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Wie die Polizei gegen Waffen-Poser vorgeht

Bedrohliche Äußerungen im Internet führen in Sachsen immer häufiger zu Polizeieinsätzen. Im Advent ist das besonders riskant.

Von Alexander Schneider
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Wer sich öffentlich selbst mit einer vermeintlich harmlosen Waffe zeigt, wie hier einem täuschend echten Nachbau einer Kalaschnikow, kann leicht einen Heimbesuch der Herren im Hintergrund auslösen. Sie kommen mit scharfen Waffen.
Wer sich öffentlich selbst mit einer vermeintlich harmlosen Waffe zeigt, wie hier einem täuschend echten Nachbau einer Kalaschnikow, kann leicht einen Heimbesuch der Herren im Hintergrund auslösen. Sie kommen mit scharfen Waffen. © Sven Ellger

Seine Leidenschaft für Waffen, Krieg und Militär ist einem 37-jährigen Dresdner vor einigen Wochen zum Verhängnis geworden. Gegen Mitternacht stürmte ein Spezialeinsatzkommando der Polizei die Wohnung des Mannes im Stadtteil Cossebaude. Zeugen hatten die Polizei alarmiert, weil der 37-Jährige im Internet mit Waffen posiert hatte – und dabei martialisch ausgesehen haben muss.

Die Beamten hatten die Sorgen des Hinweisgebers geteilt. Sofort analysierten sie die mögliche Gefahr, die von dem 37-Jährigen ausging, und erwirkten einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss. Nur wenige Stunden nach dem Hinweis stand ein SEK-Team vor der Cossebauder Wohnung, und man darf sicher sein, die schwer bewaffneten und vermummten Männer werden dort nicht geklingelt haben.

Waffen fanden die Beamten bei dem völlig verdutzten Deutschen nicht. Seine alarmierenden Fotos waren auf einem Militärfahrzeugtreffen entstanden. Die Polizisten machten dem Mann im Rahmen einer sogenannten Gefährderansprache klar, was er mit seinen Fotos ausgelöst hatte – und welches enorme unberechenbare Risiko er ausgelöst hat. Bei möglichen Bedrohungslagen ist die Polizei nicht zimperlich.

„Robust“ nennt Iven Eissner von der Dresdner Polizeidirektion derartige Einsätze. Der Erste Polizeihauptkommissar leitet die Einsatzhundertschaft, zu der ebenfalls Interventionskräfte gehören. Die „lebEL“-Gruppe wurde erst 2017 geschaffen, um bei Amok- und Terrorlagen und anderen riskanten Ereignissen als erstes Spezialteam schnell vor Ort zu sein – mit schweren Waffen und gepanzerten Fahrzeugen. Die Abkürzung „lebEL“ steht für lebensbedrohliche Einsatzlagen.

Erster Polizeihauptkommissar Iven Eissner und Polizeikommissarin Josephine Dierigen zeigen eine Auswahl von scharfen Waffen und manchen Nachbauten. Softair- oder Schreckschusswaffen sind zwar weniger gefährlich – doch im Ernstfall nicht von scharfen Waffe
Erster Polizeihauptkommissar Iven Eissner und Polizeikommissarin Josephine Dierigen zeigen eine Auswahl von scharfen Waffen und manchen Nachbauten. Softair- oder Schreckschusswaffen sind zwar weniger gefährlich – doch im Ernstfall nicht von scharfen Waffe © Sven Ellger

Waffennarren, leichtsinnige Jugendliche, Reichsbürger, Wichtigtuer und anderweitig auffällige Menschen verursachen immer häufiger Einsätze der Spezialkräfte. Für die Zunahme sind auch die sozialen Medien verantwortlich. Selbst kleine Lichter können sich im Internet mit einem Mausklick eine große Öffentlichkeit verschaffen. Sie zeigen Selfies mit Kalaschnikow, filmen sich beim Schießen, posieren mit Maschinengewehren. Den Waffen ist nicht anzusehen, ob sie tatsächlich gefährlich sind – wenn dann auch noch die Botschaft der Waffenposer bedrohlich wirkt, kann es schnell gefährlich werden.

Gerade jetzt im Advent mit den vielen Weihnachtsmärkten, die aus Angst vor terroristischen Anschlägen intensiv geschützt werden, ist das Thema Sicherheit präsenter als noch vor einigen Jahren. Die Polizei spricht von einer „besonderen Sensibilität“ und meint: Hier gilt höchste Alarmbereitschaft. „Wir müssen handeln“, sagt Polizeisprecher Marko Laske.

Aus Sicht der Polizei sind virtuelle Posts auf Instagram, Facebook oder Twitter genauso riskant, als würde jemand mit Waffe durch die Stadt marschieren. „In beiden Fällen müssen wir gleich reagieren und die Sache ernst nehmen“, sagt Polizist Eissner. Manche Täter kündigen ihre Mordanschläge im Internet an, wie etwa erst im Oktober der Attentäter in Halle, der versuchte, eine Synagoge zu stürmen und anschließend, weil er keinen Erfolg hatte, zwei Menschen erschossen haben soll.

