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Wer rettet Meisters?

Die insolvente Bautzener Wurst- und Fleischwarenfirma steht kurz vor dem Verkauf.

Von Tilo Berger
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Zu den beliebtesten Meister’s-Produkten gehören Knoblauchwürste, die hier Produktionsleiter Thomas Käßler im Kühlhaus zeigt. Seit September 2019 ist die Bautzener Firma in Insolvenz. Doch jetzt gibt es einen ernsthaften Investor. (Archivfoto)
Zu den beliebtesten Meister’s-Produkten gehören Knoblauchwürste, die hier Produktionsleiter Thomas Käßler im Kühlhaus zeigt. Seit September 2019 ist die Bautzener Firma in Insolvenz. Doch jetzt gibt es einen ernsthaften Investor. (Archivfoto) © SZ/Uwe Soeder

Bautzen. Beim Einkaufen greifen derzeit viel mehr Kunden als sonst zu Konserven und abgepackter Wurst – die hält sich länger. Für einen der Produzenten, die Meister’s Wurst- und Fleischwaren GmbH in Bautzen, kommt die Corona-Krise vielleicht gerade zur rechten Zeit. Denn potenzielle Investoren schauen sehr genau auf die Umsatzzahlen des Unternehmens, das sie kaufen wollen. Und die Entscheidung zur Zukunft von Meister’s soll unmittelbar bevorstehen, ergaben Recherchen der SZ.

Damit ginge eine seit Sommer vergangenen Jahres unsichere Zeit für das Unternehmen mit rund 70 Mitarbeitern zu Ende. Im September 2019 hatte Meister’s die Insolvenz beantragt, im Dezember wurde das Verfahren offiziell eröffnet. Ziel war die Sanierung des Unternehmens, das im Sommer in die Schieflage geraten war. Seitdem gaben sich Kaufinteressenten an der Bautzener Edisonstraße die Klinke in die Hand. Ein möglicher Investor hat sich dabei offenbar herauskristallisiert.

Investor hält sich bedeckt

Die Gespräche mit dem ernsthaften Interessenten befinden sich jetzt auf der Zielgeraden. Der Investor selbst hält sich bedeckt. Einzelheiten verraten weder die Meister’s-Geschäftsführung noch die Anwälte, die die Bautzener Firma durch die schwierigen Monate der Sanierung begleiten. Kein Kommentar, keine Anfragen – so heißt es seit Wochen. SZ-Informationen zufolge soll es sich beim Kaufinteressenten um einen namhaften Vertreter der Wurst- und Fleischwarenbranche handeln.

Auch Volkmar Heinrich von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) hofft im Interesse der Beschäftigten und Kunden des Unternehmens auf eine gute Zukunft von Meister’s. „Wir erwarten, dass ein Investor ein tragfähiges Konzept vorlegt.“ Die Wurst- und Fleischwaren GmbH in Bautzen habe in der Branche einen guten Ruf, dies solle auch in Zukunft so bleiben, sagt Heinrich. Seinen Optimismus schöpft der Gewerkschafter auch aus der Insolvenz selbst. Denn das Gericht bestellte keinen Insolvenzverwalter, sondern ordnete die Eigenverwaltung an. Das passiert relativ selten und auch nur dann, wenn das Gericht gute Chancen für das Unternehmen sieht. Geschäftsführer Karlheinz Schlenkrich durfte die Geschicke von Meister’s also auch während der Insolvenz weiter in seiner Hand behalten.

Mehrere Gründe für die Insolvenz

In die Schieflage geraten war das Unternehmen, nachdem im Sommer 2019 einiges zusammenkam. Mitte des Jahres hatte ein Großkunde aus Dänemark ohne Vorankündigung zwei Meister’s-Produkte aus seinem Sortiment genommen. Damit gingen den Bautzenern von heute auf morgen rund 1,3 Millionen Euro vom anvisierten Jahresumsatz verloren. Gleichzeitig griffen die Kunden in deutschen Supermärkten damals zurückhaltender zu verpackter Ware, nachdem listerienverseuchte Wurst eines hessischen Fleischwarenfabrikanten aufgetaucht war. Das Unternehmen wurde kurz darauf geschlossen.

Und wäre all das nicht genug, schnellte der Preis für Schweinefleisch in die Höhe. Der Grund dafür lag in China. Dort starben Millionen Schweine den Zwangstod, nachdem im bevölkerungsreichsten Land der Erde die Afrikanische Schweinepest festgestellt worden war. Also kaufte China massenweise Fleisch auf dem Weltmarkt ein, das trieb die Preise in die Höhe. Karlheinz Schlenkrich zeigte im Dezember eine Statistik: Da kostete eine Tonne Schweinefleisch mehr als doppelt so viel wie noch im Frühjahr 2019. „Diese gestiegenen Kosten seit Jahresbeginn konnten wir aber nicht eins zu eins an unsere Kunden weitergeben“, erklärte der Geschäftsführer seinerzeit gegenüber der SZ.

Groß-Lieferung nach Vietnam

Um die ausgefallenen Exporte nach Dänemark zu ersetzen, suchte und fand Meister’s im Herbst neue Kunden in Fernost. Jeden Monat geht seitdem eine Groß-Lieferung von der Bautzener Edisonstraße nach Vietnam. Dort knüpfte Meister’s 2018 Kontakte während einer vom Bund organisierten Unternehmerreise - das zahlt sich aus. Besonders Brat- und Bockwürste, Grillartikel und Schinkenleberwurst mit Honig seien in Vietnam gefragt. „Die Menschen dort wollen typisch deutsche Produkte“, berichtete Schlenkrich. „Wir haben für den vietnamesischen Markt nicht extra neue Waren entwickelt.“

Die Wurst- und Fleischwaren Bautzen GmbH erlebte bereits mehrere Umbrüche. Ihre Ursprünge hat sie in der Konsum-Genossenschaft der DDR, die 1985 ein neues Fleischkombinat in Bautzen eröffnete. Daraus wurde 1990 die Ostsächsische Fleischwaren GmbH. Von 1993 bis 2003 gehörte das Unternehmen zur bayerischen Löblein-Gruppe. 2003 wurde die heutige Firma gegründet. Sie gehört seit 2004 zur Unternehmensgruppe Meininger Wurstspezialitäten aus Thüringen GmbH. Und künftig? Ende 2019 sagte Dirk Herzig, einer der die Sanierung begleiteten Rechtsanwälte: „Wenn alles gut läuft, kann die Insolvenz schon im ersten Quartal 2020 Geschichte sein.“ Dafür bleiben noch knapp zwei Wochen.

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