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Pegida schreckt ausländische Studenten ab

Eine neue Studie zeigt: Ausländische Studenten kommen gern nach Sachsen. Doch viele gehen wieder - wegen der fehlenden Willkommenskultur.

Von Ines Mallek-Klein
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Pegida auf dem Theaterplatz in Dresden im Dezember 2019.
Pegida auf dem Theaterplatz in Dresden im Dezember 2019. © Benno Löffler

Dresden. In Dresden gibt es 4.800 ausländische Studenten. Gemessen an der Zahl aller eingeschriebenen Studierenden ist das eine Quote von 16 Prozent, und die liegt durchaus über dem nationalen Durchschnitt. Der Ruf der Exzellenzuniversität wird gehört und zwar vor allem in Indien, China und Italien. Diese drei Länder stellen einen Großteil der ausländischen Studierenden.

Warum sie nach Sachsen und insbesondere nach Dresden kamen und vor allem, ob sie hier auch dauerhaft bleiben wollen, war Gegenstand einer Studie von Professor Petra Kemter-Hofmann, die am Freitag an der TU Dresden vorgestellt wurde.

Die Ergebnisse überraschen, positiv wie negativ. Gut 50 Prozent all derer, die zum Studium aus dem Ausland hierherkommen, würden gerne in Deutschland bleiben, aber nur etwa jeder Zweite von ihnen kann sich eine Zukunft in Sachsen vorstellen. Die 305 befragten Absolventen beklagen fehlende Jobangebote, wobei auf die Bezahlung explizit nicht eingegangen wurde. Genauso häufig wird Pegida und eine insgesamt wahrgenommene Ausländerfeindlichkeit als Grund angeführt, warum die Absolventen lieber woanders nach einer Stelle suchen. Auch persönliche Erfahrungen mit Diskriminierung spielen eine große Rolle. Von verbalen und auch körperlichen Übergriffen seien dabei vor allem Studenten aus dem arabischen Raum betroffen.

Schwierigkeiten, deutsche Freunde zu finden

Das sei, sagt Christian Piechnick, ein fatales Signal. Er hat mit fünf Mitgesellschaftern vor zwei Jahren das IT-Unternehmen Wandelbots gegründet. In dem Start-up arbeiten mittlerweile 75 Beschäftigte aus zehn Nationen. Sie haben eine Lösung entwickelt, wie Roboter mittels intelligenter Kleidung und einfacher Gesten gesteuert werden können. „Wir sind gerade dabei, eine Industrie komplett auf links zu drehen“, so der geschäftsführende Vorstand Piechnick. Der Markt ist die Welt und er wächst rasant. „Um mithalten zu können, brauche ich die Besten, und die finde ich nicht nur in der Region“, sagt der Gründer.

Der erste ausländische Mitarbeiter kam aus der Schweiz. Da hat die Geschäftsführung die Blue Card für den Aufenthaltstitel und die Arbeitserlaubnis noch selbst beantragt. Mittlerweile wurde eine Agentur dazwischengeschaltet. So auch bei einem Experten aus Ägypten. Er hat die Zehn-Millionen-Metropole Kairo gegen Dresden getauscht und wurde schon zweimal auf seinem Arbeitsweg körperlich attackiert. „Von Leuten, die in ihrem ganzen Leben nicht so viel zu unserem Bruttosozialprodukt beitragen werden wie dieser eine Mitarbeiter in zwölf Monaten“, sagt Piechnick und warnt „wenn wir so weitermachen, dann können wir aus Sachsen heraus bald nur noch Schwibbögen verkaufen“.

Unter dem Gefühl, hier nicht willkommen zu sein, leiden offenbar besonders Studenten aus Indien und China. Für Letztere wiegen auch die kulturellen Unterschiede am schwersten, sagt die Arbeitspsychologin Kemter-Hofmann.

Indes falle es allen ausländischen Studenten schwer, deutsche Freunde zu finden, was sich unmittelbar auf die Sprachkompetenz auswirkt. Mangelnde Deutschkenntnisse vonseiten der Studenten und mangelnde Englischkenntnisse aufseiten der Unternehmen sind ein großer Hinderungsgrund beim Zusammenfinden. Auch das ist ein wichtiges Ergebnis der Studie, die im Rahmen von fünf Workshops und 468 Befragungen stattfand. Nicht nur Studenten, auch ehemalige Absolventen der Universität und Unternehmen wurden in die Befragung einbezogen.

Scheu vor bürokratischen Hürden

Die Firmen hätten, so das positive Fazit von Petra Kemter-Hofmann, grundsätzlich erkannt, welche Chancen ihnen die Beschäftigung ausländischer Absolventen biete. Dem Fachkräftemangel zu begegnen, ist ein Grund, ein anderer der Versuch, neue Absatzmärkte zu verstehen und zu erschließen. Aber auch Weltoffenheit als Unternehmensphilosophie sei immer öfter ein Thema. Dass es dennoch gerade im Mittelstand immer noch recht wenige Stellen gebe, die mit ausländischen Absolventen besetzt werden, liege aber auch an der Scheu vor bürokratischen Hürden. Zudem monieren viele Unternehmen die fehlende Berufspraxis in Deutschland, unvollständige Bewerbungsunterlegen und eine deutlich längere Einarbeitszeit, die nötig sei.

Der Halbleiterhersteller Commsolid hat einen Weg gefunden, ausländische Experten für sich zu begeistern, obwohl man nicht Globalfoundries sei. Geschäftsführer Matthias Weiss rät den Unternehmern, die vorhandenen Netzwerke zu nutzen und im Unternehmen eine Kerngruppe mit Internationals aufzubauen. Er weiß um die Vorurteile gegen Dresden und kennt Mitarbeiter, die sich gegenüber ihren Familien in China oder Indien rechtfertigen mussten, warum sie in der Pegida-Stadt arbeiten. „Unser Ziel muss sein, mit positiven Beispielen zu werben“, so Weiss.

Ein wichtiger Partner, um die Studierenden an die Commsolid GmbH zu binden, war die Scientists into Business GmbH. „Wir haben uns das Ziel gesetzt, möglichst viele der klugen Köpfe hier zu halten“, sagt Geschäftsführerin Anke Wagner. Vor anderthalb Jahren wurde das Beratungsunternehmen gegründet, das Talente und vorrangig mittelständischen Unternehmen miteinander vernetzen möchte. Die Scientist into Business GmbH war auch Projektträger der mit Mitteln des sächsischen Wirtschaftsministeriums finanzierten Studie. Gemeinsam mit der Leipziger Zarof GmbH und dem Career Service der TU Chemnitz ist man betreut man nun das Projekt Talent Transfers – ein neuen Programms, mit dem junge Talente – egal ob aus Deutschland oder aus dem Ausland – für Jobs in Unternehmen im ländlichen Raum begeistert werden sollen.