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Zittauer Richter muss in den Zeugenstand

Ein Herrnhuter soll in einem Strafverfahren zugunsten des Angeklagten eine Falschaussage getätigt haben - obwohl er den Prozess selber anschob.

Von Markus van Appeldorn
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Der Prozess vor dem Zittauer Amtsgericht dauerte keine Viertelstunde.
Der Prozess vor dem Zittauer Amtsgericht dauerte keine Viertelstunde. ©  Matthias Weber (Archiv)

Zuweilen kann es einem auch mit vermeintlich rechtstreuem Verhalten passieren, dass man vor dem Strafrichter landet. So wähnte sich der Angeklagte am Mittwoch vor dem Zittauer Amtsgericht im falschen Film. Uneidliche Falschaussage warf ihm die Staatsanwaltschaft vor. Doch mit dieser Anklage habe die Staatsanwaltschaft seinem Mandanten das Wort im Munde umgedreht, sagt der Verteidiger des Mannes - und lässt das Verfahren mit einem ungewöhnlichen Beweisantrag platzen.

Vorausgegangen war dem Prozess ein anderer im März diesen Jahres. Damals stand ein junger Mann wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis vor Gericht. Einziger Zeuge damals: der jetzt angeklagte 30-jährige Herrnhuter. Richter damals wie jetzt: der Zittauer Amtsrichter Kai Ronsdorf. Das Verfahren endete damals mit einem Freispruch. Und in jenem Prozess soll der 30-Jährige wissentlich falsch ausgesagt haben - zugunsten des damals Angeklagten. Dabei hatte er selbst dieses Strafverfahren gewissermaßen angezettelt.   

Angeklagter wollte angeblich das Beste

Der Angeklagte schilderte SZ die Vorgeschichte. "Ich habe den damals Angeklagten flüchtig gekannt. Der hatte ein Drogenproblem." Das habe ihn nicht weiter gekümmert. Die Hutschnur sei ihm aber geplatzt, als jener Mann seinem erst 14-jährigen Verwandten Crystal zum Verkauf angeboten habe. "Da war ich sauer", sagt er. Er habe damals gewusst, dass der Bekannte keine Fahrerlaubnis besitzt. Als er ihn wieder mal an seinem Haus am Steuer eines Autos habe vorbeifahren sehen, habe er gehandelt. "Ich habe damals die Polizei angerufen, die sollen den mal aus dem Verkehr ziehen", erzählt er. Er habe den Bekannten damals auch mit dem Auto verfolgt. "In Ruppersdorf stand dann das Auto vor einer Garage, und der Typ stand vor dem Auto", sagt der junge Mann der SZ. Tatsächlich sei er deswegen kurz später von der Polizei vernommen worden. Dort habe er ausgesagt, den Mann sicher am Steuer erkannt zu haben. Und wie er sich zu dem Sachverhalt später als Zeuge vor Gericht geäußert hat, sollte nun zum Problem für den 30-Jährigen werden.

Infolge der Aussage bei der Polizei kam es eben zu jener Anklage und zum Prozess im März. Da habe er seine Aussage bei der Polizei korrigiert und erklärt, den Mann nicht am Steuer, sondern erst wenig später vor der Garage stehend sicher erkannt zu haben. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm dagegen ein anderes Aussageverhalten vor Gericht vor. Laut Anklage soll er bei Gericht ausgesagt haben, auch der Polizei gegenüber niemals behauptet zu haben, den Mann am Steuer sitzend erkannt zu haben - und das wäre eben eine uneidliche Falschaussage. 

Das Wort im Munde umgedreht?

Der Verteidiger des Angeklagten sieht seinen Mandanten völlig zu unrecht vor Gericht. "Die Anklage steht in grobem Widerspruch zum Protokoll. Was meinem Mandanten in den Mund gelegt wird, hat er nicht gesagt", argumentierte der Verteidiger. Vielmehr habe sein Mandant in der damaligen Aussage seine gegenüber der Polizei getätigte Aussage berichtigt. "Der Vorsitzende Richter Ronsdorf hat dieser Zeugenaussage damals auch Glauben geschenkt und den damaligen Angeklagten auch deswegen freigesprochen", erklärte der Anwalt und griff zu einem ungewöhnlichen Beweisantrag. "Ich beantrage die Vernehmung des Richters Ronsdorf zum Beweis der Tatsache, dass der Angeklagte die ihm vorgeworfenen Äußerungen nicht getätigt hat", trug er vor.

Richter Kai Ronsdorf erklärte sich mit dem Beweisantrag einverstanden - er selbst sei dann als Richter natürlich aus dem Verfahren raus. "Dann setzen wir das Verfahren aus und Sie kriegen meine Aussage", erklärte er. Die Staatsanwaltschaft kündigte dagegen an, das folgende Verfahren dann nicht mehr wegen uneidlicher Falschaussage, sondern wegen falscher Verdächtigung des damals Angeklagten zu führen. 

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