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Energie: Sachse will Speicherproblem lösen

Der Dresdner Peter Volkmer setzt dabei auf einen umstrittenen alten Bekannten – das Kohlendioxid. Es soll aber nicht in die Umwelt gelangen.

Von Irmela Hennig
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Die Kühltürme von Kohlekraftwerken wie dem in Jänschwalde könnten zur Speicherung von Kohlendioxid genutzt werden.
Die Kühltürme von Kohlekraftwerken wie dem in Jänschwalde könnten zur Speicherung von Kohlendioxid genutzt werden. © kairospress

Zwei Jahre Planungs- und Bauzeit. Dann könnte die erste Kraftwerksanlage stehen, die Kohlendioxid (CO2) nutzt, ohne dieses klimaschädliche Gas in die Umwelt abzugeben und noch dabei Arbeitsplätze bei Energieunternehmen in der Lausitz erhält. Davon ist Peter Volkmer überzeugt. Der Dresdner, Jahrgang 1944, ist Ingenieur, promovierter Physiker, auch mit Erfahrung im Kraftwerksbereich. 1990 hat er im siebenköpfigen Team die Firma Ingenieurgemeinschaft Umweltschutz, Mess- und Verfahrenstechnik (Igus) gegründet. Die entwickelt zum Beispiel Projekte für Energieanlagen.

Das Vorhaben: Kohlendioxid im Kreislauf verwenden

Vor einigen Jahren wurde Volkmer aufmerksam auf fehlende Kapazitäten bei der Stromspeicherung. Das Igus-Team suchte nach Lösungen und entwickelte aus bekannten Verfahren ein neues mit dem englischen Namen „Carbondioxide Circulated Power Storage“, kurz CCPS. Auf Deutsch: Stromspeicherung mit Kohlendioxid-Kreislauf. Das Prinzip nutzt unter anderem die 1902 von Paul Sabatier und Jean Baptiste Senderens entdeckte Methanisierung. Das CCPS-System soll wie folgt laufen: Mit überschüssigem Strom aus dem Netz – vor allem von Windkraft- und Photovoltaikanlagen – wird Wasserstoff erzeugt. Das passiert durch Elektrolyse – die Zerlegung von Wasser in Wasser- und Sauerstoff. Der Wasserstoff wird mit Kohlendioxid zu Methan verbunden, Fachleute sprechen von Synthese. Das Methan könnte dann zwischengespeichert werden im deutschen Erdgasnetz mit seiner Länge von über 500.000 Kilometern und auch in Hohlräumen von Salzstöcken. Das benötigte CO2 fällt im Gas- und Dampfkraftwerk an, in dem das Methan bei Bedarf verbrannt und wieder zu Strom wird. Der wird ins Netz eingespeist. Für das CO2 gebe es wie in der Natur einen Kreislauf. Man müsse dafür aber Speicher errichten oder anpassen, erläutert Volkmer. Dafür seien umgebaute Kühltürme von Kohlekraftwerken nutzbar. Verwendet wird beim CCPS-Prozess auch der Sauerstoff. Gemischt mit CO2 wird er Teil der Verbrennungsluft für das Methan.

Die Einschätzung: Weniger Neuland als bei Wasserstoff, aber teuer

Derzeit gibt es etwa 30 Projekte, die sich mit Strom aus Methan beschäftigen. Auch am Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik in Kassel wird zu dem Thema geforscht, wie Physiker Jochen Bard informiert. Man könne Methan in beliebigem Umfang ins Erdgasnetz einspeisen; Erdgas besteht überwiegend aus Methan. Doch, so Jochen Bard, das von Igus beschriebene Verfahren brauche einen Schritt mehr – erst Wasserstoff, dann Methan. Dabei könne es Wirkungsverluste geben. Bei der aktuell im Fokus stehenden direkten Wiederverstromung von Wasserstoff entfalle der Methanschritt. Dass CCPS auf Bekanntes aufbaut, sieht Peter Volkmer als Vorteil. „Die Technik, die wir brauchen, gibt es längst“, sagt der Unternehmer. Das Erdgasnetz sei da, Gas- und Dampfkraftwerke seien Standard und könnten quasi im Laden gekauft werden. Die Syntheseanlage für Methan müsse man bauen lassen. „Da sind wir aber im Gespräch mit einem Leipziger Unternehmen“, so Volkmer. Nur Wasserstoff als Speicher hält er „für ein Versprechen, das nicht gehalten werden kann“ und verweist auf Probleme, die es mit Methan nicht gebe wie etwa die Versprödung von Metallteilen wie Gasleitungen und Armaturen durch Wasserstoff. Jochen Bard sagt dazu: „Die Versprödung wird uns nicht aufhalten.“ Mit Beschichtungen, anderer Stahlqualität oder auch Änderung des Drucks in den Leitungen könne man dem künftig begegnen. Ein weiteres Problem ist das Messen.

