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Wird Wagenknecht zum Machtfaktor in Sachsen?

Sahra Wagenknechts noch junge Partei BSW schneidet in einer Umfrage für Sachsen zweistellig ab. Die Chefin selbst lobt Regierungschef Michael Kretschmer - und bringt eine Koalition ins Gespräch.

Von Thilo Alexe
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Sahra Wagenknecht flirtet mit der Sachsen-CDU mit Michael Kretschmer.
Sahra Wagenknecht flirtet mit der Sachsen-CDU mit Michael Kretschmer. ©  dpa/Kay Nietfeld, Robert Michael

Sie hat es wieder getan: Zum Wochenende bekräftigte Parteigründerin Sahra Wagenknecht ihr Lob für Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer. Der CDU-Politiker „gehört tatsächlich zu den wenigen, die unsere Position unterstützen, dass die Energiepreise sinken müssen und wir eine Außenwirtschaftspolitik benötigen, die unseren Interessen dient“.

In dem Gespräch mit der Rheinischen Post zeigte sich die Parteichefin sogar bereit für ein Bündnis mit der CDU: „Wenn wir stark genug werden, um mit anderen gemeinsam eine neue Politik zu gestalten, werden wir in eine Koalition eintreten.“ Zumindest eine aktuelle Umfrage legt nahe, dass der Flirt Folgen haben könnte. Erstmals schneidet in einer Erhebung Wagenknechts Partei BSW in Sachsen zweistellig ab.

Wie schneiden die Parteien bei der Sonntagsfrage ab?

Stärkste Kraft wird in der Erhebung des Instituts Insa im Auftrag von Bild die AfD (34 Prozent), vor der CDU (30 Prozent). Das BSW kommt mit elf Prozent auf den dritten Rang, deutlich vor SPD (6), Grünen und Linken (je 5). Andere Parteien bleiben in der Umfrage unter der Fünf-Prozent-Marke. In früheren Erhebungen kam das BSW auf vier beziehungsweise acht Prozent.

Welche Koalitionsmöglichkeit ergibt sich aus der Umfrage?

Die wohl wahrscheinlichste: eine mit der neuen Partei. CDU, BSW und SPD kämen zusammen auf 47 Prozent der Stimmen. Das könnte für eine Mehrheit reichen. Prozentwerte spiegeln nicht exakt die Sitzverteilung. Die jetzige Koalition aus CDU, Grünen und SPD hat zwar die Mehrheit der Sitze in Sachsens Landtag, kommt aber „nur“ auf 48,4 Prozent der Zweitstimmen. In Thüringen genügte der CDU im Jahr 2004 sogar ein Ergebnis von 43 Prozent für die absolute Sitzmehrheit. Damals schafften es außer den Christdemokraten nur SPD und PDS (heute Linke) in den Landtag in Erfurt.

Welche Bündnismöglichkeiten gäbe es außerdem?

Interessant ist, was nicht mehr ginge: die Koalition aus CDU, Grünen und SPD. Sie käme auf 41 Prozent, vermutlich zu wenig für eine Sitzmehrheit. Eine klare Mehrheit hätten CDU und AfD. Doch ein Bündnis mit der in Sachsen als rechtsextrem eingestuften Partei schließt Kretschmer kategorisch aus. AfD und BSW kämen auf 45 Prozent, auch das könnte reichen. Die Wahrscheinlichkeit ist aber gering.

Welche Reaktionen kommen aus den Parteien?

Ein knappes halbes Jahr vor der Wahl im September will sich niemand auf Bündnisse festlegen. So sagt CDU-Generalsekretär Alexander Dierks: „Wir arbeiten jeden Tag hart für eine gute Entwicklung des Freistaats und dafür, dass Michael Kretschmer seine erfolgreiche Arbeit als Ministerpräsident fortsetzen kann.“ Die CDU wolle bei der Wahl „deutlich stärkste Kraft werden und eine Regierung aus der bürgerlichen Mitte bilden“. Für Sachsens BSW-Chefin Sabine Zimmermann zeigt die Umfrage, dass die Bürgerinnen und Bürger Veränderungen wollen. „Wir kämpfen erstmal für ein gutes Wahlergebnis des BSW“, betont die Landesvorsitzende und sagt, die Partei gehe nur in eine Koalition, mit der sich „spürbar etwas verändert“.

Wie sind die Ergebnisse einzuordnen?

Gewinner ist das BSW mit seiner Mischung aus eher rechter Gesellschafts- und linker Sozialpolitik. Die Forderungen nach mehr diplomatischen Initiativen im Ukraine-Krieg, Begrenzung von Zuwanderung sowie das Nein zu Privatisierungen im Bereich Pflege und Krankenhäuser stoßen in Sachsen auf Zustimmung. Bei neuen Parteien mit raschem Wachstum kommen die potenziellen Wähler meist aus vielen Richtungen. Einen deutlichen Verlust weist die Umfrage aber für die Linke aus. Die lag im vergangenen August – also vor der BSW-Gründung – noch bei neun Prozent.

Was heißt das für die anderen Parteien?

AfD und CDU sind in Sachsen stabil. Die Großdemonstration nach den Correctivrecherchen haben – anders als im Bund – keinen Einfluss auf die Zustimmung zur AfD im Freistaat. Der Streit in der Keniakoalition etwa um Cannabis und Agrarpolitik schwächt die CDU nicht. Verluste im Vergleich zu früheren Erhebungen verzeichnen Grüne und SPD. Die Strategie von Regierungschef Kretschmer, Stimmungen in der Bevölkerung aufzugreifen, auch wenn die Folgen Vereinbarungen mit Grünen und SPD im Koalitionsvertrag entgegenstehen, scheint aufzugehen. Seit Januar liegt die CDU bei 30 Prozent.