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Ein Jahr Krieg in der Ukraine: Wie es den Flüchtlingen in Arnsdorf geht

Vor einem Jahr kamen Julia Deineka und Olena Lunko nach Arnsdorf. Wie leicht oder schwer Integration sein kann, zeigt sich am Beispiel der beiden Ukrainerinnen.

Von Rainer Könen
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Die ukrainischen Geflüchteten Julia (von links), Enkel Kirill und Olena im Kirchgemeindehaus der Kirche in Arnsdorf.
Die ukrainischen Geflüchteten Julia (von links), Enkel Kirill und Olena im Kirchgemeindehaus der Kirche in Arnsdorf. © Sven Ellger

Arnsdorf. Julia Deineka hat bisher noch kein Glück gehabt. Die Suche nach einem Job gestaltet sich für die Ukrainerin bisher schwieriger als gedacht. Aber die 52-Jährige hat ihre Zuversicht nicht verloren. Noch nicht. In den zurückliegenden Monaten hatte sie sich bei einigen Unternehmen in der Region vorgestellt. Als Reinigungskraft im Radeberger Krankenhaus hätte sie arbeiten können, zwei Stunden täglich. Aber auch das zerschlug sich.

Im März des vergangenen Jahres war sie nach Arnsdorf gekommen. Mit Tochter Daryna, Schwiegertochter Ksenia und Enkel Kirill. Die aus Butscha stammende Familie gehörte zu rund 50 Flüchtlingen aus der Ukraine, um die sich der Verein "Arnsdorf hilft" kümmert. Unterstützt von der Gemeinde, von kirchlichen Institutionen und von Privatpersonen.

Arnsdorfer helfen Ukrainern bei Integration

Arnsdorfer helfen den Flüchtlingen bei Arbeits- und Wohnungssuche, begleiten sie bei Behördengängen. Machen eine Menge, um den Menschen die Integration in ihrem neuen Umfeld zu erleichtern. Olena Lunko kam im April des vergangenen Jahres nach Fischbach, einem Arnsdorfer Ortsteil, wo sie und ihr Kind von einer Familie aufgenommen wurden.

In Kiew hatte die 37-Jährige als Englischlehrerin gearbeitet. Über private Kontakte ging es dann schnell. Zwei Monate nach ihrer Flucht stand sie wieder vor einer Klasse, unterrichtet derzeit an einer Dresdner Grundschule ukrainische Flüchtlingskinder. "Ich bin froh, dass ich arbeiten darf", sagt sie. In Teilzeit, ihr Vertrag ist bis August 2023 befristet. Mittlerweile lebt sie in Dresden. Die Stadt ist ihre neue Heimat.

Heimat. Das ist seit einem Jahr für viele Ukrainer ein komplizierter Begriff geworden. Millionen flüchteten nach Kriegsbeginn am 24. Februar 2022, mussten ihr Zuhause von einem Tag auf den anderen verlassen, sind seitdem auf der Flucht. Viele kamen nach Deutschland. Auch nach Sachsen, wo derzeit über 60.000 Ukrainer, zumeist Frauen und Kinder, leben. Laut Arbeitsagentur sind davon rund 20.000 Flüchtlinge (Stand Februar 2023) arbeitssuchend.

Sprachkenntnisse sind entscheidend

Ohne ausreichende Sprachkenntnisse sei es schwer, einen Job zu bekommen, meint Daniel Skupin, der Vorsitzende des Vereins "Arnsdorf hilft". Von der Sprache hänge alles ab. Skupin hat in den zurückliegenden Monaten mitbekommen, wie unerreichbar ein fast sicher geglaubter Job für manche Flüchtlinge wurde, weil es mit der deutschen Sprache haperte. Sprachkurse sollten da eigentlich helfen. Tun sie auch, meint Skupin.

