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Ottendorfer Denkmalfirma: Kann jede Baufirma Barockgebäude sanieren?

Steigende Baukosten und politische Vorgaben haben die Baubranche nahezu stagnieren lassen. Viele Unternehmen versuchen sich nun im Bereich Sanierung und das sorgt für Kuriositäten.

Von Siri Rokosch
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Das Schloss Pillnitz wird bald wieder beleuchtet - für den "Christmas Garden" - ab dem 16. November. Bis dahin müssen alle Fensterläden wieder eingesetzt werden. Diese sind teils derzeit in Ottendorf-Okrilla.
Das Schloss Pillnitz wird bald wieder beleuchtet - für den "Christmas Garden" - ab dem 16. November. Bis dahin müssen alle Fensterläden wieder eingesetzt werden. Diese sind teils derzeit in Ottendorf-Okrilla. © René Meinig

Ottendorf-Okrilla. Bevor der diesjährige "Christmas Garden" im Schlosspakt Pillnitz wieder Besucher empfängt, müssen alle Fensterläden wieder eingehängt sein. Ein Teil der bis zu vier Meter hohen Fensterläden befindet sich derzeit im Denkmalpflegebetrieb "Fuchs & Girke" in Ottendorf-Okrilla. Dort werden alle insgesamt 94 Fensterläden restauriert und erhalten ihre ursprüngliche graue Farbgebung zurück.

Zudem müssten Haarrisse an den Schweißnähten der Aufhängungen beseitigt werden und teils seien auch Schwämme im Holz festgestellt worden. Die 110 Mitarbeiter von "Fuchs & Gierke" sind auf Stuckateur- und Restaurationsarbeiten spezialisiert. Sie warten auch regelmäßig den Goldenen Reiter und führen derzeit Arbeiten an der Schlosskirche in Dresden aus. Doch offenbar trauen sich diese Art von Bauarbeiten auch andere Firmen zu - notgedrungen, weil Aufträge in der Baubranche eingebrochen sind. Welche Auswirkungen das hat.

Stürmen Baufirmen wegen schwächelndem Bausektor auf andere Märkte?

Vielen Baufirmen, auch im Rödertal, geht es momentan offenbar nicht so gut. Deshalb hatten im Vorfeld des sogenannten Wohnungsbaugipfels am vergangenen Montag bei Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Verbände des sächsischen Handwerks sowie der Bau-, Wohnungs- und Immobilienwirtschaft eine "Dresdner Erklärung" mit Forderungen an die Bundesregierung gerichtet.

Mit den Vorschlägen soll dem dramatischen Einbruch beim Wohnungsbau begegnet werden. Eine drohende finanzielle Schieflage bei Wohnungs- und Immobilienunternehmen solle abgewendet werden, die mit dem Gebäudeenergiegesetz (GEG) zu erheblichen Investitionen gezwungen würden, die sie aber nicht sozialverträglich refinanzieren könnten.

Gibt es bald Dumping-Preise für Bausanierungen?

Diese Problematik hat auch der Geschäftsführer von "Fuchs & Girke", Thomas Stiegler, aus Ottendorf-Okrilla in letzter Zeit beobachtet. Im Gespräch mit Sächsische.de erklärt er, dass Unternehmen aus dem Hoch- und Tiefbau auf den Sanierungsmarkt drängen würden: "Das merken wir daran, dass sich auf öffentliche Ausschreibungen jetzt etwa 20 statt bisher vier bis fünf Firmen bewerben."

Teils würden sich für Sanierungen historischer Bauwerke in Dresden Bau-Unternehmen aus Hamburg bewerben - mit Preisangeboten, die "Fuchs & Girke" nicht halten können. "Wir sind ein Denkmalbetrieb mit Erfahrungen und sehr guten Referenzen. Wenn wir zum Beispiel ein Angebot in Höhe von 280.000 Euro machen, kommt ein anderes Unternehmen und bietet dieselben Leistungen für nur 130.000 Euro an. Dass man das bei der Stadt Dresden nicht hinterfragt?", wundert sich und gibt zu bedenken: "Wir hatten nun bereits mehrfach die Erfahrung gemacht, dass Aufträge an andere Firmen vergeben wurden, die aber gar nicht das Knowhow haben, um diese Arbeiten auszuführen, sodass wir sie beendet haben."

Einige Bauunternehmer seien auch während der Ausführung von öffentlichen Aufträgen "Pleite gegangen", berichtet Stiegler und erzählt: "Merkwürdig war daran, dass derselbe Geschäftsführer der Pleite gegangenen Firma sich mit einer neu gegründeten Firma erneut auf eine öffentliche Ausschreibung bewarb." Ihm sei das aufgefallen, weil sein Unternehmen zu 90 Prozent öffentliche Ausschreibungen bearbeitet, denn historische Gebäude gehören überwiegend Ländern, Städten und Kommunen.

Stadt Dresden: Alle Angebote würden geprüft

Die Stadt Dresden hält sich mit ihren Antworten zu diesen Beobachtungen des Unternehmers zurück. Auf Anfrage von Sächsische.de heißt es lediglich, dass der "Geschäftsbereich Wirtschaft, Digitales, Personal und Sicherheit" festgestellt habe, dass die "Beteiligung an öffentlichen Ausschreibungen generell Schwankungen unterliege, und sich die Zahl der beteiligten Firmen derzeit erhöhe". Von einer grundsätzlichen Verdopplung der Angebotszahlen könne jedoch nicht ausgegangen werden.

Weiter heißt es in der Antwort der Stadt Dresden: "Sollten Firmen im Laufe der Leistungserbringung ein Insolvenzverfahren beginnen, wird die Leistungserbringung in Absprache und Überwachung des Insolvenzverwalters weiter geführt. Ist eine Weiterführung der Leistung nicht möglich, wird entsprechend eine Neuausschreibung geprüft."

Auf die Frage, ob sich tatsächlich insolvente Firmen mit demselben Geschäftsführer, nur unter neuem Namen, erneut auf öffentliche Ausschreibungen der Stadt Dresden bewarben, heißt es: "Das steht jedem Unternehmen frei. Die Häufigkeit ist nicht prüfbar", so Anke Hoffmann, zuständige Redakteurin Öffentlichkeitsarbeit/Medienarbeit, des Dresdner Geschäftsbereichs Wirtschaft, Digitales, Personal und Sicherheit.

Allerdings würde der Auftraggeber Stadt Dresden "in jedem Vergabeverfahren die Angemessenheit der eingereichten Angebote prüfen". In diesem Prüfverfahren würden formale Kriterien, die Eignung des bietenden Unternehmens, die Einhaltung der Leistungs- und Qualitätsanforderungen und die Angemessenheit des eingereichten Angebotes geprüft.

Thomas Stiegler bleibt trotz der neuen "Konkurrenz" optimistisch. Die Auftragsbücher seien zwar nicht so voll wie im letzten Jahr um diese Zeit, und für 2024 rechne er mit noch mehr Firmen, die den "Sanierungsmarkt" stürmen werden. Seine Mitarbeiter sanieren derzeit auch das Meeresmuseum in Stralsund, die Garnisonskirche in Potsdam und die Humboldt-Universität, und dann müssen ja auch die barocken Fensterläden in Pillnitz wieder eingehängt werden.

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