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Sahra Wagenknecht, eine Bank in Sachsen und deren seltsame Kunden

Das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ wirbt um Spenden, das Geld geht auf ein Konto in Pirna. Die Bank hat ungewöhnliche Kunden – darunter russische Staatsmedien.

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Sahra Wagenknecht bei einem Auftritt in Riesa.
Sahra Wagenknecht bei einem Auftritt in Riesa. © Sebastian Schultz

Von Claudia von Salzen und Christoph M. Kluge

Sahra Wagenknecht braucht Geld. Ihr gerade gegründeter Verein „Bündnis Sahra Wagenknecht – Für Vernunft und Gerechtigkeit“ (BSW) wirbt auf seiner Webseite eindringlich um Spenden. Mit dem Geld soll im kommenden Jahr die Gründung einer neuen Partei möglich gemacht werden.

Tatsächlich scheint das Spendensammeln der Hauptzweck des Vereins zu sein. Mitglieder von außen nimmt er derzeit nicht auf. Wer Wagenknecht und den Verein unterstützen wolle, könne dies „am allerbesten durch eine Spende“ tun, so die Eigenwerbung.

Das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ erhalte derzeit „viele kleine Spenden“, lässt die ehemalige Linken-Politikerin im Namen des Vereins mitteilen. Wie viel Geld bisher zusammengekommen ist, sagt sie nicht. Man werde den genauen Betrag dem Rechenschaftsbericht des Vereins entnehmen können, sobald dieser veröffentlicht sei.

Doch wohin genau geht dieses Geld? Die Spenden sollen auf ein Konto des Vereins bei der Volksbank Pirna überwiesen werden.

Das „Bündnis Sahra Wagenknecht“

Der Verein „Bündnis Sahra Wagenknecht – Für Vernunft und Gerechtigkeit“ soll die Gründung einer neuen Partei im kommenden Jahr vorbereiten. Im Oktober verkündeten Wagenknecht und mehrere weitere Bundestagsabgeordnete ihren Austritt aus der Linken und stellten das neue Führungsteam des Vereins vor. Die bisherige Linken-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali wurde als Vorsitzende benannt, auch Wagenknecht selbst gehört dem Vorstand an. Allerdings ist der neue Vorstand bisher offenbar nicht offiziell im Vereinsregister eingetragen.

Pirna hat knapp 40.000 Einwohner und ist vor allem beliebt für den Tourismus. Als Bankenmetropole ist Pirna dagegen nicht bekannt.

Das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ hat seinen Sitz am anderen Ende der Republik, in Karlsruhe. Auch die designierten Vorstandsmitglieder leben offenbar nicht in Sachsen, der künftige Schatzmeister Ralph Suikat beispielsweise ist ein Unternehmer aus Karlsruhe.

Nach Tagesspiegel-Recherchen hat die Volksbank Pirna noch weitere ungewöhnliche Kunden, die keinen erkennbaren Bezug zu der sächsischen Kleinstadt haben.

Russisches Staatsmedium Ruptly hat ein Konto in Pirna

Die Videoagentur Ruptly, die zum Netzwerk des russischen Propagandamediums RT gehört und deren Zentrale in Berlin ist, nutzt ebenfalls ein Konto bei dieser Bank. Das geht aus dem Kontoauszug einer Person hervor, die in diesem Jahr Geld von Ruptly erhalten hat. Der Auszug liegt dem Tagesspiegel vor.

Ruptly ist im Besitz des russischen Medienunternehmens TV-Novosti, das seit Dezember 2022 auf der Sanktionsliste der EU steht. Sanktionierte Unternehmen und Personen dürfen in der EU keine Geschäfte machen, ihre Gelder werden eingefroren. Im Fall Ruptly ist das offenbar bisher nicht passiert.

Neben der Videoagentur soll auch der Propagandasender RT DE, der seinen Betrieb in Deutschland mittlerweile offiziell eingestellt hat, ein Konto bei der Volksbank Pirna gehabt haben, wie das „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ berichtete.

Chef der Bank lehnt Russland-Sanktionen ab

Der Chef der Volksbank Pirna sieht die Russland-Sanktionen kritisch, die nach dem russischen Angriff auf die gesamte Ukraine 2022 verhängt worden waren. Die Bundesregierung stelle ideologische Vorstellungen über die Vernunft und über deutsche Interessen, sagte der Vorstandsvorsitzende Hauke Haensel im September 2022 auf der Vertreterversammlung seiner Bank. Die Aufkündigung der Energiepartnerschaft mit Russland sei „kein Beleg einer höheren Moral, sondern sträfliche Dummheit“.

Haensel, der bereits seit mehr als zwei Jahrzehnten an der Spitze der Volksbank Pirna steht und zwischenzeitlich Präsident von Dynamo Dresden war, pflegt nach eigenen Angaben intensive Kontakte nach Russland.

