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Wer rettet dieses besondere Haus?

Eine Genossenschaft will das markante Gebäude in der Kamenzer Altstadt erhalten. Und hat dafür fünf konkrete Ideen.

Von Frank Oehl
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Das Foto entstand vor fast zwei Jahren. Torsten Petasch (l.) und Thomas Wolf präsentierten für die Genossenschaft „Neue Altstadt Kamenz“ im früheren Seifengeschäft das Inklusionsprojekt. Die Rekonstruktion des Hauses sollte im Frühjahr 2018 starten und je
Das Foto entstand vor fast zwei Jahren. Torsten Petasch (l.) und Thomas Wolf präsentierten für die Genossenschaft „Neue Altstadt Kamenz“ im früheren Seifengeschäft das Inklusionsprojekt. Die Rekonstruktion des Hauses sollte im Frühjahr 2018 starten und je © Matthias Schumann

Kamenz. Das frühere Wohn- und Ladenhaus der Familie Niegel in der Bautzner Straße/Ecke Pfortenstraße gehört zu den bekanntesten Immobilien in Kamenz. Nicht nur, weil hier jahrzehntelang ein weithin einmaliges Seifengeschäft betrieben wurde, sondern vor allem, weil das Haus zwischenzeitlich zum Pilotprojekt der Genossenschaft „Neue Altstadt Kamenz“ avanciert ist. Seit neun Monaten ist es allerdings verdammt still darum geworden.

Geplant war eine sogenannte „Gemeindebedarfseinrichtung“ (die SZ berichtete). Gemeinsam mit dem Christlichen Sozialwerk (CSW) sollte ein Inklusionsprojekt umgesetzt werden. Neben betreutem Wohnen von Menschen mit Handicap war ein Treffpunkt mit diversen öffentlichen Angeboten geplant. Und vor allem sollte auch das historische, denkmalreife Ladengeschäft erhalten bleiben. Wenn auch mit einer breiteren Angebotspalette, die auf regionale Produkte setzte. Entscheidend für das Projekt waren die deutlich erhöhten Fördersätze. Es waren 550 000 Euro Zuschuss im Spiel, von denen 180 000 Euro städtische Mittel sein sollten. Die Sächsische Aufbaubank (SAB), so hieß es vor Weihnachten, habe die Sicherung der Nutzung im Grundbuch als unmittelbare Auflage formuliert. Darüber war die Hausbank der Genossenschaft verständlicherweise nicht amüsiert, weil man die eigenen Sicherheitsinteressen im Hintertreffen sah. OB Roland Dantz hatte den Stadtrat aber auf die SAB-Linie eingeschworen. Die Finanzdecke der Genossenschaft sei offenbar nicht sehr groß, hieß es. Die Stadt wolle das gemeinsame Inklusionsprojekt unbedingt befördern. Allerdings müsse dann der finanzielle Einsatz von Steuermitteln auch besonders abgesichert sein.

Damit war das eigentlich noch in diesem Jahr starten sollende Umbauvorhaben zunächst vom Tisch. Zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung, denn natürlich hat es weitere Gespräche und Versuche gegeben, das Projekt zu retten. Darauf hebt die Genossenschaft jetzt in einem „offenen Brief“ an den OB und alle neuen Stadträte ab. Mittlerweile sollten ihn alle erhofften Adressaten erhalten haben.

Vier Jahre umsonst gearbeitet?

