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So könnte die Unterbringung von Flüchtlingen in Sachsen gelingen

Die Städte und Landkreise in Sachsen haben bald nicht mehr genügend Wohnraum für Flüchtlinge. Ein Modellprojekt soll Abhilfe schaffen.

Von Karin Schlottmann
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Landrat Dirk Neubauer (parteilos) will bei der Suche nach Unterkünften nicht mehr abhängig sein von privaten Anbietern.
Landrat Dirk Neubauer (parteilos) will bei der Suche nach Unterkünften nicht mehr abhängig sein von privaten Anbietern. © Tilman Schröter/TSP

Die Kommunen in Sachsen können nach eigenen Angaben Flüchtlingen bald keine freien Unterkünfte mehr anbieten. Die Grenzen der Aufnahmefähigkeit seien erreicht, warnen Landkreise seit Wochen. Als einer der ersten Kommunalpolitiker will Dirk Neubauer, Landrat in Mittelsachsen, deshalb für seine Region neue Gebäude für etwa 100 Menschen errichten. Die finanziellen Forderungen der privaten Anbieter von Immobilien nähmen absurde Züge an, sagte Neubauer im SZ-Gespräch. Sie würden die Notlage der Kommunen kennen und auch für teils ungeeignete Unterkünfte hohe Beträge verlangen. „Da zittert einem die Hand, wenn man den Vertrag unterschreiben muss.“

Neubauer plant nach dem Vorbild des baden-württembergischen Landkreises Calw Gebäude auf eigenen Liegenschaften, die er ohne großen Aufwand in Sozialwohnungen umwandeln könnte, wenn es die Lage später einmal erlaube. Das Projekt soll ein Tochterunternehmen des Landkreises übernehmen. Derzeit werde geprüft, welche Grundstücke dafür infrage kommen können. Er rechne damit, dass nach der Genehmigung die Bauzeit etwa 16 bis 18 Monate dauern werde. „Die Migration wird bleiben, wir müssen einfach mal anfangen, uns langfristig darauf einzustellen.“Vom Neubau von Wohngebäuden verspricht sich der Landrat auch eine faire Verteilung in seinem Landkreis. Gegenwärtig sei die Unterbringung vom Zufall abhängig. Dort, wo es freie und geeignete Plätze gebe, würden die Menschen untergebracht. Die Folge sei, dass einige Städte deutlich stärker belastet seien als andere. „Da müssen wir gegensteuern“.

Die 500 Plätze, die auf diese Weise entstehen, bildeten die Grundstruktur für die Versorgung der Flüchtlinge, sagte Neubauer. Die Grenze von 100 Bewohnern pro Wohngebäude soll nicht überschritten werden. Eine dezentrale Unterbringung sei eigentlich die bevorzugte, aber mangels Personal für die Betreuung nicht immer realisierbare Lösung. Dennoch will Neubauer weiterhin Wohnungen für die dezentrale Versorgung suchen. Die Wohnungsgesellschaften des Landkreises sind für den 1. März zu einem Treffen eingeladen worden.

Zu hohe Standards für Deutschkurs-Anbieter

Innenminister Armin Schuster (CDU) hatte sich in einem SZ-Interview grundsätzlich aufgeschlossen gezeigt für die Idee, mit flexibel ausbaufähigen Unterkünften auf die derzeitige Lage zu reagieren. Derzeit werde geprüft, ob der Vorschlag rentabel ist. Leerstand dürfe sich das Land nicht leisten. Aber der ständige Auf- und wieder Abbau von Unterkünften koste ebenfalls viel Geld.

Die Finanzierung der Neubauten im Landkreis Mittelsachsen soll zunächst über eine eigene Tochterfirma finanziert werden. Die Landesregierung kommt bisher für die Investitionskosten nicht auf. Sie übernimmt aber zu 90 Prozent die Unterbringungskosten.

Neubauer will darüber hinaus ein eigenes Integrationsprogramm initiieren, in dem so schnell wie möglich Sprachunterricht und berufliche Eignungstests angeboten werden sollen. Die Erfahrung zeige, dass eine Orientierung der Flüchtlinge in Handwerksberufe am sinnvollsten sei. Das Handwerk leide am meisten unter dem Arbeitskräftemangel und sei deshalb am ehesten bereit, sich der Aufgabe zu stellen. Neubauer kritisierte zudem die hohen Standards bei Deutschkursen für Flüchtlinge. Es gebe nicht genügend Anbieter, die die Bedingungen des Sozialministeriums erfüllen könnten. „Wir müssen da flexibler sein und einfach mal pragmatische Wege gehen“, forderte der parteilose Landrat.

Die Zusage des Bundesinnenministeriums, den Kommunen mit bundeseigenen Liegenschaften aus der Bredouille zu helfen, hat in Sachsen bisher wenig gebracht. Am 16. Februar will die Bundesregierung erneut Vertreter der kommunalen Spitzenverbände und der Innenministerkonferenz zu einem Flüchtlingsgipfel nach Berlin einladen. Der Präsident des Landkreistages, Reinhard Sager, mahnte: „Es fehlt an Wohnungen, an Kitaplätzen, an Lehrern für Schulen und Sprachkurse. Auch deshalb vergrößern sich die gesellschaftlichen Spannungen.“