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Projektcircus Tomello aus Coswig: "Wir sind eine Familie"

In der Zirkusgruppe von Tom Gräbel-Ritter lernen Kinder nicht nur Kunststücke, sondern auch den Wert von Gemeinschaft. Der Coswiger hat einen Ort geschaffen, wo Träume wahr werden können.

Von Martin Skurt
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Von Beruf ist er Straßenbahnfahrer, aber seine Leidenschaft gilt der Artistik: Tom Gräbel-Ritter aus Coswig hat mit den Kindern und Jugendlichen im Haus für Vieles in Meißen einen Projektzirkus gegründet.
Von Beruf ist er Straßenbahnfahrer, aber seine Leidenschaft gilt der Artistik: Tom Gräbel-Ritter aus Coswig hat mit den Kindern und Jugendlichen im Haus für Vieles in Meißen einen Projektzirkus gegründet. © Claudia Hübschmann

Meißen/Coswig. Mehrere Kinder liegen auf einer gepolsterten, grauen Trainingsmatte und zählen in der Gruppe bis zehn. Nebenbei machen sie Situps, Liegestütze, Kniebeuge und mehr – und das sind nur die Aufwärmübungen. An den Kopf und Fußenden läuft Tom Gräbel-Ritter auf und ab. "Umgeknickte Füße halten euch nicht im Handstand, sondern die Kraft kommt aus der Spannung", sagt Tom Gräbel-Ritter zur Spagatübung. Die Kinder wirken konzentriert und gespannt und scheinen sich schon auf die Zirkusübungen zu freuen. Der 28-Jährige ist in den Kindergärten im Landkreis seit mehr als zehn Jahren besser bekannt als Clown Tomello.

Im Projektcircus geht es nicht nur um Sport und Leistung. Ganz im Gegenteil. Die Kinder sollen eine schöne Freizeit erleben, Selbstbewusstsein erlangen und Vertrauen entwickeln. Gerade in der Artistik sei das wichtig, zum Beispiel beim Pyramidebauen, sagt Tom Gräbel-Ritter, der ein paar Jahre als Sozialassistent in einer Integrations-Kita gearbeitet hat. "Ich sage den Kindern immer, wir sind keine Gruppe, sondern eine Familie. Jeder packt mit an, jeder steuert sein Wissen bei und jeder darf auch in verschiedenen Situationen mitsprechen. Die Kinder sollen etwas fürs Leben mitnehmen."

13-jährige Stella: "Die Gruppe gibt mir Kraft"

Zudem gibt es alle zwei Jahre ein neues Projekt-Thema. Momentan sind es die vier Elemente: Feuer, Wasser, Luft und Erde. Dazu machen sie zum einen Ausflüge, zum Beispiel ins Schwimmbad, experimentieren dort mit Wasser und haben einfach Spaß. Zum anderen überlegen die Kinder selbst, was Wasser eigentlich ist. Dazu sagt Mia, dass es sehr spannend war, viele Tricks im Wasser auszuprobieren, wie zum Beispiel den Absteher, einen Grundtrick der Artistik. Dabei stellt sich die 10-Jährige auf die Oberschenkel ihrer Freundin Stella, die sie gleichzeitig an den Händen festhält. Beide lächeln stolz und klatschen sich gegenseitig nach dem Trick ab.

Die Kinder wärmen sich im Meißner Haus für Vieles auf. "Ohne den Verein wäre der Projektcircus nicht so groß."
Die Kinder wärmen sich im Meißner Haus für Vieles auf. "Ohne den Verein wäre der Projektcircus nicht so groß." © Claudia Hübschmann

"Die Gruppe gibt mir Kraft", sagt die 13-jährige Stella. Früher habe sie schnell mal gesagt, dass sie etwas nicht könne. Sie hatte Angst, sich etwas zu brechen. "Dann habe ich die Zähne zusammengebissen und durchgezogen. Darauf bin ich stolz." Jetzt denkt sie: "Wir können alles schaffen, was wir wollen. Ich finde es einfach toll." Mia ist ebenso begeistert, zum einen von der Leistung, zum anderen vom Zusammenhalt. "Wenn es mal einen Streit gibt, klären wir das in der Gruppe." Außerdem möchte sie einmal ein Clown werden. Der Wunsch sei bei Kindern eher selten, meint Tom Gräbel-Ritter. Beweist aber auch, dass der Projektleiter mit seiner Begeisterung ansteckt.

Da, wo Kinder ernst genommen werden

Ein weiterer positiver Effekt: Die Kinder hängen in der Trainingszeit im Haus für Vieles in Meißen nicht am Smartphone. Das ist dem Zirkusleiter auch ein Anliegen. Wenn die Artistinnen sich aber in ihrer Freizeit im Park treffen, zücken sie ihr Handy trotzdem. Und zwar, um sich beim Radschlagen zu filmen. Manche Videos landen so auch in den sozialen Netzwerken. Beide Mädchen sind stolz darauf, was sie schon alles können. Stella zeigt so ein Video. In der Tat: Die Bewegungsabläufe der Übungen sitzen und wirken durch die untermalte Musik professionell.

Wenn Tom Gräbel-Ritter das beobachtet, sieht er sichtlich stolz aus. Der Circus ist sein Lebenswerk. Seit er 14 Jahre alt ist, lebt er die Artistik. Erst war er Teil der Gruppe seiner Mutter, einem Artistik-Verein aus Coswig. Er spürte aber früh, dass er etwas Eigenes starten wollte. Also gründete er 2016 eine neue Gruppe. Jedes Jahr wurden es mehr Kinder, Tom Gräbel-Ritter ist mit ihnen erfahrener und reifer geworden. Nun hat er im Mai 2023 den Projektcircus gegründet, bei dem auch Stella und Mia von Anfang an dabei waren. Die insgesamt etwa 20 Kinder sind zwischen 4 und 17 Jahren alt.

"Inzwischen sind wir an einem Punkt angelangt, wo wir mit anderen Gruppen mithalten können", sagt er. Er verstehe die anderen Vereine aber nicht als Konkurrenten – egal ob Tanz- oder Artistikgruppen. "Wir sitzen alle im selben Boot und wollen tolle Freizeitangebote schaffen und die Leute unterhalten." Zum Beispiel im vergangenen Jahr beim Stadtfest und sächsischen Familientag in Coswig. Der Projektcircus Tomello ist dabei mehr als nur eine Manege, sondern eine Mischung aus Spaß, Teamgeist und persönlicher Entwicklung. Hier lernen die jungen Menschen nicht nur, wie man Jonglierbälle wirft oder einen Handstand macht. Sie erleben, Teil eines Teams zu sein und ernst genommen und gehört zu werden.

  • Wer ein Zirkusstar werden möchte, kann sich einfach unter 0172 6867419 oder [email protected] bei Tom Gräbel-Ritter melden und bei einem Training dabei sein. Nur mit Voranmeldung.