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Warum es im Pflegeheim jetzt einen Roboter gibt

Das Seniorenwohnhaus in Bischofswerda geht neue Wege – und ist dabei Vorreiter in Ostdeutschland.

Von Ingolf Reinsch
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Pepper, der Roboter, ist der jüngste „Mitarbeiter“ im Seniorenwohnhaus „Am Belmsdorfer Berg“ in Bischofswerda. Er wird für die Alltagsgestaltung eingesetzt. Durch ihn fallen keine Arbeitsplätze weg.
Pepper, der Roboter, ist der jüngste „Mitarbeiter“ im Seniorenwohnhaus „Am Belmsdorfer Berg“ in Bischofswerda. Er wird für die Alltagsgestaltung eingesetzt. Durch ihn fallen keine Arbeitsplätze weg. © Steffen Unger

Bischofswerda. Pepper kann so gut wie alles, was man von einem geselligen Typen erwartet. Er ist jederzeit bereit zu einem Spielchen. Er plaudert, singt, tanzt, sagt, wie das Wetter wird, und er erzählt die richtigen Märchen. An diesem Vormittag ist es Rotkäppchen, für das sich die Frauen und Männer in einem Wohnbereich des Seniorenwohnhauses „Am Belmsdorfer Berg“ in Bischofswerda entschieden haben. Pepper erzählt es genau so, wie es die Brüder Grimm aufgeschrieben haben und wie es die Bewohner vor Jahrzehnten vielleicht selbst einmal ihren Kindern erzählten.

Rund 20 Senioren sitzen im Kreis um den jüngsten Mitarbeiter des Hauses herum – einen Roboter. Wenn man so will, ist Pepper an diesem Vormittag der Arbeiter. Doch Regie führt eine Frau – Carola Gnauck, die im Seniorenwohnhaus als Ergotherapeutin arbeitet. „Soll uns Pepper mal einen Witz erzählen?“, fragt sie lachend in die Runde – und kurz darauf legt der Roboter los. 

Auf Nachfrage verrät er, dass er 1,20 Meter groß und 28 Kilogramm schwer ist. Er spricht Deutsch und Englisch, den sächsischen Dialekt leider (noch) nicht. Er ist weder liiert noch aktuell auf Partnersuche. Er habe im Haus viel zu tun und konzentriere sich jetzt erst mal auf seine neuen Aufgaben, sagt er, als ihn die Ergotherapeutin aufs andere (Roboter-)Geschlecht hin anspricht. Pepper redet nicht nur. 

Er gestikuliert mit seinen Armen und erkennt mittels Kamera hinter seinen Augen auch sein Gegenüber. „Sie sind ein 33 Jahre alter Mann“, sagt er beherzt zu Carola Gnauck, als die Therapeutin mit dem modischen Kurzhaarschnitt ihn bittet, ihr Alter zu schätzen. Da hat sich Pepper mal eben leicht vertan. Was soll’s?! Die Runde quittiert es mit Heiterkeit.

Fünfstelligen Betrag investiert

Die gemeinnützige Oberlausitz Pflegeheim und Kurzzeitpflegegesellschaft als Träger des größten Seniorenwohnhauses im Landkreis Bautzen investierte einen fünfstelligen Betrag in ihren neuen Mitarbeiter, sagt Geschäftsführer Sascha Bock. Der Roboter, der japanische Wurzeln hat und in Frankreich hergestellt wurde, kostet etwa so viel wie ein gut ausgestatteter Kleinwagen. 

Die Bischofswerdaer Einrichtung ist nach eigenen Angaben die erste in den neuen Bundesländern, die einen solchen Roboter nutzt. Inzwischen zog eine Pflegeeinrichtung im Landkreis Görlitz nach. Im Haus „Am Belmsdorfer Berg“ wird der Roboter für die Alltagsgestaltung eingesetzt. „Es geht dabei nicht darum, Arbeitskräfte einzusparen. Wir sehen den Roboter als sinnvolle Ergänzung für unsere Arbeit, um Abwechslung in die Alltagsgestaltung zu bringen“, betont Sascha Bock. 

Die Leitung des Hauses verfolgt mit der Investition vor allem zwei Ziele: Zum einen möchte sie die Bewohner an der technischen Entwicklung teilhaben lassen und ihnen vermitteln, dass sie vor neuen Informationstechnologien keine Angst zu haben brauchen. Zum anderen will man sich aber auch – gerade mit Blick auf junge und jüngere Mitarbeiter – als moderner Arbeitgeber präsentieren und zeigen, dass sich auch der Pflegeberuf entwickelt. Pflege ist weit mehr als das gängige Klischee, nur am Bett zu stehen, Bewohnern das Essen zu reichen und ihnen bei der Körperpflege zu helfen. 

Von den rund 500 Mitarbeitern der Oberlausitz Pflegeheim und Kurzzeitpflegegesellschaft, die Einrichtungen in Bischofswerda, Neukirch, Großdubrau und Bautzen betreibt, geht in den nächsten zehn Jahren etwa jeder Vierte in den Ruhestand. „Es ist für uns eine riesige Herausforderung, junge Mitarbeiter zu gewinnen“, sagt Sascha Bock. Auch deshalb gab Pepper sein Debüt nicht in Bischofswerda, sondern vor einigen Tagen in Dresden auf der Messe „Karriere-Start“, wo die Bischofswerdaer Gesellschaft und ihre Tochter für die Westlausitz vertreten waren.

Zwischen Skepsis und Neugier

Inzwischen macht der Roboter seine Vorstellungsrunde im Bischofswerdaer Seniorenwohnhaus. Nach und nach wird er die einzelnen Wohnbereiche besuchen. Mancher in der Runde begegnet dem weißen Gesellen zunächst mit Skepsis. Eine Frau ist mutig und lässt sich auf ein kleines Quiz ein. 

Das Display vor Peppers Brust zeigt zwei Bilder – eine Zitrone und eine Apfelsine. Welche ist die saure Frucht?, fragt er. Nach kurzem Überlegen drückt die Frau auf das Bild mit der Zitrone. „Richtig! Gut gemacht!“, lobt der Roboter. Schwieriger wird es dann schon bei der Frage, ob eine Aubergine Obst oder Gemüse ist.

Künstliche Intelligenz, wie sie der Roboter verkörpert, und die Chancen der Digitalisierung werden in der Oberlausitz Pflegeheim und Kurzzeitpflegegesellschaft gezielt genutzt, um Mitarbeiter von Routinearbeiten zu entlasten und für sie die notwendigen Bedingungen zu schaffen, damit sie mehr Zeit für ihre eigentlichen Aufgaben und folglich für die Bewohner haben. „Zurzeit stellen wir in unserem Haus die Software um“, sagt Sascha Bock. Doch nicht nur moderne Technik soll das Seniorenwohnhaus für junge Mitarbeiter interessant machen. 

Die Tarife wurden in den vergangenen Jahren erhöht. Bei den Dienstplänen achte man darauf, dass sich Beruf und Familie gut miteinander vereinbaren lassen, sagt der Geschäftsführer. Dazu gehört auch, den Mitarbeitern die Sicherheit zu geben, dass der Dienstplan eingehalten wird. „Das funktioniert nur, wenn wir über das entsprechende Personal verfügen.“ Pepper, der Roboter, soll in diesem Konzept ein Kollege, kein Konkurrent sein.

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