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Raus aus der Ohnmacht: Freital startet Kampagne gegen Vandalismus

Den Verantwortlichen im Rathaus reicht es: Blinde Zerstörungswut verursacht hohe Kosten. Um das zu ändern, geht die Stadt nun in die Offensive.

Von Roland Kaiser
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Sinnbild für blinde Zerstörungswut in Freital: eine Tischtennisplatte im Windbergpark. Vor gut einem Jahr war sie in Trümmer gelegt worden.
Sinnbild für blinde Zerstörungswut in Freital: eine Tischtennisplatte im Windbergpark. Vor gut einem Jahr war sie in Trümmer gelegt worden. © Karl-Ludwig Oberthür

Beschmierte Häuserwände, zersägte Spielgeräte, zertrümmerte Tischtennisplatte, in Mitleidenschaft gezogene Kunstwerke – die Liste von beschädigtem Eigentum in Freital lässt sich nahtlos fortsetzen. Denn die aufgeführten Beispiele sind nur ein kleiner Teil eines Problems, dem das Rathaus jetzt mit einer Kampagne begegnen möchte. Diese soll noch im Laufe dieser Woche starten.

"Verantwortung zeigen. Vandalismus vermeiden" lautet das Motto. Wie dazu aus der Verwaltung verlautete, zielt die Aktion auf eine höhere Identifikation mit der Stadt und mehr Zivilcourage ab. Darüber hinaus ist es ein Versuch, die Einwohner darin zu bestärken, für andere ein Vorbild zu sein.

"Wir gehen von rund 50.000 Euro an Schäden durch Vandalismus, Schmierereien, Diebstahl und Vermüllung aus – und das ohne die städtischen Gesellschaften und weitere Dritte", versucht Rathaussprecher Matthias Weigel die Dimension zu beschreiben, mit der sich die Kommune alljährlich konfrontiert sieht.

Die Kette von Taten wirke sich längst nicht mehr nur auf die Haushaltslage aus. Eine weitere Folge zeige sich in einem erhöhten Arbeitsaufwand, um das, was ramponiert wurde, wieder in Schuss zu bringen. Es herrsche eine gewisse Ohnmacht. Aus der will Freital nun ausbrechen.

Stadt setzt auf Hinweise und Ideen aus Bevölkerung

Vor diesem Hintergrund richtet sich Oberbürgermeister Uwe Rumberg (Konservative Mitte) an all jene, die es mit dem Eigentum anderer nicht ganz so genau nehmen. "Wir lassen uns unsere Stadt nicht von wenigen kaputtmachen", schreibt er in einem Beitrag, der im aktuellen Amtsblatt erschienen ist.

Auf das Verlangen nach mehr Sozialarbeitern beziehungsweise Streetworkern geht die Verwaltung jedoch nicht ein. Diese Forderung wurde vor einem Jahr im Stadtrat aus aktuellem Anlass laut.

Vielmehr will sie in erster Linie mit Plakatmotiven den Fokus der Freitaler auf die Problematik lenken. "Diese sind zweigeteilt und zeigen eine schöne und eine hässliche Seite zum Thema." Markige Sprüche wie "Zwischen neu lackiert & vollgeschmiert" finden sich ebenso auf den Darstellungen wieder. Darüber hinaus sind Medienveröffentlichungen vorgesehen. Das zentrale Element bildet eine Internetseite. Auf der finden die Bürger alle Informationen zu dem Vorhaben in zusammengefasster Form.

"Dass wir nicht hilflos sind, hat mir gezeigt, dass in jüngster Zeit einige Täter gestellt werden konnten", sagt das Stadtoberhaupt. Uwe Rumberg sieht sich darin bestärkt, die bereits vor Wochen in Aussicht gestellte Kampagne nunmehr in Angriff zu nehmen. Er hofft in dem Zusammenhang verstärkt auf Hinweise und Ideen aus der Einwohnerschaft sowie tatkräftige Unterstützung.

Den Freitalern Ulrich Neumann, Ray Schiefner und Dietmar Starke (v.l.) reicht es: Sie wollen Böllerattacken wie die am Busbahnhof in Deuben und andere Sachbeschädigungen nicht länger widerspruchslos hinnehmen.
Den Freitalern Ulrich Neumann, Ray Schiefner und Dietmar Starke (v.l.) reicht es: Sie wollen Böllerattacken wie die am Busbahnhof in Deuben und andere Sachbeschädigungen nicht länger widerspruchslos hinnehmen. © Egbert Kamprath

Nach der Attacke auf eine Tischtennisplatte im Park hinter dem Freitaler Neumarkt hat eine Bürgerbeteiligung augenscheinlich funktioniert. Rathausangaben zufolge ließ sich herausfinden, wer dafür verantwortlich ist. Allerdings lag das womöglich auch ein Stück weit daran, weil zuvor ein "Kopfgeld" ausgesetzt wurde, um die Tat aufzuklären.

