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Ex-Verfassungsschutz-Chef Maaßen wirbt in Dresden für neue Partei

Hans-Georg Maaßen möchte aus der Werteunion der CDU eine eigene Partei machen. Beistand bekommt er bei einer Veranstaltung in Dresden von einem prominenten FDP-Politiker.

Von Gunnar Klehm
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Hans-Georg Maaßen begeisterte seine Fans bei seinem Auftritt in der Dresdner Ballsportarena. Ob diese ihm auch in eine neue Partei folgen, ist aber längst nicht ausgemacht.
Hans-Georg Maaßen begeisterte seine Fans bei seinem Auftritt in der Dresdner Ballsportarena. Ob diese ihm auch in eine neue Partei folgen, ist aber längst nicht ausgemacht. © SZ/Veit Hengst

Im VIP-Raum der Ballsportarena in Dresden ist an diesem Montagabend anders als bei den Handballspielen des HC Elbflorenz dieses Mal nicht angerichtet. Die Häppchen und den Orangensaft gibt es stattdessen in einem Hinterzimmer.

Der Andrang im Saal neben der Sporthallen-Tribüne ist trotzdem groß. Die knapp 200 Besucher in dem ausverkauften Saal wollen statt einer Persönlichkeit des Sports eine für sie wichtige Person aus der Politik hören. Der Verein Werteunion und der Weltbuch Verlag haben Hans-Georg Maaßen eingeladen, der bis November 2018 Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz war. Wegen rechtsextremistisch bewerteter Äußerungen insbesondere zur Migration fiel er im Vorstand der CDU in Ungnade. Seit vorigem Jahr hängt ihm ein Parteiausschlussverfahren an.

In Dresden fliegen ihm am Montagabend dagegen die Herzen der Besucher zu. Zur übergroßen Mehrheit sind es Männer im reiferen Alter. Die fühlen sich für ihr Eintrittsgeld prima unterhalten, wenn Maaßen etwa „weniger Gender-Wissenschaftler und dafür mehr Fleischereifachverkäufer“ fordert oder mit Blick auf Alt-Kanzlerin Merkel erklärt, dass Deutschland keine Monarchie sei, „wo eine Königin entscheiden kann, wer ins Land darf“.

CDU blickt gespannt nach Erfurt

Maaßen ist aber nicht als Entertainer gekommen, sondern für ihn ist es der Wahlkampfauftakt für eine Partei, die es noch gar nicht gibt. Denn er wirbt schon lange nicht mehr für die CDU, sondern für die Werteunion.

Die ist 2018 aus der CDU heraus entstanden. Mit dem ersten Bundestreffen in jenem Jahr ist ein schmerzhafter Prozess in Gang gesetzt worden, der nun am 20. Januar in Erfurt mit seiner Abspaltung seinen Endpunkt finden soll – wenn es nach Maaßen geht. „Ich würde mir wünschen, dass dort die Gründung einer eigenen Partei der Werteunion beschlossen wird“, sagt er seinen Zuhörern in Dresden. Auch das wird beklatscht, aber zögerlicher als noch bei seinen spöttischen Äußerungen zuvor.

Im Kraftraum unter dem Saal wuchten währenddessen Sportler unbeeindruckt schwere Gewichte. Einmal markiert das Wummern der niedergehenden Hanteln den passenden Paukenschlag nach Maaßens Pointe. Ansonsten wirkt es eher bedrohlich. Wie schwerwiegend die Folgen der Entschlossenheit Maaßens für die CDU werden könnten, ist nicht absehbar. Nichts weniger, als das Parteienspektrum ins Wanken zu bringen, ist aber schon das ambitionierte Ziel.

Parteiausschluss in erster Instanz gescheitert

Das versuchten vor ihm auch schon die Ex-AfD-Chefs Bernd Lucke und Frauke Petry, die mit neuen Parteigründungen konservative Wähler binden wollten, für die die AfD zu radikal und die CDU zu "sozialdemokratisch" geworden waren. Luckes ALFA-Partei nennt sich inzwischen „Wir Bürger“ und landete bei Wahlen bislang nur unter „Sonstige“. Petrys Partei wurde 2017 als Blaue Wende gegründet und schon 2019 wieder aufgelöst.

Das hat auch Maaßen registriert. Seine Ausgangsposition sei aber eine ganz andere, erklärt er gegenüber Saechsische.de. „Mit der Werteunion haben wir ja schon eine funktionierende Struktur – deutschlandweit“, sagt er.

Weshalb lässt das die CDU zu? Das tut sie nicht. Der Parteiausschluss hätte schon vollzogen sein können, wenn nicht das zuständige CDU-Kreisparteigericht den Antrag des Vorstands abgelehnt hätte. Die Werteunion war auch nie als Parteigliederung anerkannt worden, weder in der CDU noch in der befreundeten CSU. Sie hat sich jedoch als Verein organisiert.

Daraus Parteistrukturen zu entwickeln und Wahlkämpfe zu bestreiten, sei schneller umzusetzen, als es Lucke oder Petry möglich war. „Wir starten nicht bei null und haben in den letzten Jahren auch eine Kriegskasse aufgebaut“, sagt der 61-jährige Maaßen. Um dem Vorwurf zu entgehen, das bürgerliche Lager weiter aufzuspalten, will Maaßen mit den Kleinstparteien Bündnis Deutschland oder Bürger für Thüringen zusammenarbeiten.

