Kretschmer ist in Moskau eingetroffen

Dresden. Die Reise war lange geplant. Ursprünglich wollte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer bereits Anfang Dezember 2020 nach Russland reisen. Doch Corona durchkreuzte auch diese Reisepläne. Nun ist es soweit. Bis Samstag will die Delegation in Moskau unterwegs sein - trotz der weiterhin anhalten Corona-Krise und der schwierigen außenpolitischen Lage im Verhältnis zu Russland.
"Es ist klar, dass auch die schwierigen Themen wie Ukraine und der Fall Nawalny zur Sprache kommen", sagt Kretschmer. Es sei nicht selbstverständlich, dass Sachsen in Russland solche Gespräche auf sehr hoher Ebene führen könne. Man habe sich über die letzten Jahre sehr intensiv um das Deutsch-Russische-Verhältnis gekümmert.
"Russland ist unser natürlicher Partner", sagte Kretschmer am Dienstagabend der Deutschen Presse- Agentur in Dresden. So, wie man sich im Westen in Richtung USA oder Frankreich orientiere, müsse es die Aufgabe Sachsens sein, sehr stark mit Polen, Tschechien und anderen osteuropäischen Ländern bis hin nach Russland Verständigung und Austausch zu pflegen.
Update, 21.04., 18.14 Uhr: Delegation ist in Moskau gelandet
Die sächsische Delegation um Ministerpräsident Kretschmer ist in Moskau eingetroffen. Unser Reporter berichtet.
Update, 20.04., 13.56 Uhr: Stadt Dresden entsendet Delegation
Während Leipzig die Teilnahme seiner Delegation bei der am Mittwoch beginnenden Russlandreise von Ministerpräsident Michael Kretschmer abgesagt hat, reisen Vertreter der Stadt Dresden unabhängig davon trotzdem nach Russland. "Unter Leitung von Oberbürgermeister Dirk Hilbert reist eine kleine Dresdner Delegation vom 21. April bis zum 24. April nach St. Petersburg", heißt es in einer Mitteilung der Stadtverwaltung.
Kretschmers Delegation wird derweil immer kleiner: So hat sich der Vorstandschef des Leipziger Gas-Versorgers VNG, Ulf Heitmüller, aus „persönlichen Gründen“ abgemeldet. Auch der Präsident der Handwerkskammer Leipzig fährt nicht mehr mit, ebenso der Präsident der deutschen Fraunhofer-Gesellschaft Reimund Neugebauer. Aus der Fraunhofer-Zentrale in München heißt es, die Absage habe nichts mit dem Infektionsgeschehen oder der Einordnung Moskaus als Risikogebiet zu tun, sondern mit sich überschneidenden Terminen, unter anderem mit der Bundespolitik.
Auch Tillmann Blaschke, Chef der Staatlichen Porzellan-Manufaktur Meissen, hat gegenüber sächsische.de erklärt, dass er die Reise aus persönlichen Gründen absagen muss und dies sehr bedauere.
Auch ein Vertreter des Leipziger Unternehmens Keytoq, spezialisiert auf Grafiken für das Fernsehen, hat nach Angaben der Staatskanzlei seine Teilnahme an der Russland-Reise abgesagt.
Der Reiseplanung zufolge werde die Gruppe an kulturellen Veranstaltungen der 18. Deutschen Woche in St. Petersburg teilnehmen und anlässlich des 60. Städtepartnerschaftsjubiläums mit der russischen Metropole örtliche Repräsentanten treffen. Unter anderem sei ein Treffen mit St. Petersburgs Gouverneur Alexander Beglow sowie Gespräche mit dem Vorsitzenden des Komitees für Außenbeziehungen Jewgenij Grigorjew geplant. Auch mit Vertretern für Themen wie Naturnutzung, Umweltschutz, ökologische Sicherheit, Verkehrsinfrastrukturentwicklung und Tourismusentwicklung sei vorgesehen.
Update, 20.04., 13.06 Uhr: Sachsens Grüne fordern "Nennen klarer Konfliktlinien"
Die sächsische Russlandreise ist in der Kenia-Koalition umstritten. Sachsens Grüne veröffentlichen am Dienstag auf Twitter eine Forderung, die sie der Delegation aus Vertretern von Politik, Wirtschaft und Kultur mit auf den Weg geben. Darin heißt es, das Handeln Russlands sorge die Fraktion ebenso wie die Bundesregierung, EU und Nato. Man müsse jedwede Art von Zusammenarbeit an Bedingungen knüpfen und "Konfliktlinien klar benennen".
Ebenfalls enthalten in dem Tweet ist ein Zitat des Grünen-Landesvorsitzenden Norman Vogler, der in einer Reise nach Russland den Auftrag verbunden sieht, dort für Menschenrechte und Frieden einzustehen.
Update, 20.04., 12.45 Uhr: Leipziger Delegation sagt Teilnahme ab
Es gibt erste Absagen für die am Mittwoch beginnende Russlandreise von Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU). Wie die "Freie Presse" unter Berufung auf Angaben der Staatskanzlei zuerst berichtet hatte, hat sowohl die Stadt Leipzig als auch die Handwerkskammer Leipzig ihre Teilnahme abgesagt. Die Leipziger Delegation gibt für ihren Rückzug von den Reiseplänen eine unsichere Infektionslage an. Moskau sei ein Risikogebiet, heißt es. Weil im Rahmen der Reise auch Veranstaltung mit Publikum geplant seien, habe man abgesagt. "Die Ansteckungsgefahr in Moskau ist real. Bei Abwägung von Aufwand und Nutzen der Reise wird unter den momentanen Bedingungen ein Missverhältnis gesehen", sagte eine Sprecherin der Stadt Leipzig auf Anfrage von Sächsische.de
So haben wir zuvor über die geplante Russlandreise berichtet
Unter anderem sind Gespräche mit russischen Regierungsvertretern wie Wirtschaftsminister Maxim Reschetnikow geplant. Ob Sachsens Regierungschef auch auf Präsident Waldimir Putin treffen wird, ist noch unklar. Dies Reiseplanung sei noch nicht abgeschlossen, heißt es aus der Dresdner Staatskanzlei.
Kretschmer hatte Putin erstmals im Juni 2019 am Rande eines Wirtschaftsforums in St. Petersburg getroffen. In der Bundes-CDU hatte die Begegnung damals Verärgerung hervorgerufen, zu frisch waren die wegen der Krim-Annexion gegen Russland verhängten Wirtschaftssanktionen.
Außerdem will Kretschmer an der Eröffnung der Ausstellung „Träume von Freiheit - Romantik in Russland und Deutschland“ teilnehmen, in der Gemälde der staatlichen Tretjakow-Galerie Moskau und der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden zu sehen sein werden. "Manche fragen sich, welche Priorität ein solches Projekt in der aktuellen Lage überhaupt haben darf, wenn alle Kräfte von Staat und Gesellschaft auf die Pandemiebekämpfung gerichtet sein müssen", sagt Kretschmer. Er verstehe solche Einwände. "Aber ich habe keinen Zweifel, dass wir gemeinsame Projekte gerade jetzt brauchen."
Mit auf die Reise gehen auch der Staatsminister für Regionalentwicklung Thomas Schmidt, Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow sowie der Landtagsabgeordnete Jörg Kiesewetter (alle CDU).
Delegationsreise unter schwierigen Bedingungen
Allerdings könnten der Zeitpunkt der Reise und die aktuelle diplomatische Großwetterlage kaum ungünstiger sein. Sachsens Nachbarland Tschechien hatte erst am Wochenende 18 Angestellte der russischen Botschaft in Prag ausgewiesen, weil Russland an der Explosion eines Munitionslagers beteiligt gewesen sein soll. Von Staatsterrorismus ist in Prag die Rede. Die Ausgewiesenen sollen Agenten russischer Geheimdienste sein.
Überdies erreicht der russisch-ukrainische Konflikt derzeit immer höhere Eskalationsstufen. Russland hat seine Truppenpräsenz an der ukrainischen Ostgrenze und rund um die Krim massiv verstärkt.
Trotz der Probleme hält Ministerpräsident Kretschmer an der Reise fest: "Besonders in schwierigen Zeiten muss man im Dialog bleiben. Gespräche abzubrechen, führt nicht automatisch zu Lösungen."

