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Wir lassen Euch nicht mehr wählen!

Aufruf des Politbüros der CDU an die ostdeutschen Wähler. Ein satirischer Nachschlag von Wolfgang Schaller.

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Wolfgang Schaller ist Autor und Kabarettist an der
Dresdner Herkuleskeule.
Wolfgang Schaller ist Autor und Kabarettist an der Dresdner Herkuleskeule. © Sebastian Kahnert/dpa

Von Wolfgang Schaller

Liebe Wählerinnen und Wähler im Osten! Ihr habt schon immer mit euren Wahlentscheidungen einen Tabubruch begangen. Spätestens seit Ihr in Thüringen vor Jahren diesen stalinistischen Josef Wissarionowitsch Ramelow demokratisch an die Macht geputscht habt, obwohl damals schon unsere Kanzlerin vor Deutschlands Untergang warnte, hat sich bei der letzten Wahl wieder jede dritte linksversiffte Thüringer Bratwurst schändlich verhalten. Das ist ein Dammbruch! Schämt Ihr euch nicht?

Wir verstehen euch Ostwähler nicht. Wir haben Euch im Osten noch nie verstanden. Es reicht doch, wenn Sachsens Wähler ihren Ministerpräsidenten in die Zwangslage versetzt haben, mit diesen grünen Ökodiktatoren zu koalieren, diesen SUV-Fahrern im Naturdarm. Unser mit uns verbündeter Genosse Kemmerich war gezwungen, sich freiwillig in eine Lage zu begeben. Die FDP hat immer, wenn sie durch eine Handvoll Wählerhanseln über die Fünfpromille-Grenze kam, nach der Macht gegriffen. Also regt Euch nicht so auf! 

Zugegeben: Wir sind von uns in eine Falle gelockt worden. Erstens konnten wir nachher nicht wissen wollen, wovor wir vorher gewarnt hätten. Zweitens durften wir nicht ahnen können, dass der Aufschrei so groß würde sein dürfen. Und drittens wäre es nicht so aufgefallen, hätte es nicht zwei Wochen vorher den Auschwitz-Geburtstag gegeben. Das war vom Zeitpunkt her alles ungünstig.

Wir wenden uns deshalb auch an Euch, liebe AfD-Wähler: Setzt doch mal Eure paar Nazis auf die Hinterbänke, dann ist die Aufregung nicht mehr so groß. Dann können wir künftig auch mit Euch koalieren, wenn wir nur dadurch an der Macht bleiben können. Aber wenn jetzt schon die Mitte links oder rechts wählt, wo ist dann die Mitte? Ihr seid doch als Wähler schuld, dass sich die Mitte jetzt so lächerlich macht! Ihr zerstört im Osten Lebensläufe von uns westdeutschen Politikern! Im Ergebnis Eurer Wahlen musste sich unsere große Vorsitzende AKK selbst vom Thron stürzen.

In welche Situation habt Ihr denn den Herrn Mohring gebracht, der nach der Wahl dem Ramelow die Hand geben wollte? Das hat doch unser Zentralkomitee angewiesen: Alles, aber das nicht! Und da hat sich halt der Herr Mohring gedacht: Na gut, wenn außer Ramelow alles, dann eben auch Höcke. 

Unser Frühlingsgesicht Merz hat es bei Markus Lanz auch deutlich gesagt: Linke und Rechtsradikale sind die gleiche Kacke, in die man nicht treten darf. Diese Mülleimer anzündenden Chaoten aus Leipzig-Connewitz sind doch genauso schädlich wie die paar vom Tausendjährigen Deutschland und von der deutschen Wehrmacht träumenden und 50 Millionen Tote als Vogelschiss bezeichnenden Gauländer. Im Zweifelsfall immer rechts. Egal, wohin es führt. Hauptsache, es führt uns an die Macht. Das haben wir doch aus unserer Geschichte gelernt. Das dürfen wir doch nicht aus unseren Hühneraugen verlieren.

Liebe Ostwähler: Wenn Ihr nicht richtig wählt, dann lassen wir Euch einfach nicht mehr wählen. Liebe Thüringer, folgt bitte unserer Anführerin in unserer Berliner Zentrale: Ramelow war zwar Wahlsieger, aber Ministerpräsident darf er nicht werden. Und wenn Ihr das alles als Parteiengeschacher durchschaut, dann ist das ein unverzeihlicher Fehler! Nein: Ein Wahlergebnis so hinzubiegen, wie es uns gefällt, das ist nicht machtgeil, das ist Demokratie! Und nun, Ihr Linken und Grünen und Sozis, wählt im Osten endlich einen Demokraten aus der CDU. Ihr habt doch in der DDR auch immer Honecker gewählt, obwohl Ihr ihn nicht wolltet. Und da wird es euch doch nun nicht schwerfallen, wieder jemanden zu wählen, den Ihr nicht wollt. Sonst müsst Ihr als Wähler einfach zurücktreten!

Eure werteorientierte Bundeszentrale

Unser Kolumnist ist Autor und Kabarettist an der Dresdner Herkuleskeule. Sie erreichen ihn per E-Mail: sz.feuilleton@sächsische.de