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Wohin nach dem Krankenhaus?

Nach einer schweren Krebs-OP brauchte Sabine Winkler weitere Betreuung zuhause. Ohne ein spezielles Modellprojekt in Dresden hätte das nicht geklappt.

Von Gabriele Fleischer
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Besuch am Krankenbett: So funktioniert der Atemtrainer: Pflegerin Maria Wagenhaus vom Patienteninformationszentrum gibt Sabine Winkler Tipps, wie sie den Körper nach ihrer Krebsoperation wieder kräftigen kann. Ein Glücksumstand für die Patientin am Dresdn
Besuch am Krankenbett: So funktioniert der Atemtrainer: Pflegerin Maria Wagenhaus vom Patienteninformationszentrum gibt Sabine Winkler Tipps, wie sie den Körper nach ihrer Krebsoperation wieder kräftigen kann. Ein Glücksumstand für die Patientin am Dresdn © Norbert Millauer

Sabine Winkler hat eine schwere Krebsoperation hinter sich. Jetzt hofft sie, bald nach Hause zu können. Doch wie geht es dort weiter? Was kann sie tun, um schneller zu genesen? 

In Krankenhäusern fehlt oft die Zeit für eine umfassende Vorbereitung auf den Alltag. Manche Patienten brauchen im Anschluss eine Betreuung oder müssen in ein Pflegeheim und fühlen sich allein gelassen.

Sabine Winkler hat Glück, denn im Diakonissenkrankenhaus in Dresden gibt es ein sachsenweit einmaliges Angebot. Das Patienteninformationszentrum (PIZ) bereitet die Kranken auf ihre Entlassung vor. Gesundheits- und Krankenpflegerin Maria Wagenhaus vom PIZ hat der 56-Jährigen diesmal einen Atemtrainer mitgebracht. Das kleine Gerät stärkt die Lunge, trainiert Atemmuskulatur und Zwerchfell. „Nach der Operation liegt man viel und atmet flach, da ist es wichtig, die Lunge zu belüften“, sagt Wagenhaus und ergänzt: „Sie sollten in den nächsten vier Wochen nicht mehr als drei Kilo heben und sechs Wochen keinen Sport treiben.“

Keine Angst vor Thrombosespritzen

Wagenhaus fragt, ob Sabine Winkler Hausbesuche wünscht. Denn die Patienten werden auch nach ihrem Krankenhausaufenthalt betreut. „Wir nehmen ihnen so Ängste und geben praktische Tipps, beispielsweise, wie sie den Katheter wechseln oder sich eine Thrombosespritze selbst setzen können“, sagt Wagenhaus. Oft hätten die Patienten erst dann viele Fragen, wenn sie wieder zu Hause sind. Eine gute Ergänzung seien Pflegekurse, die das PIZ auch für Angehörige anbietet. „Wir merken an der Resonanz, wie dankbar das aufgenommen wird“, sagt Pflegedirektor Michael Junge.

Etwa 70 Prozent der Beratungen würden von den Kassen refinanziert. Verträge gebe es mit der AOK Plus und der KKH. „Wir können durch die Nachsorge unnötige Wiedereinweisungen ins Krankenhaus vermeiden“, sagt AOK Plus-Sprecher Bernd Lemke. Sind Patienten nach der Behandlung im Krankenhaus nicht in der Lage, nach Hause zu gehen, dann unterstützen wir sie mit den Kollegen des Sozialdienstes bei der Suche nach einer Betreuung, so Wagenhaus.

