Radeberg
Merken

Erfinder der "Radeberger Wichtel": "Da bin ich ein bisschen radikal"

Karl-Heinz Pinkert war berühmt für seine "Radeberger Wichtel": Wieso er die Namensrechte an ihnen verkauft hat, was er nun in Königstein macht - und wieso er einst im Stasi-Gefängnis in Bautzen einsaß. Ein Porträt.

Von Verena Belzer
 5 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Seit Karl-Heinz Pinkert die Namensrechte an den Radeberger Wichteln verkauft hat, firmiert er unter "Königsteiner Miniaturen".
Seit Karl-Heinz Pinkert die Namensrechte an den Radeberger Wichteln verkauft hat, firmiert er unter "Königsteiner Miniaturen". © Karl-Heinz Pinkert

Radeberg. Ob es wohl die Radeberger Wichtel ohne Karin Pinkert gegeben hätte? Immerhin war es ihre Patchwork-Handarbeit, die ihren Mann Karl-Heinz einst zu seinen berühmten Wichteln inspiriert hat. 2009 war das. Zu diesem Zeitpunkt hatte der gebürtige Dresdner schon jede Menge erlebt - beruflich sowie privat. Aber von Anfang an.

Karl-Heinz Pinkert hat zu DDR-Zeiten Maler gelernt, der Meister war ihm verwehrt worden. Der Grund: "Ich habe dreimal versucht, aus der DDR in den Westen zu fliehen." Beim ersten missglückten Versuch war er gerade mal 14 Jahre alt, nach dem dritten Mal landete er im Stasi-Gefängnis in Bautzen. "Fünf Jahre Bautzen, die meiste Zeit davon in Einzelhaft." Karl-Heinz Pinkert erzählt davon so ungerührt, als sei es das Normalste auf der Welt. "Lange her. Manche sind da durchgedreht. Aber ich habe mich immer irgendwie kreativ beschäftigt und habe zum Beispiel mit abgetrennten Hemdknöpfen Fußball gespielt."

Pyramiden, Räuchermännchen und Schwibbögen gemeinsam mit dem Bruder

Die Kreativität, sie liegt ihm im Blut. "Mein Onkel war Kunstmaler, da habe ich alle Grundlagen gelernt." Und als er in Meißen im Kinderheim aufwuchs, war er im Zeichenzirkel aktiv. Später jedoch verwehrte ihm die Kunstakademie Dresden die Aufnahme, "einen Republikflüchtling wollten die nicht".

Doch Karl-Heinz Pinkert setzte sich auch so durch. Gemeinsam mit seinem Bruder, einem gelernten Dreher und Werkzeugmacher, stellte er seit Ende der 1970er-Jahre Volkskunst her. "Die Volkskunst aus dem Erzgebirge ging ja komplett in den Export", berichtet er. "Unsere Pyramiden, Räuchermännchen und Schwibbögen gingen weg wie geschnitten Brot."

Links der "Ur-Wichtel", eine Kreation aus Patchwork von Karin Pinkert, von der sich ihr Mann hat inspirieren lassen, rechts eine der neuesten Kreationen aus Karl-Heinz Pinkerts Werkstatt. Der Rauch des Räuchermännchens kommt aus der Kanone.
Links der "Ur-Wichtel", eine Kreation aus Patchwork von Karin Pinkert, von der sich ihr Mann hat inspirieren lassen, rechts eine der neuesten Kreationen aus Karl-Heinz Pinkerts Werkstatt. Der Rauch des Räuchermännchens kommt aus der Kanone. © Verena Belzer/SZ
Die Spielmannszug-Wichtel sind eine relativ neue Kreation von Karl-Heinz Pinkert. Auf dem Radeberger Weihnachtsmarkt war die Nachfrage nach ihnen riesig.
Die Spielmannszug-Wichtel sind eine relativ neue Kreation von Karl-Heinz Pinkert. Auf dem Radeberger Weihnachtsmarkt war die Nachfrage nach ihnen riesig. © Karl-Heinz Pinkert
Sämtliche Einzelteile eines Radeberger-Spielmannszugs-Wichtels - noch vor der Zusammensetzung und Bemalung.
Sämtliche Einzelteile eines Radeberger-Spielmannszugs-Wichtels - noch vor der Zusammensetzung und Bemalung. © Karl-Heinz Pinkert
Karl-Heinz Pinkert bei der Arbeit.
Karl-Heinz Pinkert bei der Arbeit. © Karl-Heinz Pinkert
Die Wichtel sind beileibe nicht nur weihnachtlich - hier steht ein Geigenspieler vor der Dresdner Semperoper.
Die Wichtel sind beileibe nicht nur weihnachtlich - hier steht ein Geigenspieler vor der Dresdner Semperoper. © Karl-Heinz Pinkert
Beim Radeberger Weihnachtsmarkt hatte Karl-Heinz Pinkert wieder einen Stand - dieses Mal unter dem Logo "Königsteiner Miniaturen".
Beim Radeberger Weihnachtsmarkt hatte Karl-Heinz Pinkert wieder einen Stand - dieses Mal unter dem Logo "Königsteiner Miniaturen". © Christian Juppe

Dann kam die Wende. "Da wurde auf einmal der ganze Markt mit erzgebirgischer Volkskunst überschwemmt", erinnert sich Karl-Heinz Pinkert. "Das hatte dann für uns keinen Sinn mehr, da haben wir die Werkstatt in Dresden aufgelöst."

