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Explosion oder Anker: Was beschädigte die Ostsee-Pipeline Balticconnector?

Seit Sonntag ist die Pipeline Balticconnector zwischen Finnland und Estland außer Betrieb. Jetzt ist klar: Die Pipeline wurde durch äußeres Einwirken beschädigt. Nur wie und von wem?

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Vom finnischen Inkoo aus führt die Pipeline Balticconnector durch die Ostsee nach Estland.
Vom finnischen Inkoo aus führt die Pipeline Balticconnector durch die Ostsee nach Estland. © PR/Gasgrid

Helsinki. Bei der Suche nach der Ursache für den plötzlichen Ausfall der Ostsee-Gaspipeline Balticconnector am Wochenende gibt es erste Erkenntnisse. Auf einer am Dienstagnachmittag eilig einberufenen Pressekonferenz der finnischen Regierung sagte Premierminister Petteri Orpo, es sei wahrscheinlich, dass der Schaden durch äußere Einwirkung entstanden ist. Zuvor hatten bereits mehrere Medien in dem skandinavischen Land darüber unter Berufung auf Sicherheitskreise berichtet.

Dem Vernehmen nach hätten Kräfte des finnischen Grenzschutzes am Dienstagmorgen die beschädigte Stelle lokalisiert. Die Zentrale Kriminalpolizei habe umgehend Ermittlungen aufgenommen. Der Leiter der Polizeibehörde, Timo Kilpeläinen, erklärte auf der Pressekonferenz, es handele sich um einen Fall schweren Vandalismus'. Details zum Ausmaß des Schadens machte er nicht. Klar sei jedoch, so Kilpeläinen, der Schaden habe nicht zufällig entstehen können.

Norwegische Seismologen halten Explosion für möglich

Ein Angriff mit Sprengstoff wurde von verschiedenen Seismologen zunächst ausgeschlossen. Anders als bei den Vorfällen an den Nord-Stream-Leitungen im September 2022 verzeichneten sie keine größeren Erschütterungen, die auf eine Explosionen schließen ließen.

Am Dienstagabend teilte jedoch die auf Erdbebenforschung spezialisierte Forschungseinrichtung Norsar mit, sie habe entsprechende seismische Signale gemessen. "Am 8. Oktober 2023 um 01:20 Uhr (Ortszeit in Finnland) [haben wir] eine wahrscheinliche Explosion entlang der finnischen Ostseeküste gemessen", heißt es in der Mitteilung des norwegischen Instituts.

Das Ereignis habe sich demnach wahrscheinlich etwa 40 Kilometer nördlich der Stadt Paldiski an der estnischen Küste ereignet. Messsonden, die Norsar im finnischen Meerbusen stationiert hat, sollen die Erschütterung mit einer geschätzten Magnitude von 1,0 auf der Richterskala wahrgenommen haben. Zum Vergleich: Bei den Nord-Stream-Explosionen, die damals ebenfalls von der norwegischen Forschungseinrichtung gemessen wurden, betrug die Magnitude etwa 3,0.

Nato-Generalsekretär Stoltenberg: "Beobachten die Situation sehr genau"

Im Vorfeld der Erklärung der finnischen Regierung am Dienstag wurde über einen möglichen Sabotageakt Russlands auf Finnlands kritische Infrastruktur gemutmaßt. Die Zeitung Iltalehti hatte unter Berufung auf Sicherheitskreise berichtet, dass man durch den Vorfall "eine besorgniserregende Veränderung der Sicherheitslage" in Finnland befürchte. Premierminister Orpo äußerte sich in seiner Stellungnahme dahingehend jedoch nicht. Konkret darauf angesprochen, wich er aus und sagte: "Wichtig ist, dass die Angelegenheit gründlich untersucht wird."

Der Premier betonte allerdings auch, dass die Sicherheitslage in der unmittelbaren Umgebung Finnlands kritisch sei. Das Land ist seit April dieses Jahres Mitglied der Nato. Russland, das auf 1.340 Kilometern Länge an Finnland grenzt, hatte den Schritt des Nachbarlandes als Bedrohung bezeichnet. "Die Erweiterung der Nato ist ein Angriff auf unsere Sicherheit und die nationalen Interessen Russlands", hieß es damals aus dem Kreml.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg steht nach dem Vorfall an der Pipeline in Kontakt mit den Regierungen Finnlands und Estlands. Er sagte, die Nato sei bereits dabei, die Sicherheit der kritischen Infrastruktur unter Wasser zu verstärken. "Wir beobachten die Situation sehr genau." EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach ebenfalls mit Orpo und der estnischen Premierministerin Kaja Kallas. Sie verurteile jede Zerstörung kritischer Infrastruktur aufs Schärfste, teilte von der Leyen über X (ehemals Twitter) mit.

Experte hält auch Beschädigung durch Schiffsanker für möglich

Was genau den Schaden an der Pipeline verursacht hat, ist jedoch auch angesichts der Erkenntnisse der norwegischen Seismologen weiter unklar. Ein Experte des Europäisches Kompetenzzentrum für die Bekämpfung Hybrider Bedrohungen (Hybrid CoE) sprach in einem Interview mit dem öffentlich-rechtlichen finnischen Sender YLE davon, dass auch ein über den Meeresboden driftender Anker solche Schäden verursachen könne. "Es wird aber schwer, das nachzuweisen", so der Fachmann.

Nach Angaben von Estlands Außenminister Margus Tsahkna gibt es Informationen darüber, welche Schiffe sich während des Vorfalls in der Umgebung der Pipeline bewegt haben. Die Liste werde jedoch noch nicht veröffentlicht, hieß es. Vermutlich, weil dieser Aspekt für die Ermittlungen relevant werden könnte.

Klar ist gegenwärtig nur eins: Ein heftiger Sturm am Wochenende oder eine Beschädigung der Gasleitung durch den Wellengang können als mögliche Ursachen ausgeschlossen werden. Eine entsprechende Wetterlage lag nicht vor.

Keine Auswirkungen auf Gasversorgung im Nordosten Europas

Die Pipeline Balticconnector, die seit 2020 auf dem Boden der Ostsee liegend Finnland und Estland verbindet, war in der Nacht zu Sonntag außer Betrieb genommen worden. Die Pipeline transportiert Gas von Finnland nach Estland. Gegen 1 Uhr finnischer Zeit (2 Uhr deutscher Zeit) hat es nach Angaben der beiden Betreibergesellschaften Elering (Estland) und Gasgrid (Finnland) einen abrupten Druckabfall gegeben. Die Gaszufuhr sei unverzüglich unterbrochen worden, teilten die Unternehmen mit.

Der Vorfall habe keine Auswirkung auf die Gasversorgung der beiden an Russland grenzenden Länder im Nordosten Europas, hieß es in verschiedenen Mitteilungen. Das bekräftigte auch Finnlands Premierminister am Dienstag in seiner Presseerklärung. (SZ/fad mit dpa)