Lage klären, Wohnung sichern, Waffen anschauen

Das erklärt die Sensibilität, wenn Bildern mit Waffen bekannt werden. Was dann kommt, trainieren die Beamten regelmäßig. Ist Gefahr in Verzug, wird der Poser sofort aufgesucht: Wohnung stürmen, Waffen sicherstellen, Gefährderansprache. Gehen die Beamten von keiner unmittelbaren Bedrohungslage aus, dann wird das SEK angefordert und in der Zwischenzeit über die Staatsanwaltschaft ein richterlicher Durchsuchungsbeschluss für den Poster erwirkt. Aber auch in diesem Fall müssen die Beamten von einem riskanten Einsatz ausgehen – und sie spulen daher dasselbe Programm ab: Lage klären, Wohnung sichern, Waffen anschauen. Die Gefährderansprache ist gratis. Das muss aber nicht für den gesamten Einsatz gelten. „Wir prüfen, ob wir manchen nicht den Einsatz in Rechnung stellen können“, sagt Laske.

Anfang November hat ein Sebnitzer Reichsbürger im Internet mit verschiedenen Schusswaffen posiert. Der 35-Jährige war einschlägig bekannt – wegen Körperverletzung und Waffengeschichten. Am Nachmittag war das SEK in Sebnitz. Es fand den gesuchten bei seiner Freundin, stellte drei Schreckschusswaffen, Munition, einen Elektroschocker, einen Morgenstern und einen Totschläger sicher.

Echt oder nicht? Josephine Dierigen zeigt zwei fast identische Pistolen: Ihre Dienstwaffe, eine SFP9 HK von Heckler & Koch und eine Walter P99. Aber welche ist welche? 
Echt oder nicht? Josephine Dierigen zeigt zwei fast identische Pistolen: Ihre Dienstwaffe, eine SFP9 HK von Heckler & Koch und eine Walter P99. Aber welche ist welche?  © Sven Ellger

An einem Montagabend im Oktober haben Passanten einen Fußgänger gesehen, der auf einem Bürgersteig in der Budapester Straße in Dresden mit einem Gewehr auf Autos zielte. Hier war keine Zeit mehr. 

Die Dresdner Anti-Terror-Gruppe raste sofort los in die Südvorstadt und suchte den Verdächtigen. Er blieb jedoch unentdeckt. Schüsse wurden auch nicht registriert. Der unbekannte Gewehrmann hat wohl gemerkt, dass er zu weit gegangen war.

Das ist die Echte. Hätten Sie es gewusst?
Das ist die Echte. Hätten Sie es gewusst? © Sven Ellger

Eissners „lebEl“-Truppe ist rund um die Uhr einsatzbereit, und sie wird immer wieder angefordert – auch wegen vermeintlich harmloser Waffennarren. „Uns bleibt in solchen Fällen nichts anderes übrig, als angemessen zu reagieren. Und das heißt: sehr robust“, sagt Eissner. 

Seine Beamten trainieren auch diese Situationen. Im Ernstfall muss der Polizist schießen: „Es ist nicht möglich, schnell und sicher echte und Anscheinswaffen auseinanderzuhalten.“ Ein Schuss zerstört im Zweifel zwei Leben, sagt Eissner. Das des Verdächtigen mit der Waffe und das des Polizisten, der den Schuss abgibt. Das will niemand.

Diese beiden Sturmgewehre sind fast identisch. Oben: Das Modell der Polizei, eine AR-15 der Firma Haenel mit Visier. Unten: Eine HK 416 Airsoft, die Plastikkugeln mit Gasdruck verschießt. Die Waffen sind sich so ähnlich, dass sogar Zubehörteile wie das Vi
Diese beiden Sturmgewehre sind fast identisch. Oben: Das Modell der Polizei, eine AR-15 der Firma Haenel mit Visier. Unten: Eine HK 416 Airsoft, die Plastikkugeln mit Gasdruck verschießt. Die Waffen sind sich so ähnlich, dass sogar Zubehörteile wie das Vi © Sven Ellger

Die Dresdner Polizei hat im Herbst dieses Jahres drei unnötige Einsätze aufgrund von Waffenposern gemeldet. Neben dem Fall in Cossebaude und dem Sebnitzer Reichsbürger wurde Mitte November vormittags auch ein 15-Jähriger in Meißen vom SEK aufgesucht. Er hatte ein Video ins Netz gestellt, auf dem er in Tarnkleidung mit einem Gewehr geschossen hatte. Auch hier hatten Zeugen, die den Film gesehen hatten, die Polizei alarmiert. 

Es stellte sich dann heraus, dass die Waffen offenbar dem Vater (49) des Jugendlichen gehörten – und der Mann jedoch aufgrund verschiedener Delikte keine Erlaubnis hatte. In der Folge wurde auch das Haus des 49-Jährigen durchsucht, wo die Beamten weitere Schusswaffen und Schwarzpulver sicherstellten. Gegen Vater und Sohn wird nun wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz ermittelt.