Aus einem Patchwork-Wichtel entstand in Liegau der erste Radeberger Wichtel

Und so begann eine Phase in Karl-Heinz Pinkerts Leben, in der es mal nicht um Holz ging. Er holte seinen Malermeister nach und machte sich selbstständig. Zwischenzeitlich hatte er sieben Angestellte, das Geschäft lief gut. Zumindest eine Weile lang. Dann jedoch wurde die Auftragslage dünner - und der Dresdner dachte daran, wieder Geld mit Drechslerarbeiten zu verdienen. Mittlerweile wollte eine Familie mit drei Kindern versorgt werden.

"Ich habe mich dann nach einer Werkstatt umgeschaut und bin in Liegau fündig geworden." Wunderschön sei es dort gewesen, "ein Dorf im Wald". Ein großes Grundstück, ein tolles Haus, die Werkstatt - Familie Pinkert war glücklich.

Nur die zündende Idee, die fehlte noch. Dann sah er den Patchwork-Wichtel seiner Frau und erschuf daraus die ersten Radeberger Wichtel aus Holz.

Die Wichtel schafften es sogar bis nach Japan

Schon bald wurden die kleinen Männchen immer beliebter und erfolgreicher - sogar im erzgebirgischen Seiffen wurden die Wichtel in Lizenz produziert und weltweit verkauft. Einmal gingen 1.000 Stück nach Japan. Seine Malerfirma betrieb Karl-Heinz Pinkert jedoch die ganze Zeit weiter. "Richtig reich konnte man mit den Wichteln nicht werden."

2013 gewann er einen Design-Preis im Erzgebirge. Er war auf Messen von Leipzig bis Paris und kreierte immer weitere Varianten und Figuren in unterschiedlichen Größen. "Ich habe um die 300 Figuren entworfen", erzählt Karl-Heinz Pinkert. "Ein Hebammen-Wichtel war da dabei, Udo Lindenberg, ein DJ, alles Mögliche. Der Bestseller war ein Wichtel auf einer Schaukel, den man aufhängen konnte." Bestellungen gingen auf seinem Online-Shop ein - dann wurde produziert und versendet.

Ein Herzinfarkt veränderte Karl-Heinz Pinkerts Leben fundamental

Doch das bedeutete auch immer Stress. "Es war immer der Druck da innerhalb kürzester Zeit produzieren zu müssen, sobald eine Bestellung reingekommen ist", erinnert sich Pinkert. 2018 dann signalisierte ihm sein Körper, dass es so nicht weitergehen konnte. Herzinfarkt. Kurz vor Weihnachten.

Der Infarkt änderte alles. Karl-Heinz Pinkert spürte nach seiner Rückkehr aus dem Krankenhaus schnell, dass er nicht mehr 100 Prozent geben konnte. "Mir ist bei der Arbeit der Schweiß runtergelaufen." Aus dieser Erkenntnis zog er eine Konsequenz: "Da bin ich ein bisschen radikal", gibt er zu. "Wir haben alles verkauft. Das Grundstück in Liegau samt Werkstatt. Die Markenrechte der Radeberger Wichtel gingen an einen Drechsler aus Brandenburg." Innerhalb eines Vierteljahres war alles abgewickelt, das alte Leben abgehakt. Das Ehepaar Pinkert, beide zwischenzeitlich Rentner, zog in eine kleine Wohnung nach Radeberg.

Und dann? "Das war eine Katastrophe, richtig schlimm", sagt Karl-Heinz Pinkert. Er war ein großes Grundstück gewohnt, wo er schnell raus ins Grüne konnte. Alles vorbei. "Auf einmal war nichts mehr los."

Alles eine Nummer kleiner in der neuen Werkstatt in Königstein

Doch als dann die alte Stammkundschaft wieder so langsam nach Wichteln anfragte, sah Pinkert wieder Land. "Ich wollte mir wieder eine kleine Werkstatt aufbauen, aber in Radeberg habe ich nichts Passendes gefunden." Nach einer Weile wurde er in Königstein fündig. "Ein kleines Wochenend-Häuschen mit Werkstatt und Blick auf die Festung", erzählt er. "Einfach perfekt."

Knapp zwei Jahre ist das nun her. Seitdem drechselt er nun wieder Wichtel und firmiert unter dem Namen "Königsteiner Miniaturen". Seine Figuren sehen anders aus als die alten Wichtel - aber nicht weniger putzig. Sie haben andere Mützen und Bärte. "Es ist jetzt alles eine Nummer kleiner", sagt Karl-Heinz Pinkert. "Es gibt auch keinen Online-Shop mehr. Ich arbeite nur noch auf konkrete Anfrage, fertige eine individuelle Skizze an und produziere dann. Ich will nur noch in die Werkstatt gehen, wenn ich Lust darauf habe." Momentan arbeite er auf Kundenwunsch an einem Bestatter-Wichtel. "Was die Kunden sich eben so wünschen."

Die zehn Jahre, in denen er die Radeberger Wichtel hergestellt hat, seien für ihn positiver Stress gewesen - aber Stress bleibt nun mal Stress. "Ich muss jetzt auf meinen Körper hören."

Wer mit Karl-Heinz Pinkert in Kontakt treten will, der kann ihm eine E-Mail an die Adresse [email protected] schicken.