Bangen um die FDP

Gegen welchen Gegner er und seine Getreuen ziehen, ist am Montag in Dresden nicht ganz eindeutig. Zwar bekommen schon nach wenigen Minuten wie erwartet die Grünen ihr Fett weg, fokussiert sich Maaßen aber auch schnell auf die Migrations-Politik der Merkel-Regierung.

Auch von Friedrich Merz ist er inzwischen enttäuscht. Maaßen betonte, dass es die Werteunion war, die maßgeblich den Mitgliederentscheid in der CDU initiierte, bei dem sie nicht nur Merz unterstützte, sondern dieser auch als Sieger hervorging. Die von ihm erhoffte Änderung der CDU-Politik habe es aber nicht gegeben.

Nicht als Gegenpart, sondern als Partner sitzt Gerhard Papke auf dem Podium neben Maaßen. Der FDP-Politiker ist in Nordrhein-Westfalen bekannter als in Sachsen. Jahrelang war er Vorsitzender der Landtagsfraktion und wurde einst von Christian Lindner abgelöst. Für seine Partei hört er inzwischen jedoch die Totenglocken läuten.

Der einzige Weg zum Überleben der Partei sei aus seiner Sicht, die Bundesregierung mit SPD und Grünen zu verlassen. Der Mitgliederentscheid darüber, wo sich Papke für ein Ende der Koalition einsetzte, ging anders aus, aber knapp. Deshalb habe er die Hoffnung für seine Partei noch nicht gänzlich verloren. „Bis 2025 kann ja noch einiges passieren“, sagt er.

Betont oft spricht Maaßen nicht nur von einer konservativen, sondern von liberal, konservativen Werteunion. Dass politische Akteure wie Papke damit umworben werden sollen, ist offenkundig. Der 62-jährige FDP-Politiker ließ sich über seine Zukunftspläne aber nichts entlocken.

Umfragen im Blick

Papke wie Maaßen gehen davon aus, dass die Bundesregierung mit Durchhalteparolen noch bis zur nächsten Wahl bestehen bleiben werde, auch wenn sie nach nur zwei Jahren keinerlei Mehrheit mehr in der Bevölkerung hat, was sowohl Umfragen, als auch die Ergebnisse jüngster Wahlen zeigten. „Gerhard Schröder hatte damals mehr Größe“, sagt Papke. Dieser stellte nach nur drei Jahren im Kanzleramt die Vertrauensfrage im Bundestag, deren Ergebnis zu Neuwahlen führte. Die verlor zwar seine SPD, landete aber auf einem Niveau, von dem Genossen heute träumen.

Schafft Maaßen seine geplante Neugründung, wird das Gedränge im politischen Spektrum noch größer. Das Bündnis Sahra Wagenknecht ist nicht minder entschlossen, die politische Landschaft zu verändern. Die Bewunderer der früheren Linken-Frontfrau haben auch erst einen Verein gegründet und Geld für Wahlkämpfe eingesammelt. Laut Umfragen von Meinungsforschern könnte ihre neue Partei aus dem Stand den Sprung in Landtage im Osten Deutschlands schaffen.

Eintritte nach Maaßen-Ankündigung

Davon träumt man auch im Maaßen-Lager. Umfragen zu seiner Werteunion gibt es noch nicht. Erst vor wenigen Tagen erklärte er offiziell, eine Parteigründung anzustreben. Sachsen stellt innerhalb der Werteunion einen kleinen Sonderfall dar. Nicht alle Mitglieder gehen den Prozess der Abspaltung mit. Stattdessen gründeten eine Handvoll Konservative um Sven Eppinger die Heimatunion als Basisbewegung innerhalb der CDU. Eppinger ist im Herbst in Radebeul zum CDU-Direktkandidaten zur Landtagswahl bestimmt worden.

Der Radebeuler Arzt hält es für aussichtsreicher, mit innerparteilicher Arbeit die CDU zu ihrem konservativen Markenkern zurückzuführen als mit einer nächsten neuen Partei. Eppinger lässt sich in einem konkreten Kontext auch gern als rechts bezeichnen, wie er in einem Interview für Saechsische.de sagte.

Mit seinem Abgang ist die Werteunion in Sachsen möglicherweise geschwächt, verbliebene Mitglieder sind aber entschlossen wie Maaßen. Der ist im Übrigen seit einem Jahr Bundesvorsitzender der Werteunion. Anders als landläufig angenommen, muss man nicht Mitglied der CDU sein.

„Etwa die Hälfte der Vereinsmitglieder gehört nicht der Partei an“, sagt Kay Nagel, aktueller Vorsitzender der Werteunion Sachsen. Im vorigen Jahr hatte der Verein rund 180 Mitglieder im Freistaat. Seit der Ankündigung Maaßens, die Werteunion zu einer eigenständigen Partei machen zu wollen, liefen nach Angaben Nagels fast täglich neue Mitgliedsanträge ein. Deutschlandweit seien es nach eigenen Angaben inzwischen etwa 5.000 Vereinsmitglieder.

Die Europawahl käme zwar noch zu früh, aber zur Landtagswahl in Sachsen wolle man bereitstehen, erklärt Maaßen noch, bevor er sich von seinen Unterstützern verabschiedet und weiterreist.