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"Wer radikal wählt, dem habe ich nichts mehr anzubieten"

Neigen Ostdeutsche zu radikalen Parteien? Mit seinen Aussagen sorgt der Ostbeauftragte Marco Wanderwitz für Wirbel. Jetzt spricht er mit Sächsische.de.

Von Thilo Alexe
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Marco Wanderwitz ist Ostebeauftragter der Bundesregierung. Zudem führt er die Landesliste der sächsischen CDU für die Bundestagswahl an. Foto: dpa/
Marco Wanderwitz ist Ostebeauftragter der Bundesregierung. Zudem führt er die Landesliste der sächsischen CDU für die Bundestagswahl an. Foto: dpa/ © Archivbild: dpa/Robert Michael

Herr Wanderwitz, haben Sie die Reaktionen auf ihre Aussage im Podcast der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zu diktatursozialisierten Ostdeutschen überrascht, die eine stärkere Neigung zur Wahl rechtsradikaler Parteien als Westdeutsche haben?

Ja, in zweierlei Hinsicht: Zum einen habe ich nichts Neues gesagt. Ich habe mich mehrfach im vergangenen Jahr dazu geäußert, und jedes Mal ist der Zu- und Widerspruch so hoch, als habe man etwas komplett Neues gesagt. Zudem haben viele, die sich jetzt äußern, nicht den gesamten Podcast gehört. Darin habe ich differenziert. Ich habe klar und deutlich gesagt, welchen Teil der Ostdeutschen ich meinte: die eingefleischten Wählerinnen und Wähler der AfD, einer rechtsradikalen Partei. Um die ging es mir. Die sind nicht in der Mehrheit, aber als Minderheit machen sie mir trotzdem Sorgen, weil das nicht gut für die Demokratie ist.

Sie äußerten die Hoffnung auf die nächste Generation. Schreiben Sie eine Generation also ab?

Nein. Natürlich ist die Hoffnung, dass sich das Problem, wenn man so will, herauswächst mit jeder Generation, die eine Demokratiesozialisierung erfahren hat. Aber natürlich geht es nicht darum, ganze Jahrgänge abzuschreiben. Wenn man sich die AfD-Wählerschaft anschaut, sieht man, dass es mehrere Jahrgänge sind, in denen die Partei gute Ergebnisse erzielt.

Es gibt auch einen veritablen Männer-Frauen-Unterschied bei der Anhängerschaft. Auf das kann man in einem ausführlichen Podcast eingehen, so wie auch auf die Fragen des Transformationsprozesses und die schweren Wunden, die die Überführung der Plan- in die Marktwirtschaft verursacht hat. Man kann das Bild größer zeichnen. Aber dass man Menschen, die eine rechtsradikale Partei verfestigt wählen, nicht dafür kritisieren können darf, das ist ein Ansatz, den ich so nicht akzeptieren werde.

Eine Kritik an Ihnen lautete, dass die von Ihnen Kritisierten womöglich viele Jahre ungeachtet der Diktatursozialisation CDU gewählt haben.

Die AfD hat vor allem langjährige Nichtwähler aktiviert. Wenn davon welche irgendwann CDU gewählt haben, ist das sehr lange her. Dann hat die AfD es geschafft, die Linkspartei im Osten zu halbieren, von Phänomenen wie Bodo Ramelow abgesehen. Und sie hat fast alles aufgesaugt, was im hart rechtsradikalen Bereich schon immer dagewesen ist.

Ich erinnere mal daran, dass in Sachsen die NPD mit zehn Prozent im Landtag war. Insofern, ja, es sind auch ehemalige CDU-Wähler, aber eben nicht nur. Und ich sage nicht, dass ich alle von denen aufgebe. Meine Haltung ist: In der demokratischen Mitte gibt es doch hinreichend Parteien, da muss doch etwas für euch dabei sein. Aber wer für sich ausschließt, in der demokratischen Mitte zu sein, sondern eine rechtsradikale Partei wählt, dem habe ich dann im Zweifel auch nichts mehr anzubieten. Der bekämpft ja meine Demokratie.

Wie gehen Sie mit dem Vorbehalt um, dass Sie gegenüber jenen pauschalisieren, die in der friedlichen Revolution der Demokratie den Weg bereitet haben?

Eines der konstitutiven Elemente dieser Revolution ist ja gewesen, dass sich alle einig waren: die DDR muss weg. Aber die Einigkeit, wie es danach werden soll, die war schnell aufgebraucht. Da gab es welche, die einen dritten Weg wollten, welche, die die Wiedervereinigung wollten. Und es gab im Übrigen welche, die sehr schnell gesagt haben, so wie etwa Orban in Ungarn, wir wollen keine moderne westliche Demokratie.

Sondern wir wollen irgendetwas anderes, was ein bisschen autokratischere Züge trägt. Und das ist definitiv nicht meine Demokratie. Insofern sehe ich auch da keinen Widerspruch. Natürlich ist die friedliche Revolution, die wir gemeinsam geschafft haben, eine große historische Leistung der Menschen in den neuen Bundesländern. Aber das macht diese doch nicht unangreifbar, wenn jetzt Teile von ihnen eine rechtsradikale Partei wählen.