die zugehörigen Unterlagen“, weiß ein Mitarbeiter der DB, deren Dresdner Werkstatt die Züge für den Konkurrenten wartet. „Beim Altbetreiber und beim Insolvenzverwalter ist nur das Nötigste passiert“, rügt Geschäftsführer Jan Kleinwechter. Verschlissene Radsätze seien das Hauptproblem. Jetzt werde der Instandhaltungsstau aufgearbeitet, seien zehn der 16 angemieteten Desiro-Triebzüge wieder im Einsatz. Auch seien innerhalb des Konzerns vier Regio-Shuttles nach Sachsen geholt worden und zwischen Dresden und Kamenz ein Ersatzzug der Preßnitztalbahn mit Waggons aus DDR-Zeiten unterwegs. Kleinwechter dämpft Erwartungen an ein schnelles Ende, auch weil es wegen eines Rechtsstreits keinen Zugriff auf das Stadtbahnlager gebe. Er rechnet mit einer Übergangszeit von Wochen und Monaten.

Anschlussverlust durch Bahnschranke

Ähnlich lange könnte der gestreckte Fahrplan Pendler zwischen Westsachsen und Dresden nerven. Wegen zu langer Schließzeiten einer Schranke am Dresdner Felsenkeller waren die Pläne für drei Linien verändert worden, wodurch acht Züge länger unterwegs sind und Reisende die Anschlüsse – etwa an die Dresdner S-Bahn S1 zwischen Meißen und Pirna – verlieren.

Kundencenter in Döbeln und Chemnitz

Mit zwei Monaten Verspätung wurde im Januar das Kundencenter am Döbelner Hauptbahnhof wiedereröffnet. Auch im Chemnitzer Hauptbahnhof soll es weiter Tickets und Beratung geben. Im April übernimmt die MRB die Schalter von DB Regio, die sich dort nach verlorenen Ausschreibungen zurückziehen. An beiden Standorten seien jeweils fünfstellige Beträge investiert worden, sagt Kleinwechter. Er hoffe in Döbeln auf eine Wiederbelebung des Bahnhofs durch die Ansiedlung von Gewerbe.

Netzerweiterungen im Gespräch

Die Wiederbelebung könnte die Diskussion um Wiedeaufnahme der vor fünf Jahren stillgelegten Strecke Döbeln–Dresden befeuern, sozusagen als Bindeglied zwischen MRB-Aktivitäten in Ost- und Westsachsen. „Das ist für uns eine Option“, so Kleinwechter, aber „frühestens in anderthalb, zwei Jahren“. Entscheidend seien Bedarf, Geld sowie personelle und technische Kapazitäten. Er könne sich auch umsteigefreie Fahrten in drei Stunden nach Berlin vorstellen – nicht durch Erweiterung des Intercity-2 Rostock–Dresden, sondern durch je zwei Zugpaare täglich über die MRB-Linie Chemnitz–Riesa–Elsterwerda hinaus. Das sei aber „eigenwirtschaftlich nicht abbildbar“ und brauche die Beteiligung Dritter.

Ein französischer Bahnriese und seine ostdeutschen Ableger

  • Unter der Marke Mitteldeutsche Regiobahn (MRB) bedient der Transdev-Konzern die Regional-Expresse Dresden–Hof, Leipzig–Chemnitz sowie die Regionalbahnen Leipzig–Döbeln, Dresden–Zwickau, Chemnitz–Elsterwerda und Dresden–Heidenau–Altenberg.
  • Die MRB fährt im VVO-Dieselnetz die Linien Dresden/Hbf.–Königsbrück, Pirna–Sebnitz, Heidenau–Altenberg sowie Dresden/Neustadt–Kamenz,
  • An den Standorten Dresden, Leipzig und Chemnitz sind mehr als 450 Mitarbeiter beschäftigt.
  • Transdev Deutschland gehört zu einem Konzern mit Sitz in Paris, weltweit 83.000 Mitarbeitern und täglich elf Millionen Passagieren in 20 Ländern.
  • Das Unternehmen firmierte bis 2015 als Veolia Verkehr GmbH, davor bis 2006 unter dem Namen Connex Verkehr GmbH.
  • Zu 45 Transdev-Töchtern in Deutschland gehören in Sachsen auch die Freiberger Eisenbahngesellschaft, Taeter Tours in Dresden, Regionalbus Oberlausitz, der Regionalverkehr Westsachsen und KVG Zittau.
  • Auftraggeber sind u. a. die Zweckverbände ZVMS, ZVOE und ZVNL.