Update Döbeln
Merken

Polizei stoppt Kälber-Transport bei Mittweida

Zu jung und unterversorgt: Der Zustand der Kälber auf dem Transporter war unzumutbar. Gegen die Verantwortlichen wird nun ermittelt.

Von Maria Fricke
 6 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
An einer Sammelstelle im Landkreis sind die Tiere entladen worden. Einige der Kälber sind zunächst dort geblieben.
An einer Sammelstelle im Landkreis sind die Tiere entladen worden. Einige der Kälber sind zunächst dort geblieben. © PD Chemnitz

Mittweida. Noch nicht einmal 14 Tage alt und nicht bereit, an einer Tränke zu trinken - in diesem Zustand sind auf der S200 bei Mittweida am Montagabend gegen 20 Uhr Kälber in einem Tiertransporter entdeckt worden. 

Der Laster mit Anhänger war den Beamten der Verkehrspolizeiinspektion Chemnitz aufgefallen. Abseits der Chemnitzer Straße wurde das Gespann von den Polizisten einer Kontrolle unterzogen. Und damit der Fahrt ein Ende gesetzt. Denn der Zustand der Tiere war unzumutbar. 

Anlass zur weiteren Kontrolle des Transporters gab bereits die Angabe des Fahrers, dass er seine 169 Kälber von Ostsachsen nach Nordrhein-Westfalen bringen wollte. Aus der Streckenangabe wurde deutlich, dass die maximal zulässige Transportzeit der Tiere nicht eingehalten werden konnte, so Andrzej Rydzik, stellvertretender Sprecher der Polizeidirektion (PD) Chemnitz.

Tränken für Kälber ungeeignet

Beim Öffnen des Transporters wurde zudem festgestellt, dass die Tränken, die auf diesem für die Tiere angebracht gewesen sind, völlig ungeeignet waren. "Denn die Mehrzahl der Kälber war noch nicht von ihren Muttertieren entwöhnt und konnte die Tränken somit auch nicht nutzen", erklärte Rydzik. Bei der Kontrolle der Tierpässe stellten die Beamten zudem fest, dass einige der Tiere noch gar nicht hätten transportiert werden dürfen. Sie waren mit unter 14 Tagen einfach noch zu jung. 

Doch damit nicht genug. Auch die Zustände in dem Transporter waren für die Tiere eine Zumutung. So hatten sie auf der obersten Ladefläche des LKW kaum Platz. "Die Widerristhöhe der Kälber war nicht beachtet worden. Zwischen dem Rücken der Tiere und der Laderaumdecke war kaum Platz, sodass die Kälber mit dem Rücken anstießen sowie der Luftaustausch für sie nicht gewährleistet war", beschreibt Rydzik den Zustand.

Im oberen Bereich des Lasters war zu wenig Platz für die Tiere.
Im oberen Bereich des Lasters war zu wenig Platz für die Tiere. © PD Chemnitz

Kälber in Sammelstelle gebracht

Der 49-jährige Fahrer musste nach der Kontrolle seine Fahrt beenden. In Begleitung der Polizei brachte er die Kälber stattdessen zu einer Sammelstelle im Landkreis Mittelsachsen. Dabei handele es sich um einen Agrarbetrieb, der Ställe für solche Fälle vorhalte, erklärte Rydzik. Wo genau jener Betrieb seinen Sitz hat, dazu machte der stellvertretende Polizeisprecher keine weiteren Angaben. 

An der Sammelstelle wurden im Beisein der Beamten sowie des Amtstierarztes alle Tiere entladen. Dabei sei aufgefallen, dass viele der fast 170 Tiere bereits dehydriert waren. "Sowohl der Amtsveterinär als auch die Kontrolleure gehen davon aus, dass die Kälber nicht erst seit Beginn des Transports in Ostsachsen bis zur Kontrollstelle an der S 200 unterversorgt waren, sondern womöglich länger nicht getränkt worden waren", informierte Rydzik. 

Mit einer umgehend verabreichten Elektrolytlösung ist den Tieren zunächst geholfen worden. Bis Dienstag sind sie in der Sammelstelle geblieben. Ein Teil der Tiere konnte am Dienstag in dem LKW-Gespann weiter transportiert werden. "Die kleinsten und unter 14 Tage alten Tiere verblieben in der Sammelstelle und werden dort bis auf weiteres versorgt", so Rydzik. Wie viele Tiere dies betrifft, dazu konnte er am Mittwoch noch keine Angaben machen. 