Der Hintergrund: In Erdgasleitungen wird Wasserstoff oder Methan dem Erdgas beigemischt und mit befördert. Am Ende muss beides sauber getrennt werden, darauf verweist der Erdgas-Netzbetreiber Ontras in Leipzig. Noch werde dem Erdgas der Wasserstoff nur in sehr geringen Mengen zugefügt. Künftig soll in den Leitungen bis 20 Prozent Wasserstoff befördert werden. Doch die Prozesschromatografen, mit denen die Zusammensetzung des Gemischs ermittelt wird, seien darauf nicht ausgelegt, heißt es beim Deutschen Verein des Gas- und Wasserfachs. Auch da werde an Lösungen geforscht. „Wir untersuchen mit europäischen Partnern, wie sich Wasserstoff aus Gemischen mit Erdgas wieder abtrennen lässt“, informiert Ontras-Sprecher Ralf Borschinsky. Peter Volkmer weist darauf hin, dass Wasserstoff bei der Speicherung mehr Platz braucht. Das bestätigt Jochen Bard vom Fraunhofer-Institut. Denn ein Kubikmeter Wasserstoff habe nur ein Drittel des Energieinhalts von einem Kubikmeter Methan. Allerdings geht er davon aus, dass in Deutschland genug Speicherplatz vorhanden ist. Peter Volkmer hat aber noch einen Punkt. Beim Wasserstoff sei Deutschland auf Importe angewiesen. Das bestätigt Bard. „Wir können lediglich 20 Prozent national erzeugen.“

Die Kosten: 800 Millionen Euro pro Kraftwerk, statt Entschädigung für Windparks

Jochen Bard vom Fraunhofer-Institut und Sachsens Energieministerium verweisen auf hohe Kosten bei der Methansynthese. Die Deutsche Energieagentur hat sich diese vom Erdgaspreis ausgehend angeschaut. Danach zahlt man für die Megawattstunde thermische Energie bei der Methanisierung derzeit 200 Euro, der normale Erdgaspreis liege bei 62 Euro. Bis 2050 könnte der für Methan aber auf 92 Euro fallen.

Peter Volkmer räumt ein: „Betriebswirtschaftlich ist das nicht machbar.“ Beim Pilotprojekt, ein Speicherkraftwerk für 25 Megawattstunden elektrische Energie, geht er von einer Investition in Höhe von 20 Millionen Euro aus. Danach werden wohl 800 Millionen Euro für deutlich größere Regel-Anlagen benötigt. Volkmer sieht dennoch kein Minusgeschäft für den Staat. Denn Betreiber von Windkraftanlagen werden mit Milliardensummen entschädigt, wenn sie ihren erzeugten Strom wegen überlasteter Netze nicht einspeisen können. Das falle weg, weil gespeichert wird. Der Strompreis für Endkunden können künftig vielleicht sinken. Bislang fehlen, laut Volkmer, aber Fördermöglichkeiten für Methanisierungsprojekte.

Peter Volkmer
Peter Volkmer © privat

Die Politik: Wasserstoff steht im Zentrum des Interesses

Peter Volkmer hat das Gespräch mit der Politik gesucht. Er hat Briefe geschrieben, die der SZ zum Teil vorliegen. Antworten gab es bislang nicht oder nicht konkret. Der Dresdner glaubt, dass das schlechte Image des Kohlendioxids, welches im Vorhaben eine Rolle spielt, bei der Politik die Ablehnung schürt. Man wolle eben davon weg. Oliver Rittweger, Referent im sächsischen Energieministerium aber teilt mit, es gebe eine Reihe von Forschungen rund um CO2, die vom Bund gefördert werden. Er nennt unter anderem ein Projekt der Technischen Universität Dresden und der Hochschule Zittau-Görlitz zum Oxyfuel-Prozess, einem Verbrennungsverfahren mit fast reinem Sauerstoff, wobei auch CO2 entsteht. Ein weiteres Beispiel sei die Forschungskooperation „Carbosola“ der TU Dresden mit dem Helmholtz-Zentrum Rossendorf mit superkritischem Kohlendioxid, das weder flüssig noch gasförmig ist. Prinzipiell könne auf Methanbasis ein Speicherkraftwerk entstehen. Für einige Komponenten gebe es da aber „noch hohen Entwicklungsbedarf“, so Rittweger. Das von Igus vorgestellte Verfahren kenne man, das Unternehmen selbst aber nicht. Allerdings hat Peter Volkmer sein Projekt nach eigenen Angaben einst dem Grünen-Abgeordneten Gerd Lippold vorgestellt, nun Staatssekretär für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft. Lippold habe es wegen des Einsatzes von CO2 und Methan abgelehnt. Peter Volkmer hat sich auch an den Kraftwerksbetreiber Leag in Cottbus gewandt. Er möchte den Betrieb gewinnen, ein CCPS-Speicherkraftwerk zu betreiben. Eine Antwort habe er bislang nicht erhalten, eben so wenig wie die SZ.

Die Chancen: RWE und China sind interessiert

Fraunhofer-Experte Jochen Bard geht davon aus, dass Methan künftig definitiv eine Rolle spielen wird. Die Größenordnung sei offen. Peter Volkmer indes hat bei früheren Projekten das Warten gelernt. Er gibt an, China sei am Igus-Verfahren interessiert. Für CCPS laufen zudem Gespräche mit dem Stromversorger RWE und den Übertragungsnetzbetreibern 50Hertz sowie Tennet – allerdings erlebe er dort noch Zurückhaltung. Am liebsten aber würde Peter Volkmer das Projekt in Sachsen realisieren und zum Exportprodukt machen.