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Breakdancer: Von Radebeul zu Olympia?

Im Osten Radebeuls bereitet sich der sächsische Breakdance-Landeskader auf Olympia vor. Was läuft da eigentlich? Und was nicht?

Von Andre Schramm
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Felix Roßberg (33) im Studio in Radebeul-Ost. Hier trainiert nicht nur der Nachwuchs, sondern auch der sächsische Olympiakader.
Felix Roßberg (33) im Studio in Radebeul-Ost. Hier trainiert nicht nur der Nachwuchs, sondern auch der sächsische Olympiakader. © Norbert Millauer

Radebeul. Europaletten dienen als gemütliche Sitzecke. An den Wänden hängen Fotos von Shows und Breakdance-Auftritten. Die Decke ist schwarz angestrichen. Ein langer Gang mit unzähligen Türen folgt. Ein Zugang führt in den großzügigen Tanzraum. Ein DJ-Pult mit Plattenspieler steht in der Ecke. Auf der anderen Seite ist ein riesiges Graffiti-Bild an der Wand zu sehen. Eine Mutti gibt gerade ihre beiden Söhne – sieben und elf Jahre alt – zum Schnuppertraining ab. "Ich dachte erst, ich bin hier falsch", sagt sie. Die Szenerie spielt in einem Industriegelände im Radebeuler Osten, unweit der Autobahnbrücke. Was früher Lagerhalle war, ist nun halboffizieller Landesstützpunkt der sächsischen Breakdancer. Die Tänzerinnen und Tänzer haben viel Eigeninitiative in ihr "84-Studio" gesteckt, das Parkett abgeschliffen und die Wände verputzt. Angelehnt ist der Titel an den Vereinsnamen der Breakdancer "84´ TIL - Verein für urbane Kultur" mit Sitz in Dresden.

"Wir hatten 2019 das Problem, das wir aus vielen Jugendhäusern in Dresden raus mussten", erzählt Felix Roßberg. Er ist Gründer der erfolgreichen Formation "The Saxonz" und derzeit eine Art Koordinator für den sächsischen Olympiakader. Landestrainer darf er sich nicht nennen. Dazu muss man ernannt werden. Roßberg hatte schon länger mit den Räumlichkeiten an der Meißner Straße geliebäugelt. Bis dato hatten die Tänzerinnen und Tänzer keine eigene Location, waren eben nur eingemietet. Ende 2019 wurden die Verträge unterschrieben. "Unser Vermieter ist echt top, unterstützt uns, wo er kann", meint der Breakdancer. Dann kam Corona. Keine Shows, keine Wettkämpfe und gebuchte Auftritte erst recht nicht. "Das hat die Szene hart getroffen", sagt Roßberg. Die einzige gute Nachricht in dieser Zeit war die des Internationalen Olympischen Komitees Ende 2020: Breaking wird olympisch. "Nach dem erfolgreichen Testlauf bei den Olympischen Jugend-Sommerspielen 2018 in Argentinien hatten wir schon damit gerechnet", gibt der Breakdance-Profi zu.

Gegenwärtig trainieren in Radebeul sieben B-Boys und vier B-Girls für Olympia. Ziel ist es, den sächsischen Kader auf jeweils acht Männer und Frauen aufzustocken. Um sich für Sachsens Breaking-Team zu qualifizieren, muss man bei mehreren Battles im Freistaat möglichst viele Punkte sammeln. Voraussetzung, um weiterzukommen – sich beispielsweise auf Bundesebene zu qualifizieren – ist das aber nicht. Über die Deutsche Meisterschaft empfiehlt man sich für den Bundeskader. Danach folgen internationale Ausscheide. Am Ende wird Deutschland nur zwei Männer und zwei Frauen in die französische Hauptstadt schicken. Der Weg dorthin ist also ziemlich lang. "Für Olympia 2024 sind wir eigentlich zu spät dran. Unser Blick geht weiter Richtung Jugend-Olympiade 2026 und Olympia 2028", erzählt Roßberg. Ihm geht es darum, dauerhafte Strukturen für die Nachwuchs- und Talentförderung zu schaffen. Deshalb wurde längst damit begonnen, ein Nachwuchsteam aufzubauen.