Besuch zu Hause: Das ist gut für die Lymphdrüsen – Pflegerin Maria Wagenhaus (r.) zeigt Sabine Winkler, was sie für Muskulatur und Lymphdrüsen tun kann. 
Besuch zu Hause: Das ist gut für die Lymphdrüsen – Pflegerin Maria Wagenhaus (r.) zeigt Sabine Winkler, was sie für Muskulatur und Lymphdrüsen tun kann.  © Sven Ellger

Nach dem Sächsischen Krankenhausgesetz sind eigentlich alle stationären Einrichtungen verpflichtet, für einen nahtlosen Übergang der Patienten in die Nachbehandlung zu sorgen. „Dieses sogenannte Entlassungsmanagement übernehmen in den 78 sächsischen Krankenhäusern in der Regel ausschließlich Sozialdienste und sogenannte Casemanager“, sagt Benjamin Böhland von der Krankenhausgesellschaft Sachsen. 

Casemanager, zum Beispiel wie im Uniklinikum Dresden, sind mit dafür verantwortlich, die Aufnahme der Patienten zu planen und ihren Pflegebedarf zu ermitteln, damit ihre Versorgung frühzeitig gesichert werden kann. „Mitarbeiter der Sozialdienste bemühen sich beispielsweise um einen Platz in der Kurzzeitpflege oder einem Pflegeheim“, sagt Innovationsmanagerin Kristin Dittrich. Sollte kein Platz frei sein, müssten die Patienten länger im Krankenhaus bleiben. „Denn ins Ungewisse sollte niemand entlassen werden.“

Digitaler Pflegeplatzberater

Nicht immer gelingt das. Deshalb gehen auch andere Krankenhäuser neue Wege mit verschiedenen Projekten. Mit SOS Care zum Beispiel gibt es am Uniklinikum Dresden eine gesonderte Anlaufstelle für Schlaganfallpatienten. Ein Jahr bekommen Betroffene dort Antworten auf ihre Fragen und Anleitungen, wie sie wieder im normalen Leben ankommen können. In Leipzig werden Ältere durch das Projekt GeriNet betreut und ihnen dabei Behandlungsangebote aufgezeigt. 

Das Uniklinikum Dresden bereitet in Kooperation mit der AOK Plus eine Digitalisierungsplattform für das Entlassungsmanagement vor. „Dadurch ersparen wir den sozialen Diensten das Abtelefonieren von langen Listen“, sagt Dittrich. Konkrete Formen hat das schon am Städtischen Klinikum Görlitz angenommen. Dort wird ab September das Entlassmanagement digitalisiert. „Wir nutzen dafür eine speziell entwickelte Software, die den Pflegebedürftigen eine schnellere Vermittlung bietet. Eine tagelange nervenraubende Pflegeplatzsuche für Angehörige und Klinikmitarbeiter gehört dann der Vergangenheit an“, sagt Sprecherin Katja Pietsch. Zunächst 19 Pflegeheime und 15 ambulante Pflegedienste wollen sich nach einem ersten Treffen daran beteiligen.

Ähnliche Bemühungen gibt es am St. Joseph Stift Dresden. Dort soll die Vermittlungsplattform ab August genutzt werden. Im Helios Klinikum Aue, in der Elblandklinik Riesa und in der Landkreis Mittweida Krankenhausgesellschaft gehöre der Pflegeplatzmanager schon zum Tagesgeschäft, sagt Tina Vogel von der Entwicklungsfirma. Das Prinzip: „Innerhalb von zwei Minuten werden Patienteninformationen inklusive Wunschwohnort digital eingegeben. Nach 62 Minuten, so die Macher, sollte das erste passende Angebot vorliegen. „Natürlich können wir keine Pflegeplätze schaffen. Aber wir helfen beim Finden der Nadel im Heuhaufen“, sagt Vogel.

Sabine Winkler braucht zum Glück noch keinen Pflegeplatz, dafür aber Informationen, wie sie mit ihrer Krankheit umgehen kann. Sie ist selbst Krankenschwester und weiß, wie wichtig das ist. „Auch ich stehe mit der Krankheit vor einer völlig neuen Situation“, sagt sie. Sie weiß, dass sie jederzeit fragen kann. Deshalb hatte sie auch keine Angst, als ihr die Ärzte zu einer weiteren Operation rieten. Dann so hofft sie, ist der Krebs bei ihr besiegt.