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Alle einsperren!

Hausmeister Piefke fühlt sich wieder systemrelevant - ein satirischer Nachschlag von Kabarettist Wolfgang Schaller.

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Kabarettist Wolfgang Schaller
Kabarettist Wolfgang Schaller © Sebastian Kahnert/dpa

Von Wolfgang Schaller

Ich kann nur sagen: Endlich! Was war man denn bis jetzt als Hausmeister? Nichts! Schon damals im Neubaublock unterm Honecker, da konntest du doch dem Mieter x-mal sagen: Du bist mit der Treppe dran! Mache mal reene! Das hat doch keinen interessiert bei den Kommunisten. Ja, ganz früher, als der Hauswart noch Blockwart hieß, da herrschte noch Ordnung! Wenn da einer die Hausordnung ni machte: Kopp kürzer! Und wenn er sie zweimal ni machte: Zwei Köppe kürzer! Ein ganzes Volk kopplos – was Besseres kann sich doch keine Regierung wünschen.

Heute kannst du ja „Kopp ab“ gar ni mehr sagen, weil diese demokratischen Weicheier die Todesstrafe abgeschafft haben. Da konnt ich höchstens in den letzten Jahren noch aufpassen, dass die Flüchtlinge keine Fisemadendchen machen. Aber seit mich unsere Innenminister auffordern, wachsam zu sein, steh ich wieder am Küchenfenster und beobachte die Nachbarn. Denn wenn mer nun schon keinen Führer mehr haben, haben wir nun wenigstens ä Virus.

Ich hab noch ’n altes Fernglas von früher, das ist zwar vom Observieren schon bissel abgenutzt, aber mit dem seh ich hinter der Gardine ganz scharf. Da seh ich, wie die Schrader-Muddl von nebenan ihre zwei Enkel zur Tür neinlässt. Die hält sich ni an die Gesetze, obwohl sie nen deutschen Stammbaum hat. Gut, die Schradern trägt ’n Mundtuch, ’n selbstgenähtes schwarzes, da sieht die aus wie der schwarze Block. Aber ehe die die Tür wieder zumachen kann, hab ich meinen Fuß dazwischen und drohe: Das melde ich dem Spahn! Und da kriegt die ne Angst, dass ihr der Schweiß zur Nase nausläuft. Ein Volk in Angst funktioniert immer. Da müssen die Staatsvirologen und TV-Experten nur von früh bis spät von Toten reden und Leichenwagen zeigen, und da muss die Kanzlerin sagen, dass die Anordnungen alternativlos sind, da weiß doch jeder, das heißt: Keine Widerrede! Und schon folgt das Volk.

Schlangen vor der Kaufhalle - wie früher

Natürlich geh ich auch auf Streife, jetzt vor den Feiertagen. Die Polizei kann ja ni überall sein. Da standen die Schlangen vor der Kaufhalle wie früher, als es Bananen gab. Da hab ich mit ’m Metermaß die Leute auf ’n Zentimeter genau auseinandergeschoben. Und dann, am Karfreitag gestern, auf den Elbwiesen, die jungen Kerls mit die jungen Weiber, sitzen umschlungen und küssen sich. Ohne Mindestabstand. Da bin ich hin und hab denen gesagt: Sie kennen wohl die Maßnahmen ni? Alleine die Zischlaute in dem Wort Maßnahmen, da hat man eine feuchte Aussprache, um nicht Spucke zu sagen. Und da brauchte ich keine Pistole wie unterm Hitler.

Meine Munition sind meine Tröpfchen, mit denen ziele ich genau ins Gesicht des Gegners. Was glauben Sie, wie schnell da die Elbwiesen leer sind! Ich warte jetzt schon freudig auf die Osterfeiertage. Bei dem schönen Wetter, da werde ich mit Spucken gar ni hinterherkommen. Und ich merke mir alle! Ich bin die menschgewordene Datenspeicherung.

Da will nun der Ströbele beim Verfassungsgericht protestieren, wenn die Persönlichkeitsrechte weiter eingeschränkt werden. Hör mal, du Grünenopa: Ich bin keine Persönlichkeit, was brauch ich da Persönlichkeitsrechte? Ich hab keine Meinung, was brauch ich da Meinungsfreiheit? Ich reise nicht, was brauch ich da Reisefreiheit? Ich lese kein Zeitung, was brauch ich da Pressefreiheit? Und wenn dann die Führer der CDU die Einschränkungen nach dem Virus wieder aufheben wollen, dann laufe ich zu dem Orban über. Freiheit? Das Volk will keine Freiheit. Das Volk will einen, der sagt, wie’s langgeht. Das will einen, der uns von Viren befreit und Flüchtlingen und Linken und Moslems, je nachdem, was grade so um uns rumschwirrt.

Und noch was: Nach Ostern werd ich Rentner. Da bin ich als Risikogruppe eine Gefahr. Da mach ich um mich selbst einen Bogen und beobachte mich. Da bitte ich, mich zu isolieren. Irgendwo zu lagern. Da muss man für die deutsche Ordnung und Sicherheit auch mal selbst Opfer bringen, statt noch mit 80 im Fitnessstudio den Bierbauch übers Laufband zu treiben. Wegsperren! Wenn das jeder freiwillig machen würde, wäre das Problem geklärt.

Unser Kolumnist ist Autor und Kabarettist. Sie erreichen ihn per E-Mail: sz.feuilleton@sächsische.de