Er bemühe sich seit Jahren darum, diese Kontakte zu erhalten und aufzubauen, schrieb er im November 2021 in einem Beitrag für Sächsische.de. Die deutsche Sicht auf den Osten Europas sei oft „eine sehr westdeutsche, die vorwiegend amerikafreundlich und antirussisch geprägt ist“.

Auch Wagenknecht und ihre engsten Unterstützer lehnen die wegen des Ukraine-Krieges verhängten Sanktionen vehement ab und befürworten eine Annäherung an Russland. Immer wieder spricht sich die Ex-Linkenpolitikerin gegen deutsche Waffenlieferungen an die Ukraine und für Verhandlungen mit Moskau aus. Zuletzt trat sie am Samstag auf einer Kundgebung in Berlin auf.

Unklar ist, ob Volksbank-Chef Haensel die ehemalige Linken-Politikerin persönlich kennt. Sowohl Wagenknecht als auch der Bank-Chef antworteten auf eine entsprechende Frage des Tagesspiegels nicht.

Im Januar 2014 könnte Haensel der damaligen Linken-Politikerin im Café Moskau in Berlin begegnet sein. Dort feierte die Linken-Bundestagsfraktion, deren Vize-Chefin Wagenknecht damals war, ihren Neujahrsempfang, Haensel war Gast auf diesem Fest.

Glückwünsche an die linksextreme MLPD

Sollten Wagenknecht und ihre Anhänger auch nach der Parteigründung ihrer Bank treu bleiben, wäre dies nicht die erste Partei mit bundesweiten Ambitionen, die dort Kundin ist. Ein Konto bei der Volksbank Pirna besitzt auch die linksextreme Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD).

Die Splitterpartei hat ihren Sitz in Gelsenkirchen. Als die MLPD im vergangenen Jahr ihr 40-jähriges Bestehen feierte, schickte Jens Köhler, Vorstandsmitglied der Volksbank Pirna, ein Glückwunsch-Schreiben an die Parteizentrale in Nordrhein-Westfalen, wie das Blog „Ruhrbarone“ berichtete. Eine Frage des Tagesspiegels an die Bank zu diesem Brief blieb unbeantwortet.

Firma aus dem Umfeld von Ken Jebsen ist auch bei der Bank

Auf das Geldinstitut in der sächsischen Kleinstadt vertraut offenbar auch ein Unternehmen, das mit dem Verschwörungsideologen Ken Jebsen in Verbindung gebracht wird. Im Sommer 2021 übernahm die Firma Apolut die Nachfolge von Jebsens Plattform KenFM, nachdem diese wegen der Verbreitung von Desinformation und Verschwörungsmythen unter Druck geraten war.

Apolut machte da weiter, wo KenFM aufgehört hatte. Auf der Plattform wurde beispielsweise der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine verharmlost.

Jebsen selbst sei bei Apolut „Berater“ im Hintergrund, hieß es damals. Zugleich rief KenFM zu Spenden für Apolut auf, das Geld sollte auf ein Konto bei der Volksbank Pirna fließen. Einige Monate war Jebsen selbst Eigentümer von Apolut. Die Firma hat ihren Sitz in Berlin, auch in diesem Fall ist kein Bezug nach Pirna ersichtlich.

Apolut gehört heute einer GmbH, deren Zweck das Gründen und Verwalten von Unternehmen ist. Diese Verwaltungsgesellschaft hat in Berlin eine Firma gegründet, die später verkauft wurde und heute Lensum heißt.

Nach Tagesspiegel-Recherchen gibt es Hinweise darauf, dass Lensum enge Verbindungen zum russischen Staatsmedium Ruptly hat. Wozu diese Verbindungen dienen, ist offen. Es besteht allerdings der Verdacht, dass Lensum als eine Art Tarnfirma dienen könnte, da Ruptlys Eigentümer die Folgen der Sanktionen fürchten müssen. Zwischen zwei der ungewöhnlichen Bankkunden, Apolut und Ruptly, gibt es also einen weiteren Berührungspunkt.

Was haben nun Wagenknechts Verein, russische Staatsmedien, eine linksextreme Splitterpartei und eine Firma aus dem Umfeld eines Verschwörungsideologen gemeinsam?

Wagenknecht lässt Fragen zur Bank unbeantwortet

Wie kamen sie alle auf die Idee, sich ausgerechnet eine Bank in einer sächsischen Kleinstadt zu suchen? Wagenknecht ließ entsprechende Fragen des Tagesspiegels unbeantwortet. Im Namen des Vereins betonte sie lediglich, die Strukturen seien „dezentral organisiert, weswegen nicht alles an einem Ort gebündelt ist“.

Der Tagesspiegel hat auch den Bankchef Haensel gefragt, was sein Geldinstitut für solche Kunden so attraktiv macht, dass sie es einer Bank in ihrer Nähe vorziehen. Bietet es ihnen vielleicht etwas, das andere Banken nicht anbieten? Auch auf diese Fragen kam aus Pirna keine Antwort. (tsp)