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SPD fordert Abschiebestopp für Familien

Das Thema Abschiebungen sorgt in Sachsens Regierungskoalition weiter für Streit. Jetzt stellt die SPD Forderungen - und will umsteuern.

Von Andrea Schawe
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Der SPD-Abgeordnete Albrecht Pallas kritisiert Sachsens Abschiebepraxis - und bezieht sich auf den Fall der Familie Imerlishvili aus Pirna.
Der SPD-Abgeordnete Albrecht Pallas kritisiert Sachsens Abschiebepraxis - und bezieht sich auf den Fall der Familie Imerlishvili aus Pirna. © Klemenz; Juppe

Dresden. Die Abschiebungen von Familien aus Sachsen nach Georgien bleiben für Sachsens Koalition ein heikles Thema. Die SPD-Fraktion im sächsischen Landtag hat sich am Montag für eine andere Praxis bei der Abschiebung abgelehnter Asylbewerber ausgesprochen. Dazu legte die Fraktion ein Positionspapier vor. Das Innenministerium und die zuständigen Behörden werden darin aufgefordert, ein Sofortprogramm zum Schutz von gut integrierten Familien umzusetzen. Außerdem will die SPD Abschiebungen von Familien vorübergehend aussetzen.

„In den vergangenen Monaten haben sich in Sachsen inhumane Vorfälle gehäuft, bei denen vor allem gut integrierte Familien mit Kindern betroffen waren. Eine Abschiebung von minderjährigen Kindern mitten in der Nacht steht im absoluten Widerspruch zu unserer Koalitionsvereinbarung“, sagte Innenpolitiker Albrecht Pallas. Diese Praxis sei für die SPD-Fraktion nicht länger haltbar.

Auch die Grünen haben die sächsische Abschiebepraxis mehrfach kritisiert. „Sachsen wird hier seiner humanitären Verantwortung nicht gerecht“, sagte Umweltminister und Vize-Ministerpräsident Wolfram Günther. Die Grünen setzen sich für eine Reform des Bleiberechts ein. Wer einen Job hat, soll eine echte Bleibeperspektive bekommen, auch Familien, deren Kinder hier geboren werden, aufwachsen und integriert sind, sollen bleiben dürfen.

„Die Forderung, Sachsen solle Abschiebungen für eine gewisse Zeit grundsätzlich aussetzen, würde gegen geltendes Bundesrecht verstoßen“, sagte CDU-Innenpolitiker Rico Anton. „Mit uns als Koalitionspartner ist das nicht zu machen!“ Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, Grünen und SPD sei vereinbart, dass Flüchtlinge und Asylbewerber, bei denen die rechtsstaatlichen Verfahren ergeben haben, dass sie nicht bleiben können, das Land verlassen müssen. „Wer nicht freiwillig geht, muss letztlich abgeschoben werden. Dies ist geltendes Recht und für die CDU-Fraktion nicht verhandelbar“, so Anton.

Schlagzeilen aus Pirna

Auslöser für den Streit war die Abschiebung der georgischen Familie Imerlishvili mit sieben Kindern aus Pirna, die Anfang Juni nach Tiflis ausgeflogen worden ist. Acht Jahre lang hatten die Imerlishvilis in Pirna gelebt, fünf ihrer sieben Kinder in Deutschland bekommen. Die älteste Tochter besuchte seit diesem Schuljahr das Gymnasium, das jüngste Kind wurde eine Woche nach der Abschiebung drei Jahre alt. Die Polizei hatte die Familie nachts wach geklingelt und der Mutter eine Stunde zum Packen eingeräumt. Diese Abschiebepraxis Sachsens wird viel kritisiert. Nicht alle Bundesländer praktizieren nächtliche Abschiebungen, vor allem dann nicht, wenn Kinder im Spiel sind. In Meißen gab es einen ähnlichen Fall, auch in Radebeul wurde eine georgische Familie in der Nacht abgeschoben.

Die SPD-Fraktion fordert nun in ihrem Positionspapier, dass im Fall der Imerlishvilis die Familie legal wieder einreisen darf und hier das laufende Verfahren auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis beziehungsweise das Härtefallverfahren durchgeführt werden kann. „Bis zur Klärung der Vorfälle um die Abschiebung der Pirnaer Familie müsse es einen Abschiebestopp für Familien geben.“

Außerdem soll das Innenministerium seine Handlungsweise überarbeiten. Es soll unter anderem geregelt werden, dass Familien mit minderjährigen Kindern nicht mehr zwischen 20 und 6 Uhr abgeschoben werden und das Jugendamt beteiligt wird. Das Innenministerium solle außerdem die Ausländerbehörden anweisen, dass bis zum Abschluss von Duldungsverfahren gut integrierte Asylsuchende oder Menschen in Ausbildung beziehungsweise mit einem Job nicht abgeschoben werden.

Zudem soll das Härtefallverfahren humaner werden. Nach dem Willen der SPD sollen mehr Menschen die Möglichkeit haben, ihren Fall von der Kommission prüfen zu lassen. Die Entscheidungen sollen dann so verbindlich wie möglich sein. Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) hat Positiv-Entscheidungen der Kommission schon mehrfach widersprochen. In Zukunft soll das Ministerium die Mitglieder anhören sowie ausführlich und schriftlich begründen müssen, wenn es beabsichtigt, gegen das Votum der Kommission zu entscheiden.

Die CDU nennt das Papier „inakzeptabel“. Über eine Reform der Härtefallkommission werde innerhalb der Koalition schon längst beraten, die Novellierung des Leitfadens für Rückführungen sei schon in Arbeit, so Anton. „Das zeigt, es geht hier nicht um die Sache, sondern um Wählerstimmen.“