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Was an den Gerüchten um Spielzeug-Lehmann dran ist

Mehr als 175 Jahre gibt es das Geschäft von Claus Lehmann am Kamenzer Markt. Nicht erst jetzt denkt er über die Zukunft nach.

Von Ina Förster
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Claus Lehmann (67) hat seit Jahren in einem der Hinterräume einen Treff für Yu-Gi-Oh!-Fans eingerichtet. Jeden Sonnabendvormittag kommen hier bis 15 Spieler zusammen aus der weiteren Region.
Claus Lehmann (67) hat seit Jahren in einem der Hinterräume einen Treff für Yu-Gi-Oh!-Fans eingerichtet. Jeden Sonnabendvormittag kommen hier bis 15 Spieler zusammen aus der weiteren Region. © René Plaul

Kamenz. Im 178. Jahr ist immer noch alles irgendwie im grünen Bereich bei Spielzeug-Lehmann am Kamenzer Markt. Playmobil-Ritter und Lego-Ninjas stehen kämpferisch in Reih’ und Glied. 

Langhaarige Barbies lächeln mit großen Augen durch ihre Plastikverpackung. Die komplette Sandmannbelegschaft animiert zum Träumen und auch sonst kommen Kinder hier voll auf ihre Kosten. Auf zwei Ebenen wuseln Einkaufslustige auch an diesem Vormittag zwischen den Regalen hin und her. Die Auswahl ist riesig, alle angesagten Firmen sind im Programm. Auch der Kreativ- und Geschenkebereich in der oberen Etage läuft. Nur die Haushaltsware wird langsam abverkauft. Alles in bester Ordnung will man meinen. Doch wenn die Kamenzer Gerüchteküche einmal brodelt, dann brodelt sie. Claus Lehmann kennt das. Schon oft haben Kunden bange nachgefragt, „wie lange er denn überhaupt noch weitermachen würde“. Der Kamenzer Geschäftsmann kann darüber nur still lächeln. Aber ein bisschen versteht er die Bedenken der Leute sogar.

Immerhin ist er mittlerweile 67 Jahre alt. Und beide Kinder von Claus Lehmann werden wohl nicht wieder zurück nach Kamenz kommen. Sie haben ihr eigenes Leben in einer größeren Stadt, einen gut bezahlten Job. So etwas gibt man heutzutage nicht mehr so einfach auf, weiß der Vater. Und in einer Kleinstadt wie Kamenz wissen auch die Mitbürger von diesen Dingen. Was also wird werden mit einem der traditionsreichsten Geschäftshäuser? Sein Ururgroßvater gründete die Firma einst. 1984 stieg er ins Familiengeschäft ein. Schulte um und übernahm dann 1989 noch in HO-Kommission den Laden. Mit Stempel und Unterschrift von Stanislaw Tillich übrigens, der einst den Einzelhandel beim Kreis betreute. Die Urkunde hängt heute noch in seinem kleinen, aber feinen privaten Museum im Treppenhaus. Auf Nachfrage zeigt er die Relikte aus längst vergangener Zeit gern Besuchern. Erzählen sie doch auch von seiner Vergangenheit. „Eigentlich bin ich studierter Physiker, habe sechs Jahre lang in der Forschung gearbeitet. Doch dann fragte mich mein Vater, wie es aussieht. Und ich habe mich fürs Geschäft entschieden.“ Was damals so selbstverständlich war, ist es heute lange nicht mehr.

Qual der Wahl

Claus Lehmann hat in seinem Arbeitsleben alles erlebt: Gute Zeiten, schlechte Zeiten, den Verkaufs-Boom nach der Wende, das systematische Sterben der Altstadt, die leeren Schaufenster Ende der Neunziger direkt am Markt. Heute sind sie alle wieder mit Leben gefüllt. Fehler, die nach der Wende gemacht wurden, sind trotzdem immer noch allgegenwärtig. Die Bautzner Straße spricht abwärts ganze Bände davon. Das Stadtzentrum traf es am schlimmsten. In Kamenz steht die doppelte Verkaufsfläche pro Einwohner zur Verfügung wie im Bundesdurchschnitt. Diverse Discounter, gleich zwei Kaufländer, mehrere Baumärkte, Einrichtungsgeschäfte und andere Großmärkte buhlen „außerhalb“ um die Gunst der Einkäufer. Im Kerngebiet muss man sich heutzutage immer wieder etwas einfallen lassen, um Kunden zu akquirieren. Die einstige 1A-Geschäftslage mutierte auch wegen ihrer Größe zwischenzeitlich immer wieder zum Problemkind. Aber Lehmanns haben nicht aufgegeben. Und tun es auch jetzt nicht.

Claus Lehmann hat einen Plan. Und der ist ziemlich konkret. „Ich möchte den Laden am 1. Juni 2023 abgeben. Denn dann gehen meine beiden Mitarbeiterinnen in den wohlverdienten Ruhestand“, erzählt er. Ein Ende von Spielzeug-Lehmann bedeutet das aber nicht. Der kluge Mann hat vorgebaut, seine Fühler ausgestreckt und ist fündig geworden. „Wenn man die Nachfolge nicht in der eigenen Familien regeln kann, muss man sich eben rechtzeitig umschauen. Zwei Interessenten hat er bereits gefunden. Junge Leute, die aus dem Einzelhandel kommen. Somit hat er letztendlich sogar die Qual der Wahl. Die Firma wird unter dem Traditionsnamen weitergeführt und bleibt in seinem Besitz. Nur der Zweck ändert sich. „Ich bin dann Dienstleister und Vermieter, möchte auch noch ein bisschen den Service der Gravur weiterführen“, sagt er. Eine kleine Werkstatt wartet bereits im Erdgeschoss auf ihn. 71 Jahre wird er dann sein. Und fühlt schon jetzt, dass das abrupte Aufhören nämlich nicht funktionieren würde für ihn. „Ich halte mir damit also noch ein paar Wege offen“, lacht er verschmitzt. Der Kamenzer bleibt jung mit seiner jungen Kundschaft. Gut so!