Die Genossenschaftler erinnern zunächst noch einmal an die Geschichte des Vorhabens. Insbesondere an den abrupten Stillstand Ende letzten Jahres. „Die bis dahin als euphorisch zu bezeichnende Stimmung in der Genossenschaft, nach vierjähriger Arbeit endlich an ein erstes/größeres Ziel zu gelangen, wurde durch kurz vor Abschluss aufgemachte und nicht leistbare Sicherungsauflagen jäh beendet“, heißt es. Daran hat sich offenbar nichts geändert. In Gesprächen mit dem OB habe man zur Kenntnis nehmen müssen, dass eine veränderte Vorgehensweise bezüglich der Sicherung der Fördermittel weiterhin als unmöglich betrachtet wird. „Als Genossenschaft wären wir durch diese Restriktionen im Falle einer Baukostenerhöhung auf die ausschließlich private Nachfinanzierung durch unsere Mitglieder angewiesen.“ Das Mitgliederspektrum setze sich jedoch überwiegend aus Normalverdienern zusammen, die zum Wohle der Stadt in der Genossenschaft neue Wege beschreiten wollten. Neben dem großen persönlichen Engagement der Mitglieder, seien ihnen weitere finanziellen Mittel nicht so ohne Weiteres abzuverlangen. Somit schließe sich dieser Weg aus. Die Refinanzierung liege jetzt schon bei über 30 Jahren, und „die banktechnisch eingepreisten und sehr stark liquiditätsmindernden Forderungen seitens der Stadt“ zur Absicherung der Fördermittel würde keine Nachfinanzierung möglicher Mehrkosten über die Hausbank ermöglichen, heißt es. „Ein nicht vollendetes Projekt, eine finanzielle Schieflage oder gar die Insolvenz der Genossenschaft wäre damit unausweichlich.“ Man wolle jedoch die Erkenntnisse aus den letzten Gesprächen nochmals zur Diskussion stellen. Folgende Varianten für eine Zukunft des Seifenladen-Hauses seien denkbar:

Das Inklusionprojekt der Genossenschaft „Neue Altstadt Kamenz“ war Ende vergangenen Jahres überraschend in Schieflage geraten. Jetzt wagen die Mitglieder noch mal einen neuen Vorstoß – auch im Interesse der Stadt, wie sie sagen.
Das Inklusionprojekt der Genossenschaft „Neue Altstadt Kamenz“ war Ende vergangenen Jahres überraschend in Schieflage geraten. Jetzt wagen die Mitglieder noch mal einen neuen Vorstoß – auch im Interesse der Stadt, wie sie sagen. © Matthias Schumann

Erstens: Das Projekt wird doch fortgeführt. Dazu finden Stadtverwaltung, Stadtrat und SAB eine Möglichkeit zur Absicherung der Förderung, die es der Genossenschaft ermöglicht, bei einer Baukostenerhöhung weiter handlungsfähig zu bleiben.

Zweitens: Das Projekt wird durch die Stadt selbst fortgeführt. Damit von ihr ein nachhaltiger Beitrag für die Integration gehandicapter Menschen geleistet werden kann, wie es heißt. An die Gesamtverpflichtung der Kommunen hat der Projektpartner, das CSW, jetzt erinnert. Es gehe darum, „Barrieren abzubauen und gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben auch Menschen mit Behinderung zu ermöglichen“. Die Genossenschaft würde das Gebäude dann samt Planung zum bisherigen Aufwand an die Stadt oder eine städtische Gesellschaft veräußern.

Drittens: Die Genossenschaft bringt das Bauvorhaben im Auftrag der Stadt oder einer städtischen Gesellschaft zu Ende und erhält dafür eine angemessene Vergütung. Dadurch ergäbe sich eine Möglichkeit zu expandieren und ähnlich notleidende Immobilien in der Zukunft voranzubringen.

Viertens: Eine Privatperson führt außerhalb der Genossenschaft das Projekt mit der bisher in Aussicht gestellten Förderquote durch. Ein konkretes Angebot hierfür sei von einem Vorstandsmitglied dem OB bereits mündlich übermittelt worden. Sicherungsanforderungen könnten auf diese Weise leichter befriedigt werden.

Fünftens: Das Gebäude wird an einen Dritten veräußert, der das lnklusionsprojekt nicht weiterverfolgt. Hierfür liege ein Angebot bereits vor und könnte kurzfristig zum Vertragsabschluss gebracht werden.

Letzteres würde dazu beitragen, dass die Ruine zügig wieder Schönheit erlangt und einer Nutzung zugeführt wird. „Der Verlust eines beispielhaften Gesamtprojektes hätte aber Folgen“, heißt es. So wäre ein Traum für Menschen mit Beeinträchtigung geplatzt, in der Mitte der Stadt einen Platz zu haben. Außerdem wäre die Genossenschaft „Neue Altstadt Kamenz“ gescheitert. Dieses schlechte Beispiel würde der Stadt Kamenz länger anhängen. „Deshalb halten wir Variante 5 für die schlechteste.“