Pflegenotstand, Jugendabwanderung, Energiewende und B178 - das sind große Themen für die sechs Direktkandidaten, die sich um das Landtagsmandat im Wahlkreis 59 - dem früheren Landkreis Löbau - bewerben und die von der Landeszentrale für politische Bildung am Donnerstagabend in die Löbauer Blumenhalle eingeladen worden waren. Matthias Reuter (CDU), Mario Kumpf (AfD), Sylvio Pfeiffer-Prauß (Grüne) und Christine Schlagehan (FDP) waren der Einladung direkt gefolgt. Der SPD-Kandidat Thomas Kuhne ließ sich von seinem Parteikollegen Andreas Herrmann vertreten und die Linke Marie Wobst schickte Kollegin Antonia Mertsching in die Diskussionsrunde, der etwa 70 Zuhörer folgten.
Moderator Markus Kremser ermunterte gleich zu Beginn: "Eine Kontroverse ist erwünscht." Allerdings dauerte es eine Weile, bis sich tatsächlich kleinere Diskussionen zwischen den Kandidaten entspannen. Sie blieben insgesamt spärlich. Welche Themen eine Rolle spielen sollten, bestimmten dabei die Zuhörer mit.
Bessere Pflege durch staatliches Gesundheitssystem?
In das System muss mehr Geld und mehr Personal - das ist die Quintessenz des Grünen Sylvio Pfeiffer-Prauß und von Andreas Herrmann von der SPD. Auch Antonia Mertsching von den Linken plädierte in diesem Sinne für einen besseren Betreuungsschlüssel. Sie setzt sich für ein generelles Grundeinkommen ein, um Armut zu bekämpfen. An der Ausbildung will FDP-Frau Christine Schlagehan ansetzen - praxisnäher und attraktiver muss sie werden. Hier hat auch AfD-Kandidat Mario Kumpf seinen Punkt: Es müsse eine spezifische Ausbildung nur für die Pflege geben, damit die potenziellen neuen Mitarbeiter dann nicht am Ende eher in Kliniken oder zu anderen Arbeitgebern abwanderten.
Dieses Konkurrenz-Problem, das durch eine neue, gemeinsame Ausbildung für Pflegekräfte künftig generell entstehen könnte, sieht auch Matthias Reuter. Der CDU-Mann setzt darauf, dass Freistaat und Kreis hier gegensteuern. Reuter, der als Sozialplaner im Landkreis die Probleme bei der Pflege sehr gut kennt, hob hervor, dass viele grundlegende Dinge bei diesem Thema gar nicht auf Landesebene entschieden werden - wohl aber könne der Freistaat etwas tun, damit Heimbetreiber nötige Investitionen durchführen können und pflegende Angehörige die Mittel und Möglichkeiten nutzen, die sie haben. Da gebe es sehr viel Aufklärungsbedarf. Ein staatliches Gesundheits- und Pflegesystem - um von der Gewinnorientierung wegzukommen - bevorzugt lediglich die Linke.
Was braucht die Jugend?
Aus dem Publikum kam als Kontrapunkt die Frage nach Unterstützung für die Jugend. Mario Kumpf, der kritisierte, die Jugend habe kaum noch Möglichkeiten zum Ausgehen, weil auch wegen der Gema-Gebühren die Disko-Betreiber schließen müssten, brachte den Tourismus ins Spiel. Wenn hier mehr getan werde, profitiere auch die Jugend vor Ort und müsse nicht wegziehen. Grünen-Kandidat Pfeiffer-Prauß, selbst im Vorstand des Vereins "Löbau lebt" konterte, dass Diskotheken wohl nicht das einzige seien, was junge Leute interessiere. "Ich glaube, die Jugend will selbst gestalten, etwas aufbauen", sagte er. Das müsse finanziell unterstützt werden. Mario Kumpf hat mit diesen geförderten Projekten ein grundsätzliches Problem: "Es darf aber nicht nur ideologisch in eine Richtung gehen - nämlich rot und grün", sagte er. Auch Interessen konservativer Jugendlicher müsse man berücksichtigen. Ideologie sei dabei doch gar nicht die Frage, konterte Pfeiffer-Prauß. Es gehe um die finanziellen Möglichkeiten.
CDU-Mann Reuter, der noch nicht festgestellt hat, dass konservative Jugendliche keinen Platz fänden, will sich für einen anderen wichtigen Aspekt einsetzen: "Der Freistaat vergibt Gelder für Jugendarbeit, ohne auf die Einwohnerzahlen zu schauen", erklärte er. Das müsse so bleiben, sonst hätte der Kreis einen Nachteil. Wie man die Mittel verteile, das könne man diskutieren. Sozialdemokrat Andreas Herrmann lenkte den Fokus auf gute Voraussetzungen in der Wirtschaft: "Viele Jugendliche haben ein Mobilitätsproblem, auch um zum Ausbildungsplatz zu kommen", sagte er. Hier sei das eingeführte Azubiticket sehr wichtig, lobte er die Politik des SPD-Ministeriums.
Starke Wirtschaft trotz Energiewende?
Wenn eine Region attraktiv ist für Unternehmer und Arbeitskräfte, dann funktioniert die Wirtschaft - argumentieren Antonia Mertsching und Sylvio Pfeiffer-Prauß. Das bedeute auch, dass sich die Region öffnen müsse für Menschen aus anderen Gegenden der Welt. Der Grüne sieht - ebenso wie Andreas Herrmann und die Linken-Vertreterin - im Energie- und Strukturwandel eine große Chance für die Region. Herrmann verwies zudem darauf, dass gute Löhne in Sachsen - und im Kreis - noch immer ein wunder Punkt seien, weshalb er für mehr Offenheit für Tarifabschlüsse plädiert.
Matthias Reuter sieht in guter Bildungspolitik - Fehler der Vorjahre seien angegangen - ein wichtiges Pfund für die Zukunft. Er will sich dafür einsetzen, dass beim Strukturwandel die bisherigen Stärken vor Ort - Knowhow in der Energiewirtschaft - weiter ausgebaut werden. Den Kohleausstieg hält hingegen der AfD-Kandidat für einen "nonsinnigen und überstürzten Weg". Der Fokus seiner Partei liege auf der Einrichtung von Sonderwirtschaftszonen und der Industrie 4.0 für die Region. Zudem müsse man Rückkehrer gewinnen, man könne aber auch an der Grenze auf Arbeitskräfte aus dem Nachbarland zurückgreifen: "Mit solchen Leuten zu arbeiten, funktioniert zum Teil auch."
Wie wichtig sind Frauen?
Eine kurze Diskussion entspann sich bei einer Zuschauerfrage, was man denn dafür tun wolle, gut qualifizierte Frauen zurückzuholen oder zu halten. Mario Kumpf zweifelte daran, dass sich Frauen minderwertig fühlten. Er verstehe diese Frage nicht. Nach einem kurzen Schlagabtausch mit Pfeiffer-Prauß hatte der AfD-Kandidat dann ein Rezept parat, wie man mehr gut ausgebildete Frauen in die Region locken könne: "Einfach noch mehr Ausländer ins Land lassen, dann kommen sie aus dem Westen in den Osten zurück, weil sie die Nase voll haben", sagte er - und erntete eine Mischung aus Gelächter, Empörung und Applaus. Die anderen Kandidaten sahen auch hier die wichtigen Punkte bei Familienfreundlichkeit, guter Kita-Ausstattung und attraktiven Arbeitsplätzen.
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