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Was die Dorfkirche mit August dem Starken zu tun hat

Drei Fakten, die Pfarrer Sebastian Zehme in Zusammenhang bringt – und das kleine Lenz nach Dresden.

Von Catharina Karlshaus
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Pfarrer Sebastian Zehme und Werner Geißler haben viel über Gottlob Adolf Graf von Beichlingen erfahren.
Pfarrer Sebastian Zehme und Werner Geißler haben viel über Gottlob Adolf Graf von Beichlingen erfahren. © Kristin Richter

Lenz. Dass es in dieser Woche so passen würde, haben sie nicht geahnt. Ausgerechnet in den letzten Novembertagen, in denen der dreiste Raub im Dresdner Grünen Gewölbe die Gemüter über den Freistaat Sachsen hinaus bewegt, wollen sie ein paar Geheimnisse lüften. 

Nein, wo die erbeuteten Juwelen abgeblieben sind, könnten sie zwar leider nicht sagen. Aber dass der Bau der Lenzer St. Peter Kirche einem Bediensteten von Kurfürst August dem Starken zu verdanken wäre, sei immerhin die thematische Klammer, mit der eine Brücke vom Priestewitzer Ortsteil zur vielbeachteten Landeshauptstadt geschlagen werde. 

„Wir wollten uns eigentlich mit all dem, was wir herausgefunden haben, schon längst mal an die Öffentlichkeit wenden. Aber dann kam der Innenausbau der Kirche dazwischen und so wurde der Zeitpunkt immer wieder verschoben“, erklärt Sebastian Zehme. 

Gemeinsam mit dem Lenzer Werner Geißler hatte sich der engagierte Pfarrer bereits vor gut zwei Jahren auf Spurensuche begeben. Denn zwar sei bekannt gewesen, dass einen wesentlichen Anteil am Bau des 1700 bis 1710 errichteten Gotteshauses ein gewisser Gottlob Adolf Graf von Beichlingen hatte.

Die Wetterfahne erinnert noch heute an den Lenzer Kirchen-Mäzen.
Die Wetterfahne erinnert noch heute an den Lenzer Kirchen-Mäzen. © Kristin Richter

Doch wer war die Familie von Beichlingen, Besitzer verschiedener Rittergüter in Dallwitz, Zschorna und Baselitz eigentlich? Jener Gottlob Adolf von Beichlingen, den Gemeindemitglieder noch heute so gern als den kleinen Dicken bezeichnen. 

Haben sie ihn seit der Sanierung gewissermaßen farblich aufgehübscht als ein lebensgroßes Standbild neben der Dallwitzer Loge, sei im Ort jedoch nichts weiter über den Mäzen der Kirche bekannt. Ein Interesse, das auch das gemeinhin gut angefütterte Internet nicht bedienen könne. Denn zwar, so Sebastian Zehme, habe sich 1989 jemand mal an eine Dissertation zum Adelsgeschlecht von Beichlingen herangewagt. Bleibende Erkenntnisse wären offenbar aber nicht für eine breite Öffentlichkeit zutage gefördert worden. 

Geschichtsbücher, Nachschlagewerke oder Online-Dienste könnten mit dem Namen des alten Adelsgeschlechts, welches seinen Ursprung zunächst in Thüringen und später von einer gleichnamigen Familie aus Kölleda fortgeführt wurde, durchaus dienen. „Während sich Wolf Dietrich von Beichlingen als Großkanzler von Friedrich August I. von Sachsen und Eigentümer von immensem Grundbesitz in der sächsischen Geschichte einen bis heute nachhallenden Namen machte, ist über seinen recht bedeutsamen Bruder Gottlob Adolf von Beichlingen nur wenig bekannt“, erklärt Sebastian Zehme. 

Da sich das erst ab Donnerstagabend nach 19.30 Uhr ändern soll, will der 42-Jährige noch nicht so viel verraten. Immerhin gut 200 Stunden hätten sein Mitstreiter und er damit verbracht, über unterschiedliche Kanäle dem kleinen Dicken näher zu kommen.

Und tatsächlich: Gemeinsam mit seinem Bruder Wolf Dietrich ging der Lenzer Gönner im Dresdner Schloss ein und aus. „Als wir endlich eine Spur hatten, haben wir gestaunt, wie hoch ins sächsische Königshaus sie doch führte. Es war faszinierend, denn schließlich verdanken wir diesem Herrn unsere Kirche“, bekennt Werner Geißler. Dass der Geldgeber seiner finanziellen Zuwendung beim Heranwachsen nicht zusehen konnte, werden der Pfarrer und Werner Geißler getrost als eine ihrer Entdeckungen ausführlich erzählen dürfen. 

Schließlich, so haben sie herausgefunden, hätte der Graf mit seinem Bruder die freie Kost und Logis der Festung Königstein in Anspruch genommen. Einer Intrige am königlichen Hofe zum Opfer gefallen, saßen sie eine Strafe ab, während in Lenz die Kirche Stein für Stein gen Himmel wuchs. Erst 44 Jahre nach seinem Tod im Jahre 1757 sei dem kleinen Dicken eben mit jener Statue und der Abbildung des Familienwappens an der Decke des Hauses gewürdigt worden.

Eines, welches im Dezember 2017 mit einer Innensanierung an umfangreiche Erneuerungen anknüpfen konnte. Natürlich, so Sebastian Zehme, gebe es noch immer vieles zu tun. In den Patronatslogen und der Sakristei etwa, die gerade saniert werden, und erst recht am Altar, an dem die Jahre nicht spurlos vorübergegangen seien. Aber mit Unterstützung der Gemeinde wäre es stets Schritt für Schritt vorangegangen. Und geschichtlich dank dem akribischen Forschergeist von Werner Geißler sogar mehr als jemals geahnt. 

Denn wer hätte das gedacht: Der kleine Dicke und die Lenzer Dorfkirche sind untrennbar mit August dem Starken verbunden. Eine unvergessene sächsische Persönlichkeit, die sich angesichts dieser Feststellung vermutlich sehr freuen dürfte – mehr als über die Kunde vom Klau der Juwelen.

Die Veranstaltung zum Graf beginnt am Donnerstag um 19.30 Uhr in der Kirche Lenz bzw. im Pfarrhaus.

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