SZ + Bischofswerda
Merken

TU Dresden befragt Senioren in der Oberlausitz zu digitalen Helfern

Ein Forschungsprojekt will herausfinden: Welche Zukunftstechnologien können alternden Menschen in den Landkreisen Bautzen und Görlitz helfen?

Von Miriam Schönbach
 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Ein Assistenzsystem der anderen Art: Roboter Pepper unterhält die Senioren im Seniorenwohnheim Am Belmsdorfer Berg in Bischofswerda. Für eine Studie befragt die TU Dresden jetzt Menschen ab 60 Jahren zu ihrem Wohnumfeld und digitalen Helfern.
Ein Assistenzsystem der anderen Art: Roboter Pepper unterhält die Senioren im Seniorenwohnheim Am Belmsdorfer Berg in Bischofswerda. Für eine Studie befragt die TU Dresden jetzt Menschen ab 60 Jahren zu ihrem Wohnumfeld und digitalen Helfern. © Archivfoto: Steffen Unger

Bautzen. Sensoren melden Stürze, Kühlschränke bestellen selbst Milch, und die virtuelle Assistentin „Alexa“ ruft den Zahnarzt an: Das ist längst Realität statt Science Fiction. Zu solchen digitalen Helfern beginnt jetzt eine Befragung unter Senioren. Insgesamt sollen beim Forschungsprojekt „ZukunftAlter“ der TU Dresden in 19 Kommunen in den Landkreisen Bautzen und Görlitz Daten zum Wohnumfeld der ab 60-Jährigen erhoben werden. „Je Standort wurden 150 Personen gezogen. Sie erhalten unsere Fragebögen per Post. Insgesamt richtet sich unsere Befragung an 3.000 Personen“, sagt Projektmitarbeiter Niklas Weinhold.

Hinter „ZukunftAlter“ steht die Idee, mithilfe eines wachsenden Kooperationsnetzwerkes Entwicklungen und Vorhaben rund um „Zukunftstechnologien für gelingendes Alter(n) im ländlichen Raum“ in der Oberlausitz voranzutreiben. Zum Bündnis gehören knapp 100 Partner aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Städte wie Bautzen beteiligen sich ebenso wie Mehrgenerationenhäuser und Technologieunternehmen.

Bevölkerung in der Oberlausitz schrumpft

Federführend sind die Awo Lausitz Pflege- und Betreuungs-gGmbH in Hoyerswerda und das Center for Open Digital Innovation and Participation (CODIP) mit der Nachwuchsforschergruppe „Gero-Technologien“ von Dr. Kristina Barczik an der TU Dresden. Das CODIP erforscht die digitale Transformation in Gesellschaft, Wissenschaft sowie Lebens- und Arbeitswelt. Gefördert wird das Projekt durch das Programm „WIR! – Wandel durch Innovation in der Region“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF).

Die Wahl fiel mit ernstem Hintergrund auf die ländlich geprägte Region östlich von Dresden. Flächenmäßig so groß wie das Ruhrgebiet ist sie jedoch eher dünn besiedelt. Durch Strukturwandel und Demografie hat die Oberlausitz bereits jetzt mit der steigenden Überalterung einen sehr hohen Altenquotienten.

Laut Demografieportal der Bundesregierung wird in den nächsten 10 bis 15 Jahren die Bevölkerung allein im Landkreis Görlitz um bis zu 30 Prozent schrumpfen. 2030 werden 75 Prozent der Menschen über 65 Jahre alt sein. Im Landkreis Bautzen alarmiert noch eine andere Zahl: 2030 stehen laut regionalisierter Bevölkerungsvorausrechnung 100 erwerbsfähige Personen 110 Personen im nicht mehr erwerbsfähigen Alter gegenüber.

Oberlausitz als Modellregion für Assistenztechnologien

Das stellt die Oberlausitz vor zahlreiche Herausforderungen. Gleichzeitig wächst der Gesundheits- und Sozialsektor. „Wir wollen mit ZukunftAlter keine Lösungen im Elfenbeinturm entwerfen, sondern nach der Analyse konkrete Projekte ins Leben rufen. Deshalb fragen wir: Was brauchen Menschen, wo wollen sie Unterstützung, was ist überhaupt sinnvoll? Langfristig geht es darum, die Oberlausitz zu einer Modellregion für digitale Assistenztechnologien beziehungsweise sogenannte Gero-Technologien auszubauen“, sagt Niklas Weinhold. Gero-Technologien umfassen digitale und technisch gestützte Produkte und Dienstleistungen zugunsten älterer Menschen.

Bei der Befragung geht es um ein besseres Verständnis der Lebenssituation älterer Menschen in der Region. Ihr folgen im ZukunftAlter-Projekt zwei weitere Forschungsinhalte. So soll eine Machbarkeitsstudie zu einem innovativen Pflegeheim auf Grundlage eines Vorbild aus den Niederlanden entstehen. Das dortige Buurtzorg-Modell widmet sich ambulanter Pflege ohne steile Hierarchien und heißt übersetzt "Nachbarschaftshilfe".

Start-Ups sollen digitale Lösungen entwickeln

Teil 3 des Forschungsprojektes ist es, Start-Ups in die Region zu bringen, die technisch-digitale Lösungen und technisch unterstützende Produkte (zum Beispiel Smart Home Lösungen) für Wohnen, Pflege, Gesundheit, Versorgung und Wohnumfeld entwickeln. „ZukunfTAlter will nicht nur die Forschungs- und Entwicklungsbemühungen in diesem Innovationsfeld ausdehnen, sondern anwendungsreife Lösungen, die ein Marktwachstum befördern, etablieren“, heißt es in der Projektbeschreibung. Insgesamt beträgt die Forschungslaufzeit und ihre Förderung sechs Jahre.

Doch jetzt beginnt erst einmal die Befragung. „Wir wollen in diesem Schritt schauen: Welche Technologien würden denn ältere Menschen akzeptieren, und welche Technologien sind vielleicht eher unnütz?“, sagt Niklas Weinhold. Der anonymisierte Fragebogen wird an zufällig ausgewählte Personen zugestellt, die auf Grundlage des § 46 des Bundesmeldegesetzes durch das Einwohnermeldeamt ermittelt wurden. Die Teilnahme ist freiwillig, und der Fragebogen kann bequem von zu Hause aus bearbeitet und kostenfrei zurückgesendet werden.

Was ist das große Ziel des Projekts zwischen Strukturwandel, Kohleausstieg und demografischem Wandel? „Unsere Vorstellung ist, dass ältere Menschen mithilfe von technischen, aber auch sozialen Innovationen in den eigenen vier Wänden in der Oberlausitz alt werden können und eben nicht unbedingt ins Pflegeheim umziehen müssen“, sagt Niklas Weinhold. Dazu brauche es aber die Daten aus der Befragung, mit deren ersten Ergebnissen die Nachwuchsforschergruppe 2024 rechnet.