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Neißeland setzt Millionen aufs Spiel

Seit Wochen streiten sich Gemeinden und ein Tourismus-Verein, wer künftig die Gelder für die ländliche Entwicklung an die Neiße holt. Jetzt wird die Zeit knapp.

Von Frank-Uwe Michel
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Annett Hertweck von der Naturschutzstation in Förstgen hat große Pläne mit der alten Mühle in Förstgen.
Leader-Gelder machen's möglich. Doch deren Zukunft ist ungewiss.
Annett Hertweck von der Naturschutzstation in Förstgen hat große Pläne mit der alten Mühle in Förstgen. Leader-Gelder machen's möglich. Doch deren Zukunft ist ungewiss. © André Schulze

Annett Hertweck ist froh, dass das Geld aus der Leader-Förderung schon geflossen ist.  Damit unterstützen die EU und das Land die ländliche Entwicklung. Auf dem Gelände der alten Mühle in Förstgen sollen drei touristische Höhepunkte  entstehen: Museum, Café, Herberge.

Fünf Doppelzimmer sind geplant. Sie sind der Ausgangspunkt für die Gäste der Naturschutzstation, um die Region genauer zu erkunden. 284.000 Euro bekommt das Projekt Fördertopf. Ob allerdings auch andere Ideen künftig mit Leader-Geld rechnen können, ist derzeit alles andere als sicher. Denn: Der Vertrag mit dem Görlitzer Planungsbüro Richter + Kaup, das seit Jahren für das Regionalmanagement der Gebietskulisse "Östliche Oberlausitz" zuständig ist, läuft Mitte 2021 aus. Und ob es die Ausschreibung für einen neuen gibt, ist ungewiss.

Der Dachboden der alten Mühle. In dem Gebäude sollen ein Museum, ein Café und eine Herberge mit fünf Doppelzimmern entstehen.
Der Dachboden der alten Mühle. In dem Gebäude sollen ein Museum, ein Café und eine Herberge mit fünf Doppelzimmern entstehen. © André Schulze

Gemeinden müssen sich auf neuen Träger einigen

Grund dafür ist der angekündigte Rückzug der Touristischen Gebietsgemeinschaft (TGG) Neißeland. Der Verein ist seit 2015 Träger der hiesigen Leader-Kulisse und hatte diese Funktion damals auf Anraten des Freistaates vom Landkreis übernommen. Die TGG ist verärgert, weil sich nicht alle der 23 infrage kommenden Gemeinden zwischen Bad Muskau und Ostritz als zahlende Mitglieder engagieren, obwohl sie bei der Tourismuswerbung - dem Kerngeschäft - profitieren. Der Beitrag würde keine Unsummen kosten: 25 Cent pro Einwohner und Jahr. Für Horka, das den Eintritt zumindest erwägt, wären zum Beispiel rund 400 Euro fällig. Auch Kodersdorf denkt darüber nach, "obwohl wir unsere Zukunft bisher eher weniger im Tourismus gesehen haben", erklärt Bürgermeister René Schöne die Zurückhaltung.

Doch gerade die Gäste-Werbung für die Region, die Herstellung von Flyern und Broschüren sowie die Koordinierung der verschiedenen Angebote sind Punkte, denen sich die TGG künftig stärker widmen will. "Da bringen uns die Aufgaben als Träger der Leader-Kulisse an unsere Grenzen - vor allem personell", begründet Geschäftsführerin Maja Daniel-Rublack. Mit dem avisierten Auslaufen dieses Engagements Mitte 2021 hat der Verein alle Seiten - vor allem aber die Kommunen - in Zugzwang gebracht.

Inzwischen gilt zwar als sicher, dass die TGG bis zum Ende der aktuellen Förderperiode weitermacht. Trotzdem drängt die Zeit, denn allein damit ist es nicht getan. Von Mitte 2021 bis Mitte 2023 gibt es einen Übergangszeitraum, in dem die danach beginnende neue Förderperiode vorbereitet werden muss. Dazu ist bis Ende August ein Förderantrag nötig, um die finanzielle Grundlage zur Ausschreibung des nächsten Regionalmanagements zu bekommen. Dazu gehört allerdings auch eine neue Entwicklungsstrategie. Ohne einen Träger funktioniert das nicht.

Drei Vorschläge liegen auf dem Tisch

Fast jede Woche sitzen TGG und Gemeinden deshalb zusammen, um zumindest die Aufgabenverteilung für den Übergangszeitraum fest zu zurren. Laut Maja Daniel-Rublack prüft die TGG momentan, "ob wir diese Verantwortung zwei weitere Jahre übernehmen können." Am liebsten wäre ihr aber, die Verantwortung abgeben zu können. Deshalb bringt sie die Gründung eines Trägervereins ins Gespräch, der zumindest bis Mitte 2021, besser noch: auch danach für die Gebietskulisse agieren könnte.

Doch auch hierzu gibt es bislang keine Einigung. Erst am 12. Juni gingen die Bürgermeister der Leader-Orte wieder ergebnislos auseinander. In Jänkendorf kam erneut ein Vorschlag aus Kodersdorf zur Sprache. Demnach könnte die kommunale Inklusionsgesellschaft (KoIS) die Aufgaben der Trägerschaft und des Regionalmanagements übernehmen, müsste dafür aber personell ausgestattet werden. Auch die in Reichenbach ansässige Gemeinnützige Forschungsgesellschaft für dezentrale Energiesysteme (Gedes) hat sich in Stellung gebracht. Und schließlich ist auch die Fortsetzung des TGG-Engagements noch nicht vom Tisch.

Seit 2016 wurden 15 Leader-Millionen ausgereicht

Allerdings ist es "höchste Eisenbahn". Damit beschreibt Kodersdorfs Gemeindechef René Schöne die prekäre Lage. Um die TGG weiter im Boot zu halten, müssten alle Nicht-Mitgliedsgemeinden ihren Eintritt erklären. In Kürze fängt jedoch die Sommerpause an, das Sitzungsprogramm der Gemeinderäte ist dann ausgedünnt. Klappt dies nicht, muss eine der anderen Varianten greifen. Fest steht: "Wir müssen uns einigen, sonst geht der Region enormes Entwicklungspotenzial verloren", stellt Schöne klar. Was er meint, wird beim Blick auf die Zahlen deutlich: In dem seit 2016 laufenden Förderzeitraum haben 215 Projekte der Gebietskulisse "Östliche Oberlausitz" knapp 15 Millionen Euro erhalten. Insgesamt stehen 15,6 Millionen Euro zur Verfügung.

Und die Leader-Schnittstelle wird demnächst noch wichtiger. Aus Dresden hat der Kodersdorfer Bürgermeister erfahren, dass in Zukunft sämtliche Millionen, die in den ländlichen Raum gehen, darüber ausgereicht werden sollen. Dazu zählen dann offenbar auch Strukturwandel-Gelder und Fördermillionen aus dem Programm "vitale Dorfkerne". Sich nicht auf einen Träger zu einigen, wäre für die Akteure im Neißeland fatal.

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