Und dann ist da noch der Fall des schärfsten Kreml-Kritikers Alexej Nawalny, der derzeit in einem russischen Straflager von Freiheit träumt. Der Oppositionelle war im Dezember auf den Spuren des ehemaligen KGB-Agenten Wladimir Putin nach Dresden gekommen. Sofort nach seiner Rückkehr nach Russland wurde er verhaftet.
Seit Ende März befindet sich Nawalny im Hungerstreik, weil ihm die Gefängnisbehörde Zugang zu unabhängigen Ärzten verweigern soll. Am Wochenende hieß es, Nawalny drohe ein Herzstillstand. Inzwischen soll er in ein Gefängnis-Krankenhaus verlegt worden sein. Die USA drohen im Fall seines Todes mit Konsequenzen für Russland.
Ministerpräsident Kretschmer sagt, im Rahmen freundschaftlicher Beziehungen, wie sie Sachsen zu Russland pflege, könnten und müssten auch schwierige Themen besprochen werden. "Dazu zählt unter anderem der Umgang mit Alexej Nawalny", so Kretschmer. Er werde in Moskau auch das Gespräch mit Menschen suchen, die der russischen Regierung kritisch gegenüberstehen. "Zugleich sollten wir darauf achten, dass wir die Wege nach Russland nicht nur an den Außenseiten unseres politischen Spektrums offenhalten."
AfD-Rechtsaußen-Mann Urban fährt mit nach Moskau
Doch es sind nicht nur die schwierige außenpolitischen Umstände, die die sächsische Delegation begleiten. Innenpolitisch könnte der Moskau-Reisende Kretschmer ausgerechnet in dieser Woche wichtige Entscheidungen verpassen wie die Kanzlerkandidatur der Unionsparteien und zur Corona-Notbremse der Bundesregierung.
Auch zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes hatte Sachsens Ministerpräsident im Vorfeld „erheblichen Gesprächsbedarf“ angemeldet und Änderungen verlangt.
Mit AfD-Fraktionschef Jörg Urban ist ausgerechnet ein Politiker in Kretschmers Delegation dabei, der der CDU-geführten Bundesregierung vorwirft, Russland mit Sanktionen „politisch umzuerziehen“. Regelmäßig ergreift Urban Partei für den Kreml, wenn es um Mordversuche an russischen Oppositionellen oder eigenen Ex-Agenten mit dem aus Sowjetzeiten stammenden Nervengift Nowitschok geht.

Die völkerrechtswidrige Annexion der ukrainischen Krim durch Moskau verteidigte der AfD-Politiker in einer Landtagsrede im Oktober 2020 damit, dass eine übergroße Mehrheit der Krim-Bewohner die Rückkehr zur Russischen Föderation begrüßt habe.
Dass Kretschmer den AfD-Rechtsaußen-Mann mit im Delegationstross hat, für den sich auch schon der Verfassungsschutz interessierte, entspricht den parlamentarischen Gepflogenheiten, wonach abwechselnd Abgeordnete der Landtagsfraktionen mitreisen können. Aber ausgerechnet Moskau? Eine heikle Mission mit manchen Stolperfallen.