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Fehlende Milliarden könnten vor allem Ostdeutschland treffen

Die Förderung der digitalen Souveränität in Deutschland erfordert Milliarden-Investitionen. Nach einem spektakulären Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur Haushaltspolitik der Bundesregierung stehen allerdings etliche Projekte auf der Kippe.

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Bleibt die Wiese leer? Hier im Dresdner Norden soll ein Werk des  Halbleiterherstellers TSMC entstehen.
Bleibt die Wiese leer? Hier im Dresdner Norden soll ein Werk des Halbleiterherstellers TSMC entstehen. © Ronald Bonß

Berlin. Das Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts trifft nach Darstellung des Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundeswirtschaftsministerium, Michael Kellner (Grüne), besonders Ostdeutschland. Falls die fehlenden 60 Milliarden Euro für den Klima- und Transformationsfonds nicht anderweitig aufgebracht werden, drohe der ostdeutschen Wirtschaft erheblicher Schaden, sagte Kellner dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

Von den angekündigten Investitionen in die deutsche Industrie von 80 Milliarden Euro entfielen rund 50 Milliarden auf Ostdeutschland, sagte Kellner. "Wir stehen nun vor der Riesenherausforderung, diese Investitionen sowie die damit verbundenen Jobs und den Wohlstand durch staatliche Unterstützung abzusichern."

Kellner betonte, nach heutigem Stand seien ohne den Klima- und Transformationsfonds weder die Ansiedlung der Chipfabriken in Dresden und Magdeburg, noch der Wiederaufbau der Solarindustrie in Ostdeutschland gesichert. Sachsens Landesregierung in Dresden hatte zuletzt die Einhaltung der Förderzusagen gefordert, die Chipindustrie aber nicht in Gefahr gesehen.

Bundeskanzler wegen Chipfabriken-Subvention "zuversichtlich"

Nach dem weitreichenden Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts hat sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zuversichtlich gezeigt, dass die geplanten Milliarden an Subventionen für den Bau von Chipfabriken weiter fließen können. "Wir wollen die Modernisierung unserer Volkswirtschaft weiter vorantreiben und da gehören Halbleiter und die Halbleiterindustrie dazu", sagte Scholz am Dienstag auf dem Digital-Gipfel der Bundesregierung in Jena. Konkret bezog er sich dabei auf den Bau einer Chipfabrik von Intel in Magdeburg. In Dresden errichtet der Chip-Hersteller TSMC eine Fabrik und erhält dafür ebenfalls eine Milliarden-Subvention. "Sie sehen mich jetzt hier nicht als einen Menschen ohne Zuversicht", sagte Scholz am Dienstag.

Der Kanzler nutzte seinen Auftritt auf der Podiumsdiskussion allerdings nicht dazu, um die Subventionen fest zu garantieren. "Die Antwort können wir jetzt nicht aus der Hand schütteln, sondern wir müssen die uns mühsam erarbeiten."

Vor dem Auftritt von Scholz hatte sich schon Wirtschaftsminister Robert Habeck für eine Fortsetzung der milliardenschweren Chip-Pläne ausgesprochen. Der Grünen-Politiker sagte, man könne nach dem Urteil aus Karlsruhe nicht nur Projekte umsetzen, für die es bereits einen formalen Förderbescheid gebe. Nach der verhängten Haushaltssperre sei zwar die Finanzierung aller Projekte sicher, die schon einen formalen Förderbescheid erhalten haben, sagte der Vizekanzler in Jena. "Der Umkehrschluss allerdings wäre unzulässig aus meiner Sicht."

FDP-Experte fordert Verzicht auf Halbleiter-Subventionen

Der FDP-Finanz- und Haushaltsexperte Frank Schäffler hatte den Verzicht auf die Subventionen für die Chipfabriken in Magdeburg und Dresden gefordert. "Es ist immer schon falsch gewesen, Milliardensubventionen in die Ansiedlung von Chipfabriken zu stecken", sagte Schäffler dem RND.

Das Argument der Förderung in benachteiligten Regionen ließ er nicht gelten: Die geplanten Standorte der Chipfabriken, Magdeburg und Dresden, seien keine strukturschwachen Gegenden. "Im Gegenteil: Dort besteht Arbeitskräftemangel", sagte der FDP-Politiker. "Und der Bau der Chipfabriken würde dazu führen, dass mittelständische Unternehmen vor Ort das Nachsehen haben."

DIW-Expertin Claudia Kemfert hält das Aussetzen der Schuldenbremse durch ein 2021 gefälltes Urteil des Bundesverfassungsgerichts für gerechtfertigt. Sie empfiehlt nach einem Bericht der "Mediengruppe Bayern" einen Dreiklang, um die Transformation in Deutschland zu realisieren: "Erstens: Ausgaben in Nicht-Zukunftsbereichen kürzen. Zweitens: Unnötige Ausgaben des Klima- und Transformationsfonds auf den Prüfstand stellen. Drittens: Schuldenbremse aussetzen."

Dafür habe das Bundesverfassungsgericht selbst im Urteil 2021 ausreichend Begründung geliefert, indem es Klimaschutz als die zentrale Aufgabe des Staates benannt habe, sagte Kemfert. Angesichts der Klimakrise und der wirtschaftlichen Transformation benötige Deutschland dringend Zukunftsinvestitionen in Elektromobilität, Schienenverkehr, Digitalisierung, Speicher oder Gebäudeenergie. (SZ/dpa)