Allerdings seien die meisten Kurse schnell belegt, trotz des hohen Bedarfs gebe es immer noch nicht genügend davon. Denn viele der Geflüchteten, die im vergangenen Frühjahr nach Deutschland kamen, sind gerade dabei, ihre Sprachprüfungen abzulegen. Oft ist das erst die Stufe B1, die meist noch nicht ausreicht. Viel wichtiger ist die Stufe B2, um Bewerbungen zu verschicken, um ein Vorstellungsgespräch führen zu können.

Patenschaften für ukrainische Flüchtlinge

Julia Deineka war vor ein paar Tagen in Bautzen, um einen Platz in einem Sprachkurs zu ergattern. Anfang April soll es losgehen. Sie erzählt von ihrer 25-jährigen Berufserfahrung als Architektin und Designerin. In Butscha und in Kiew habe sie an etlichen Bauprojekten mitgewirkt.

Was ihr an Deutschland so gut gefällt, ist, dass hier Kulturgeschichte und Denkmalschutz einen so hohen Stellenwert haben. Anders, als in der Ukraine. Sie sei ein kreativer Mensch, würde gerne in einem solchen Bereich arbeiten. In den zurückliegenden Monaten entdeckte sie Arnsdorf auf ihre Art. Malte Fachwerkhäuser, fertigte Landschaftsbilder. Werke, die von einer beeindruckenden Intensität und Tiefe sind. Auch Rainer Fischer schätzt ihre Ölgemälde.

Der Arnsdorfer hat die Ukrainerin schon zu einigen Vorstellungsgesprächen begleitet, dolmetscht, hilft ihr bei Behördengängen. Er habe für sie eine Art Patenschaft übernommen, beschreibt es der Rentner. Daniel Skupin fände es schön, wenn noch mehr Arnsdorfer Patenschaften übernähmen. "Das würde den Ukrainern bei ihren Integrationsbemühungen weiterhelfen", sagt Skupin.

Viele Ukrainer befinden sich in einem "Schwebezustand"

Sprach- und Integrationskurse wird Olena Lunko auch demnächst besuchen. Priorität hat jedoch vorerst die Schule. Wie es weitergehen wird, wenn ihr Vertrag im Sommer ausläuft, weiß sie noch nicht. "Vielleicht arbeite ich in einer anderen Schule", meint sie. Und wer weiß, wie es bis dahin in der Ukraine aussehe. Der Krieg, so realistisch ist sie, werde sicher so schnell nicht beendet.

Will sie in Deutschland bleiben? Eine Frage, die sich auch Julia Deineka täglich stellt. "Mich zieht es schon nach Hause", bekennt sie. Ein eigenartiger Zustand sei das, in dem sie und viele ihrer Landsleute sich befänden: eine Art Schwebezustand, der es nicht leicht mache, im neuen Leben anzukommen.

Die Frage, die viele quält: Soll man die Heimat loslassen, um endlich hier anzukommen? Olena Lunko erzählt, dass diese Zerrissenheit zahlreiche Flüchtlinge lähme. Sie selbst nicht, sie hat Gefallen am deutschen Leben gefunden, auch, wenn sie im Alltag mitunter über Dinge stolpert, die in der Ukraine selbstverständlich sind. Stichwort Digitalisierung. Aber damit könne man sich arrangieren, meint sie. Ihre Arbeit werde jedenfalls hier mehr wertgeschätzt als daheim in der Ukraine. Besser bezahlt werde sie auch. Und ja, Dresden sei eine tolle, eine kulturell interessante Stadt, in der es sich zu Leben lohne.

Und Julia Deineka? "Sollten wir den Krieg verlieren, werde ich wohl nicht zurückgehen", erklärt die 52-Jährige. Ja, dieser furchtbare Krieg. Der werde sich bestimmt bis weit ins nächste Jahr hinziehen, glaubt Olena Lunko. Aber egal wie lange er noch andauere, davon ist die Kiewerin überzeugt: "Wir werden ihn gewinnen."