Ermittlungen werden dauern

Die Polizei hat nun die Ermittlungen gegen den Fahrer, aber auch gegen den Organisator des Transportes sowie die Verantwortlichen der Transportfirma aufgenommen. Vorgeworfen wird den Beteiligten, gegen Bestimmungen des Tierschutzgesetzes, der Tierschutztransportverordnung sowie der Viehverkehrsverordnung verstoßen zu haben.  Der stellvertretende Sprecher der PD Chemnitz geht davon aus, dass die Ermittlungen, die in Abstimmung mit dem Veterinäramt des Landkreises geführt werden, einige Zeit in Anspruch nehmen werden. 

Erst in der vergangenen Woche hatten die Chemnitzer Beamten bei einer zweitägig angelegten Kontrolle in Lichtenau mehrere Tiertransporter aus dem Verkehr gezogen. In zwei Fällen hatten die Fahrer 1.100 Hühner zu viel geladen. Zudem hatten die Tiere in den Boxen zu wenig Platz. Auf einem Fahrzeug waren 30 Schweine zuviel gefunden worden. Bei einem weiteren Transporter waren es rund 180 Ferkel beziehungsweise sechs Tonnen Gewicht über dem Erlaubten. Insgesamt 17 Ordnungswidrigkeiten wegen Verstößen gegen die Tierschutztransport- und die Viehverkehrsverordnung wurden bei der Kontrolle festgestellt.

Landwirt begrüßt Kontrollen

Für Torsten Krawczyk, Landwirt aus Westewitz und Vorsitzender des Sächsisches Landesbauernverbandes, ist es schlimm, dass es in der Branche derlei schwarze Schafe gibt. „Die gesetzlichen Vorgaben für Transporte sind nachvollziehbar und einzuhalten. Wir versuchen, als Landwirte im Stall alles richtig zu machen. Wenn dann in der nächsten Stufe so etwas passiert, ist das nicht in Ordnung.“ 

Die Landwirte selbst seien oft nicht direkt für den Transport verantwortlich. Dieser würde meist von den Händlern organisiert. Oft sei es so, dass Tiere von mehreren Betrieben zusammengesammelt und dann gemeinsam transportiert werden. „Aber wenn ein Landwirt solche Zustände beim Aufladen sieht, wird er in der Regel was sagen“, ist sich Krawczyk sicher. Schließlich hingen die meisten an ihren Produkten.

Der Vorsitzende des Landesbauernverbandes findet es richtig, dass die Polizei die Transporte kontrolliert. Er hofft, dass durch das Aufdecken von Missständen generell ein neues Bewusstsein für die Lebensmittelbranche entwickelt wird. „Es ist eine Chance, an dem kranken System etwas zu ändern. Es ist Transparenz in den Wertschöpfungsketten notwendig“, betont der Westewitzer.

Letzter Nicht-EU-Transport 2019

Die Kontrolle von Tiertransporten ist ein Schwerpunktthema des Veterinäramtes Mittelsachsen. „Auch wenn es hier wiederholt zu medienwirksamen Vorfällen kam, haben diese Kontrollen insgesamt zu einer Verbesserung der Transportbedingungen für Tiere im Landkreis geführt“, zog das Landratsamt Ende 2019 Bilanz. Die Zahl und die Schwere der Beanstandungen hätten weiter abgenommen. Diese Aussage sei auch Mitte 2020 noch aktuell. „Aber wir müssen das gesamte Jahr abwarten“, meinte Kreissprecher André Kaiser. 

Die Kontrollen hätten gezeigt, dass solche auch weiterhin notwendig seien. Die Tierärzte aus Mittelsachsen würden auch von anderen Veterinärämtern Sachsens beratend hinzugezogen und in die Ausbildung von Tiertransporteuren mit einbezogen.

Um die Situation für die Tiere zu verbessern, sind in Sachsen zukünftig Tiertransporte in Nicht-EU-Länder erschwert worden. Dazu ist am Dienstag ein entsprechender Erlass vom Sächsischen Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt veröffentlicht worden. 

Aus dem Landkreis Mittelsachsen fand nach Angaben von André Kaiser ein solcher Transport zuletzt im Januar 2019 statt. Seitdem habe es vereinzelt diesbezüglich Anfragen gegeben, diese wurden jedoch nicht positiv beantwortet. „Es muss unter anderem nachgewiesen werden, dass der Standard des EU-Tierschutzes bis zum Bestimmungsort eingehalten wird, was aber nicht dargelegt werden konnte“, begründet André Kaiser.

Dieser Artikel wurde zuletzt am Mittwoch, 29. Juli, um 15.32 Uhr aktualisiert. 

Mehr lokale Nachrichten aus Döbeln und Mittelsachsen lesen Sie hier.