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Radebergs OB Höhme über die Demos gegen Rechtsextremismus: "Ein wichtiger Beitrag zur Meinungsbildung"

In Radeberg gehen regelmäßig Bürger gegen Rechtsextremismus auf die Straße. Während Dirk Hilbert in Dresden schon eine entsprechende Demo besucht hat, blieb Oberbürgermeister Frank Höhme den Veranstaltungen bisher fern. Wie er das begründet.

Von Verena Belzer
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Der Radeberger Oberbürgermeister Frank Höhme in seinem Büro im Rathaus.
Der Radeberger Oberbürgermeister Frank Höhme in seinem Büro im Rathaus. © René Meinig

Radeberg. In Radeberg wurde in diesem Jahr drei Mal gegen Rechtsextremismus demonstriert. Bei diesen Kundgebungen waren Vertreter aus der Bürgerschaft, dem Stadtrat, der Kirche, Schulen und anderen Gruppen vertreten. Nun bat Oberbürgermeister Frank Höhme (parteilos) Sächsische.de zum Gespräch: über seine Gründe, den Demos fernzubleiben, über die AfD und den Spagat zwischen kommunaler Sachpolitik und Bundespolitik.

Herr Höhme, warum waren Sie auf keiner Demo gegen Rechtsextremismus?

Ich bin Beamter auf Zeit und unterliege besonderen Gesetzmäßigkeiten, unter anderem dem Neutralitätsgebot. In den Grundpflichten eines Beamten ist eindeutig beschrieben, dass man dem ganzen Volk und nicht einer Partei zu dienen hat und dass ich in allen Aufgaben unparteiisch und gerecht gegenüber allen zu handeln habe.

Sie meinen das Beamtenstatusgesetz, das vieles aussagt: Unparteilichkeit und Mäßigung bei politischer Betätigung, zum Beispiel. Es hält Beamte aber auch dazu an, sich durch ihr Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu bekennen und für deren Erhaltung einzutreten.

Wenn ich auf Veranstaltungen bin, unterscheidet der Bürger nicht zwischen Frank Höhme privat oder Frank Höhme Oberbürgermeister. Um dem aus dem Weg zu gehen, nehme ich an den Demos nicht teil. Außerdem befinden wir uns im Wahljahr, da sind die Gesetzmäßigkeiten noch verschärft. Das hat uns die Kommunalaufsicht bestätigt, die von Anzeigen gegen Bürgermeister berichtet hat, die auf Demos waren. Da müssen Stellungnahmen geschrieben werden und die Zeit dafür fehlt dann an anderer Stelle. Bei zwei Terminen war ich außerdem ortsabwesend.

Sie sprechen vom Neutralitätsgebot. Finden Sie dieses Gebot richtig im Zusammenhang mit einer Partei, deren Landesverband als rechtsextrem eingestuft wird?

Ich habe geschworen, neutral gegenüber allem zu sein. Ich muss mit allen arbeiten und Mehrheiten im Stadtrat zum Wohle der Bürger herbeiführen. Wenn ich mich jetzt in eine Richtung festlege, kann ordentliches Arbeiten auf Augenhöhe schwieriger werden. Bisher arbeiten wir fast alle gut zusammen, da geht es um Sachthemen.

Wie geht Zusammenarbeiten auf Augenhöhe angesichts eines AfD-Fraktionsvorsitzenden, der in sozialen Medien Beiträge teilt, in denen von "reinrassigen Frauen" und "57 anderen Geschlechtern" die Rede ist?

Als Privatperson kann ich klar sagen, dass ich so etwas ablehne. Das gehört sich einfach nicht und geht in eine falsche Richtung. So etwas in den sozialen Medien zu veröffentlichen, widerspricht unseren demokratischen Grundrechten.

Wie steht die Privatperson Frank Höhme dazu, dass in Radeberg gegen Rechtsextremismus demonstriert wird?

Die Demonstrationen sind ein wichtiger Beitrag zur Meinungsbildung, den man nur unterstützen kann. 1989 waren das auch die Anfänge, um Dinge zu bewegen. Es gibt heutzutage einfach viele Themen, die die Menschen bewegen. Das zeigt sich montags, wo ich auch nicht hingehe, oder bei den Demos gegen Rechtsextremismus oder für den Frieden. Es gibt Dinge in unserem Land, die falsch laufen. Die Themen, die die Bürger bewegen, sind oft nicht der Kommunal- oder Landespolitik geschuldet, sondern der Bundespolitik.

Können Sie das konkretisieren?

Ein Beispiel aus meinem Arbeitsalltag: Seit August 2022 arbeiten wir daran, der Aufforderung, einen Energiemanager einzustellen, nachzukommen. Neben der Antragstellung wurden sogar bereits Einstellungsgespräche geführt und trotz mehrmaliger Nachfrage wurde über unseren Antrag vom Bundesministerium bis heute nicht entschieden. Das ist kontraproduktiv.

Die Initialzündung für die Proteste gegen Rechtsextremismus war nicht die Politik der Bundesregierung, sondern das Geheimtreffen in Potsdam, bei dem unter anderem von AfD-Mitgliedern über "Remigrationspläne" fabuliert wurde. Was hat diese Berichterstattung bei Ihnen ausgelöst?

Ich war schockiert, dass es solche Geheimtreffen gibt und dass man teilweise Idealen hinterhermarschiert, die 1933 begonnen haben. Das Ansinnen der Demos ist ja, dort klar ein Zeichen zu setzen. Der Großteil derer, die montags marschieren, ist sich meiner Meinung nach der Tragweite dessen, was Deutschland in den 30er-, 40er-Jahren gemacht hat, nicht bewusst. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das ein Großteil wieder zurückhaben will. Hier spreche ich mich grundsätzlich eindeutig gegen solche Strukturen aus. Wir haben einen Krieg angefacht. Deshalb verstehe ich als Privatperson auch nicht, wie unsere Regierung Waffenlieferungen in die Ukraine zustimmen kann. Das ist der falsche Weg. Für humanitäre Hilfe hingegen war die Akzeptanz immer da.

Befürworter des Kurses der Bundesregierung argumentieren, dass ohne Waffenlieferungen Russland die Ukraine komplett besetzen könnte.

Das ist ein schwieriges Thema. Aus Privatsicht heraus fehlen uns ordentliche Vermittler, die mit allen an den Tisch kommen und dafür sorgen, dass dieser Krieg beendet wird. Es sterben dort jeden Tag Menschen.

Zurück zu Radeberg: Alle sich zur Wahl stellenden Gruppen wollen das Beste für die Stadt. Es gibt aber auch Räte wie Frank-Peter Wieth, der sich abgrenzt und betont, dass es in der AfD demokratiefeindliche Tendenzen gibt und der Landesverband als rechtsextrem eingestuft wird. Wie gehen Sie mit diesem Spannungsfeld um?

Man kann diese Einstufung der AfD nicht ignorieren. Aber: Das ist eine Partei, die vom Volk gewählt wurde. Auf kommunaler Ebene war es bis auf den erwähnten Beitrag immer sachlich. Letztlich entscheiden die Bürger bei der Wahl, wer im Stadtrat sitzt. Die Auswahl an Kandidaten ist dieses Jahr so groß wie selten.