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Warum der Landeschef die „blauen Affen“ übersah

Ministerpräsident Michael Kretschmer besucht Heidenaus Möbelwerk, bekommt viel gesagt und gibt ein Versprechen.

Von Heike Sabel
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Die „blauen Affen“ stehen erst seit Kurzem im Möbelwerk. Sie machen die Arbeit schneller.
Die „blauen Affen“ stehen erst seit Kurzem im Möbelwerk. Sie machen die Arbeit schneller. © Daniel Förster

Die Mitarbeiter des Landeskriminalamts hatten die „blauen Affen“ nicht weiter beachtet. Die auffällig unauffälligen Männer brauchten zehn Minuten, um die Möbelwerkhalle zu checken. Alles in Ordnung für den Besuch von Sachsens Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU). Der hatte in dem engen Besuchszeitplan am Donnerstag auch nur wenig mehr als zehn Minuten Zeit für die Werkhalle in Heidenau. Den eingesperrten „blauen Affen“ schenkte er dabei nicht viel Aufmerksamkeit. Auch nicht der Fassade des Firmengebäudes, die am Vortrag extra noch geputzt worden war.

Im Schnelldurchlauf stellte ihm Werkleiter Maik Hippel den Betrieb vor. Was der Besuch in ein paar Minuten gesagt bekommt und erfragt, ist für das Möbelwerk eine lange Geschichte. Von den Ursprüngen 1898 über den Beginn der Möbelproduktion 1953 bis zur Wende, von Krisen bis zum derzeitigen Bau einer neuen Halle auf dem benachbarten ehemaligen Heidenia-Gelände. Zum Nachlesen gibt es für Kretschmer die Chronik. Die Zeit ist knapp.

Unternehmenschef Markus Wiemann, zu dessen Firma Heidenau seit 1992 gehört, ist extra aus Niedersachsen gekommen, auch der Chef des sächsischen Möbelhersteller-Verbandes. In dem etwa 60 Mitglieder starken Verband gehören die Heidenauer zu jener Handvoll Betriebe, die Tarif zahlen. Das ist das Stichwort für Betriebsratschef Martin Werrmann. „Wir haben Tarif, aber einen anderen als im Westen, doch wir sind hier nicht weniger produktiv“, sagt er. Sein Chef Maik Hippel spricht das zweite Problem an. „Wir brauchen mehr Flexibilität bei den Öffnungszeiten der Kitas. Das wäre Unternehmenshilfe.“ Kretschmer scheint das schon oft gehört zu haben. Investitionen in die Qualität der Kita-Betreuung seien ein Punkt für das CDU-Wahlprogramm, verspricht er. Es ist eines der wenigen Male, dass das Stichwort Landtagswahl fällt. Der Besuch ist natürlich Wahlkampf. Der CDU-Wahlkreis-Abgeordnete Oliver Wehner hat ihn sogar zu seinem Wahlkampf-Auftakt erkoren.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer war auf Blitzbesuch in Heidenau.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer war auf Blitzbesuch in Heidenau. © Archiv: SZ

Die „blauen Affen“ lassen sich vom Tross der Anzugträger nicht beeindrucken. Die wegen ihrer blauen Farbe so bezeichneten Roboter stehen erst seit Kurzem in der Werkhalle. Sie stapeln Möbelplatten, kontinuierlich, ohne Runterfallen. Automatisierung in Aktion. Der Ministerpräsident bekommt im Schnelldurchlauf erklärt, wie innerhalb eines Tages aus dem angelieferten Material 800 fertige Schlafstubenmöbel werden. Für den ehemaligen Praktiker bleibt da kaum Zeit. Die schwarzen Limousinen und der nächste Termin warten. Für einen Moment haben die Heidenauer in der Runde ein beklemmendes Gefühl. Sie sehen die Bilder des August 2015 vor sich. Als die Flüchtlinge kamen, es die Auseinandersetzungen gab, die Heidenau unfreiwillig weltbekannt machten und dann die Politiker kamen. Als die Möbelwerke Anfang vorigen Jahres verkündeten, das Grundstück mit dem ehemaligen Praktiker und dem Hammer-.Markt vom Freistaat zu kaufen, war die Erleichterung groß. Bei Stadt, Freistaat und Möbelwerk. Das kaufte damit nämlich das Grundstück zurück, das es nach der Wende verkauft hatte. Eine der ersten Amtshandlungen des neuen alten Eigentümers war der Wechsel des Schriftzuges. Statt des blau-gelben des Praktikers der rot-weiße des Möbelwerkes.

Die Heidenauer wissen das alles. Der Ministerpräsident bekommt es kurz erzählt. Es soll der eigentliche Grund des Besuches gewesen sein, sagt Wehner. Er habe zeigen wollen, was aus einer ehemaligen Erstaufnahmeeinrichtung werden kann. Wehner hatte als DRK-Kreischef auch eine Idee für die Nutzung: als Katastrophenschutzlager. Doch es kam anders.

Und dann ist der Besuch auch schon wieder weg. Die Möbelwerker machen Mittag und fragen ihren Betriebsratschef , was es Neues gibt. Der zuckt mit den Schultern. „Aber dass wir das mit dem Tarif und den Kitas sagen konnten, war wichtig.“

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