Nach Übergriffen auf eine unweit entfernte Statue des Künstlers Olaf Stoy sowie den Storchenbrunnen an der Albert-Schweitzer-Straße baut die Verwaltung auf einen ähnlichen Effekt.

Damit will sie es dann aber auch bewenden lassen. Denn, so der Stadtsprecher: "Ob Belohnungen permanent geeignete Mittel sind, muss diskutiert werden. Möglicherweise nutzt sich das ab."

Graffiti-Sprayer zum Arbeitseinsatz verdonnert

Fakt ist: Bei Vandalismus handelt es sich keinesfalls um ein Kavaliersdelikt. Wer auf seinem Trip, Dinge anderer Leute kaputtzumachen, erwischt wird, dem drohen laut Strafgesetzbuch im schlimmsten Fall bis zu zwei Jahre Gefängnis. Zumindest eine Geldstrafe ist zu erwarten.

Seit wenigen Monaten kommt in Freital ein Täter-Opfer-Ausgleich obendrauf. Junge Leute, die von der Polizei ermittelt werden, müssen damit rechnen, dass sie den von ihnen angerichteten Schaden wiedergutzumachen haben. Das kann dem einen oder anderen durchaus die ganze Arbeitskraft abverlangen, wie sich am Beispiel eines Trios zeigt. Dieses wird für mehrere Graffiti-Attacken im Stadtgebiet verantwortlich gemacht.

"In einem Gespräch am Tisch des Oberbürgermeisters wurde die Situation persönlich ausgewertet und auch eindringlich erläutert, welche negativen Folgen dieses gedankenlose Handeln für die Stadt und die Stadtgesellschaft hat", sagt Matthias Weigel.

Danach hieß es für zwei der ertappten Jugendlichen ranklotzen. Sie hatten Arbeitseinsätze bei städtischen Gesellschaften zu leisten. So musste einer von ihnen auf Schloss Burgk – diesmal jedoch ganz legal – neue Farbanstriche aufbringen. Der andere war für Aufräum- und Instandhaltungsarbeiten im Stadtgebiet herangezogen worden. Für den Dritten im Bunde wird gerade nach einer Beschäftigung gesucht.

"Ziel des Täter-Opfer-Ausgleichs ist es, neben dem strafrechtlichen Teil den Rechtsfrieden wiederherzustellen", erklärt der Rathausmitarbeiter die Motivlage. "Bleibt zu hoffen, dass dies zur Einsicht beiträgt und andere abschreckt."

Wissenschaft untersucht Verhalten junger Leute

Sozialforscher sehen darin einen Lernprozess, den es mitunter braucht, damit junge Menschen einen roten Faden im Leben finden. Weshalb einige Kinder und Jugendliche über die Stränge schlagen, habe verschiedene Gründe. Dazu würde unter anderem eine von ihnen empfundene Benachteiligung zählen, aber auch Langeweile, Frustration oder die mangelnde Wahrnehmung der eigenen Person. Mit solchen Taten könnten sie anderen möglicherweise imponieren.

Die Stadt Freital unterstreicht indes, dass sie sich auch künftig mit Nachdruck für die Wiedergutmachung von Schäden einsetzen und die Täter zum Ausgleich auffordern wird. "In der Regel zeigen wir alle Fälle bei der Polizei an."

Dass ein Großteil der Verfahren eingestellt wird – nach einer Einschätzung aus dem Rathaus handelt es sich dabei um 95 Prozent –, ist sicherlich ärgerlich. Die Anti-Vandalismus-Kampagne sei auch kein Allheilmittel.

Dennoch gelingt es vielleicht, mit ihr die Aufmerksamkeit auf ein Thema zu lenken, das alljährlich dafür sorgt, dass Kommunen wie Freital in ihrer Handlungsfähigkeit ein Stück weit eingeschränkt werden.

Oder wie es Oberbürgermeister Uwe Rumberg formuliert: "Vandalismus geht jeden etwas an." Jeder könne in seinem Umfeld einen Beitrag dazu leisten, um das Phänomen zurückzudrängen. "Es geht darum, zu zeigen, dass nicht irgendwas kaputtgemacht oder beschmiert wird, sondern dies ein Teil 'meiner' Stadt ist, in der ich lebe."