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Sterben die Amseln aus?

Die schwarzen Singvögel sind besonders anfällig für ein tropisches Virus. Die heißen Sommer verschärfen das Problem.

Von Tilo Berger
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Eine vermutlich am Usutu-Virus erkrankte Amsel hockt im Gras. Befallene Tiere wirken offensichtlich krank, werden apathisch und flüchten nicht mehr. Fast immer sind es Amseln, bei denen die Usutu-Epidemie festgestellt wird.
Eine vermutlich am Usutu-Virus erkrankte Amsel hockt im Gras. Befallene Tiere wirken offensichtlich krank, werden apathisch und flüchten nicht mehr. Fast immer sind es Amseln, bei denen die Usutu-Epidemie festgestellt wird. © dpa/Martin Gerter

Bautzen. Eine Amsel torkelt über die Wiese. Ihr Kopf zuckt, das Federkleid sieht zerzaust aus. Ein Mensch nähert sich, um den kleinen schwarzen Vogel zu betrachten. Eine gesunde Amsel würde jetzt schnell die Flucht ergreifen. Nicht so dieses Tier. Es wird wahrscheinlich nicht mehr lange leben, sondern dem Usutu-Virus erliegen.

Woher stammt das Virus, wie wird es übertragen?

Zum ersten Mal wurde das Usutu-Virus im Jahr 1959 in Südafrika festgestellt. Es wird durch Stechmücken verbreitet und gelangte im Körper von Zugvögeln auch nach Europa. Außerhalb von Afrika trat das Virus zum ersten Mal 2001 in und um Wien in Erscheinung, berichtet der Naturschutzbund Deutschland (Nabu). 2010 identifizierten Wissenschaftler des Hamburger Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin das Usutu-Virus in Stechmücken, die in Weinheim im Oberrheintal gefangen worden waren. Im Juni 2011 mehrten sich zum ersten Mal Meldungen über Funde toter Vögel und nahezu amselfreie Gebiete in der nördlichen Oberrheinebene.

Warum befällt das Virus vor allem Amseln?

Vom Usutu-Virus befallene Vögel wirken offensichtlich krank, werden apathisch und sterben meist innerhalb weniger Tage. Fast immer sind es Amseln, bei denen diese Krankheit festgestellt wird. Der Nabu erklärt diese Häufigkeit in erster Linie mit dem großen Vorkommen dieser Singvögel. Wahrscheinlich sind Amseln auch besonders empfindlich gegenüber dem Virus.

Bedroht das Amselsterben den Erhalt dieser Singvögel?

Der Naturschutzbund schätzt die Zahl toter Amseln in ganz Deutschland auf etwa eine halbe bis eine Million jährlich. Die Amsel ist nicht vom Aussterben bedroht, aber ihr Vorkommen wird geringer, sagt Renke Lühken vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin: „Wir haben das für Südwestdeutschland schon mal genauer untersucht und festgestellt, dass die Population um rund 15 Prozent kleiner wird.“

In diesem Jahr könnte das Usutu-Virus Experten zufolge zu einem noch stärkeren Amselsterben in Deutschland führen als im vergangenen Jahr. Es sei deutlich feuchter und mückenreicher als im Vorjahr. „Daher könnte die diesjährige Usutu-Saison noch stärker ausfallen“, sagt Tropen-Experte Renke Lühken. Seit Jahresbeginn seien deutschlandweit über 1 300 Verdachtsfälle gemeldet worden. 2018 seien es im gleichen Zeitraum 800 Meldungen gewesen.

Seit dem erstmaligen Auftreten im Jahr 2011 breitet sich das Usutu-Virus zunehmend in ganz Deutschland aus. Im Hitzesommer 2018 wurden erstmals Infektionen in Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen und Bayern nachgewiesen. Laut dem Nabu-Vogelschutzexperten Lars Lachmann ist „kein deutsches Bundesland mehr „Usutu-frei“.

Hat die Epidemie auch die Oberlausitz schon erreicht?

Diese Frage lässt sich im Moment weder mit einem klaren Ja noch mit Nein beantworten. Das Kreisveterinäramt Bautzen registrierte 2019 bisher zwei tote Amseln. Katrin Poike vom Nabu-Naturschutzzentrum „Oberlausitzer Bergland“ in Neukirch hat noch keine Belege, „dass in letzter Zeit die Amseln massiv bedroht sind. Bisher gab es keine Informationen oder Hinweise.“ Eine ähnliche Einschätzung kommt von der Vogelschutzwarte in Neschwitz.

Wie sollte jemand reagieren, der ein krankes oder totes Tier findet?

Nabu und Tropenmediziner bitten darum, kranke oder verendete Tiere zu melden und möglichst zur Untersuchung einzusenden. Zum Hantieren mit toten Vögeln werden Handschuhe oder eine umgestülpte Plastetüte sowie anschließendes Händewaschen empfohlen. Idealerweise sollten die Vögel eingefroren oder mit einem Tiefkühlakku versehen werden. Im Sommer ist eine Isolation mit Styropor sinnvoll.

Ist das Usutu-Virus auch für den Menschen gefährlich?

Angst muss niemand haben. In Deutschland haben sich zwischen 2014 und 2016 zwei Menschen mit dem Usutu-Virus infiziert. „Die hatten auch keine Symptome, sondern bei denen wurde das Virus bei einer Routineuntersuchung festgestellt“, erklärt Vogel-Forscher Lühken. Beim Menschen gehe die Infektion mit Fieber, Kopfschmerzen und Hautausschlägen einher und könne im schlimmsten Fall eine Gehirnentzündung auslösen. (mit dpa)

Nabu-Internetseite für Meldung und Versand:

www.nabu.de/usutu-melden