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Tellkamp sieht einen deutlichen Gesinnungskorridor 

Nach eine offenen Brief an die Dresdner Buchhändlerin Susanne Dagen antwortet der Schriftsteller - öffentlich.

Von Karin Großmann
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Mischt sich ein: Autor Uwe Tellkamp.
Mischt sich ein: Autor Uwe Tellkamp. © dpa/Sebastian Kahnert

Der Riss in der Gesellschaft wächst, und das ist gut so. Mit dieser These meldete sich der Verleger Götz Kubitschek in der Diskussion zwischen den Schriftstellern Durs Grünbein und Uwe Tellkamp im März im Dresdner Kulturpalast zu Wort. Kubitschek ist Gründer des Antaios Verlags und Herausgeber der Zeitschrift Sezession. Sie erscheint gedruckt sechsmal im Jahr und online und nennt ihr Profil "rechtsintellektuell". Hier mitzuarbeiten sei "eine ganz eigentümliche Art, sich zu bekennen". Der Dresdner Autor Uwe Tellkamp legt dieses Bekenntnis in einem Offenen Brief ab. Es ist seine erste schriftliche, dezidiert politische Äußerung seit Langem. Er reagiert damit zum einen auf eine Veröffentlichung im Magazin Elbhangkurier und zum anderen auf die "Erklärung der Vielen".

Diese Erklärung sorgt sich um den Zusammenhalt in der Gesellschaft und wendet sich "gegen rechtspopulistische sowie völkisch-nationale Strömungen". Deutschlandweit haben rund 300 Kultureinrichtungen den Text unterzeichnet. Dafür werden sich manche von ihnen vielleicht einmal schämen, so Uwe Tellkamp. Das Dokument zeige "den viel bestrittenen Gesinnungskorridor ebenso erschütternd wie deutlich". Er spricht von einer "institutionell getragenen Intoleranzerklärung" und fragt, für wen Dresdner Einrichtungen wie Staatsoper, Schauspiel, Philharmonie und Museen zu sprechen meinen, "sind alle ihre Mitglieder und Mitarbeiter dazu befragt worden? Und von wem? Sieht so wirkliche Liberalität aus?

Tellkamp fragt: Ist Weltoffenheit wirklich immer nur gut?

Ein weiterer Anlass zur Polemik ist für den Autor ein Brief im November-Heft des Elbhangkuriers. Das Regionalmagazin erscheint seit 1992 einmal im Monat und versteht sich als "unabhängig und überparteilich". Der Brief wurde verfasst von Hans-Peter Lühr, langjähriger Herausgeber der Dresdner Hefte, und Paul Kaiser, Direktor des Dresdner Instituts für Kulturstudien. Beide wenden sich an Susanne Dagen vom Buchhaus Loschwitz. Sie seien schockiert über die Kooperation des Hauses mit dem Antaios Verlag von Götz Kubitschek und dessen Frau Ellen Kositza. Mit ihr veranstaltet die Buchhändlerin eine Diskussionsreihe im Internet unter dem Motto: "Aufgeschlagen. Zugeschlagen. Mit Rechten lesen." Lühr und Kaiser äußern ihr "großes Unbehagen" darüber, dass sich Susanne Dagen offen solidarisiere "mit dem rechten Spektrum der Gesellschaft". Ihr Engagement für die AfD habe "im nun ganz offenen Werben für neurechte Inhalte und Parolen einen kritischen Punkt erreicht". Ihre Position sei "verstörend und rätselhaft".

Uwe Tellkamp ergreift Partei für die Buchhändlerin. Sie werde an den Pranger gestellt. Doch sie verdiene nicht Kritik, sondern eine Auszeichnung dafür, dass sie den Diskurs in alle Richtungen offenhalte und jenen Positionen ein Podium biete, die anderweitig keines finden. Über die Grenzen des Sagbaren entscheide das Strafrecht und "nicht die Moral einiger Edelignoranten in Kirche, Kultur, Medien". Beim Thema Zuwanderung bekräftigt Tellkamp seine Auffassung, das Land und seine Kultur würden preisgegeben. Er fragt, ob Weltoffenheit wirklich immer nur gut sei. Und er polemisiert gegen Kritik: "Nur weil Dagen und ich uns erlauben, nicht mit Scheuklappen durch unsere Wirklichkeit zu gehen, sind wir nicht zum Abschuss freigegeben."