Die Bedingungen in Radebeul, so sagt Roßberg, seien gut. Zwei Tanzräume stehen hier zur Verfügung. Dazu gibt es ein Agreement mit dem nahegelegenen Fitnessstudio. "Der große Vorteil ist, dass rund um die Uhr bei uns trainiert werden kann", sagt der 33-Jährige. Manche kämen siebenmal pro Woche, andere zweimal am Tag. In der Sprunghalle in Klotzsche stünden zudem Trampolin und Weichboden für Einheiten zur Verfügung. Manchmal findet das Training auch auswärts statt, beispielsweise in Chemnitz. "Das ist wichtig, um sich neuen Input zu holen", sagt Roßberg.

Das Tanzen sei aber nur ein Teil. Hinzu käme die theoretische Ausbildung. "Da geht es beispielsweise um Dinge wie Motivation und Bühnenangst", erzählt er weiter. Es mache einen Unterschied, ob man am Kulturbahnhof in Radebeul auftrete oder auf der top-ausgeleuchteten Bühne mit 800 bis 1.000 Zuschauern, wie zuletzt bei einer Red-Bull-Veranstaltung in Dresden. Potente Unternehmen haben sich längst eingeklinkt in den Breaking-Wettlauf nach Paris. Darunter sind auch bekannte Sportausrüster. Mit lukrativen Verträgen binden sie gute Tänzerinnen und Tänzer an sich. In der Szene ist die Kommerzialisierung umstritten. Wie stehen da unsere Chancen? "Bei den Männern wird es sehr, sehr schwer. Hier sind einfach viel zu viele gute Tänzer international unterwegs", sagt Roßberg. Im Frauenbereich sieht er eher eine Chance, zumindest für die nächsten Spiele.

Ein großes Problem ist gegenwärtig das neue Bewertungssystem. Die Regularien stehen fest, allerdings gibt es kaum geschulte Judges, die danach bewerten können. Zu den wesentlichen Kriterien, nach denen die Olympia-Juroren künftig schauen, gehören Body (Technik, Dynamik), Mind (Kreativität, Charakter) und Soul (Rhythmus, Musikalität). Hinzu kommt die unübersichtliche Gemengelage in Sachen Sportförderung. Gegenwärtig finanzieren sich die Breakdancer aus Vereinsbeiträgen und Sponsorengeldern. Die Stadt Dresden, so erzählt Roßberg, beteilige sich zu 30 Prozent an der Miete. Radebeul habe angekündigt, die Breakdancer über einen Veranstalter unterstützen zu wollen. Rein formal ist der Landestanzsportverband Sachsen zuständig. Hier ist der 33-Jährige inzwischen Mitglied im Präsidium. Käme Geld von dem Verband, müsste es einer anderen Sparte abgezogen werden, sagt Roßberg. Momentan kämen die Breakdancer finanziell noch zurecht. "Um ganz oben mitzutanzen, sind Workshops mit professionellen Tänzern wichtig", erklärt der Profi. Und die kämen nicht zum Nulltarif nach Radebeul. Für Fahrt- und Übernachtungskosten bei nationalen und internationalen Wettkämpfen käme auch einiges zusammen.

Die Begeisterung an dem Sport hält jedenfalls an. Inzwischen zählt der Verein 110 Mitglieder, Tendenz steigend. Fünf Jahre, so sagt Roßberg, sei ein gutes Alter um die ersten Schritte auf dem Parkett zu machen. Das erste Training der beiden Jungs, so hört man, soll Spaß gemacht haben, aber anstrengend gewesen sein.