So engagiert sich Sachsen gegen Einsamkeit

Bereits bevor das Corona-Virus sich in Deutschland ausbreitete, hatte Sachsens Sozialministerin Petra Köpping (SPD) das Thema auf dem Schirm: Einsamkeit. Und das nicht grundlos. Sachsen hat eine verhältnismäßig alte Bevölkerung, junge Menschen, vor allem Frauen, wandern ab. Der Anteil der Ein-Personen-Haushalte liegt bei fast 45 Prozent (2019). Er ist damit der größte der sächsischen Haushaltsformen. Die Pandemie und damit verbundene Lockdowns machten jenen besonders zu schaffen, die allein leben.
Bereits der vor zweieinhalb Jahren zwischen CDU, Grünen und Köppings Partei geschlossene Koalitionsvertrag enthält Ansätze, um Raum für Begegnungen zu schaffen. "Wir ermöglichen mit einem Modellprojekt ‚Soziale Orte‘ die Entstehung neuer Infrastrukturen, um gesellschaftlichen Zusammenhalt zu fördern", heißt es darin. Aber was ist daraus geworden?
Seit es die Corona-Lockerungen erlauben, reist Köpping durch Sachsen und verteilt Fördermittelbescheide. Das Landeskabinett beschloss 2021 die Richtlinie "Orte des Gemeinwesens", mit der Finanzhilfen für "soziale Orte" und – im Geschäftsbereich des Justizministeriums – für "Orte der Demokratie" möglich sind. Die Ministerin kann nach eigenen Angaben auf 1,2 Millionen Euro für 2021 und vier Millionen für das laufende Jahr zugreifen.
Sachsen braucht mehr Raum für Begegnung
Doch wie lässt sich mit Geld Einsamkeit bekämpfen? "Wir haben begonnen, die Richtlinie mit Leben zu füllen", sagt Köpping. Etwa im ostsächsischen Wittichenau: Mit mehr als 380.000 Euro hilft das Land beim Umbau des historischen Jakubetzstiftes zu einem Begegnungszentrum, das Vereinen und Initiativen offensteht. Das ist nach Angaben der Ministerin mehr Geld, als die Gemeinde sonst investieren kann. Beispiele finden sich im gesamten Freistaat, etwa in Stolpen, Grünhainichen und Roßwein. Es geht zunächst darum, Gebäude als Begegnungszentren zu ertüchtigen – mit Akteuren vor Ort.
"Es ist eine Frage, die die Kommunen interessiert", sagt Köpping. Nach einer ersten Abfrage seien rund 120 Projektideen eingegangen – mehr als über die Richtlinie finanziert werden können. Köpping will die Förderung für ländliche Regionen und benachteiligte Stadtteile jedenfalls beibehalten: "Ich kämpfe dafür, dass im kommenden Haushalt ähnlich viele Mittel eingestellt werden." Das wären dann etwa fünf Millionen Euro. Die Unterstützung sei so breit gefasst, "das schaffen andere Richtlinien nicht".
Eine Gefahr für die Gesellschaft
Doch es dreht sich nicht nur um Geld und Häuser. Ziel ist es, der Isolierung und Vereinzelung vorzubeugen. "Gerade der Schritt nach der Pandemie ins gesellschaftliche Leben zurückzukommen, ist für manche nicht leicht", konstatiert Köpping im Gespräch mit der Sächsischen Zeitung. Und: "Es ist nicht so einfach, wie man denkt." Nach Einschätzung der Sozialpolitikerin sind auch Jüngere davon betroffen. Manche von ihnen "haben ihren besten Freund im Computer gefunden", sagt sie. Einsamkeit kann nach ihrer Beobachtung gravierende Folgen haben: "Die schwerste ist Depression." Aber auch soziale Isoliertheit könne daraus entstehen.
Als Köpping in der Vorgängerregierung Integrationsministerin war, hörte sie in etlichen Runden Menschen zu, die von Brüchen in ihren Biographien und Jobverlusten nach den Wende erzählten. Es gelang ihr zumindest, für dieses Thema, was in Sachsen viele betrifft, Aufmerksamkeit zu schaffen. Aus den Eindrücken entstand das Buch "Integriert doch erst mal uns". Köpping war danach viel gefragte Interviewpartnerin und Talkshowgast. Als Sozialministerin beklagte sie in einer Regierungserklärung 2020 die "Bildung einer Klassengesellschaft" und kritisierte den "Druck des alleinigen Leistungsgedankens".
Womöglich ist das Engagement gegen Einsamkeit etwas, das Köpping liegt. "Wenn wir uns des Themas nicht annehmen, dann fangen Menschen an, sich zu radikalisieren", warnt die Sozialministerin und ehemalige Landrätin. Sie sähen dann nur Negatives. "Das ist auch gefährlich für unsere Gesellschaft, wenn wir da nicht gegensteuern."