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Die Erklärexpertin vom Lößnitzgymnasium

Bei einem Wettbewerb werden Schüler gekürt, die schwierige Themen in Wort und Bild verständlich machen können. Fleur Niessen aus Radebeul ist gleich zweimal nominiert.

Von Silvio Kuhnert
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Um in einem dreiminütigen Videoclip darzustellen, um Max Weber Herrschaftsmodell zu beschreiben benötigte Fleur Niessen Duplofiguren als Hauptdarsteller, eine Digitalkamera zum Drehen und einen Laptop zum Schneiden und Bearbeiten des Filmmaterials.
Um in einem dreiminütigen Videoclip darzustellen, um Max Weber Herrschaftsmodell zu beschreiben benötigte Fleur Niessen Duplofiguren als Hauptdarsteller, eine Digitalkamera zum Drehen und einen Laptop zum Schneiden und Bearbeiten des Filmmaterials. © Norbert Millauer

Radebeul. Lego-Duplofiguren wie Zoowärter, Esel Robbe und Krokodil sowie eine Digitalkamera - mit Spielzeug und einfachen technischen Mittel lassen sich komplexe und sperrige Themen leicht und verständlich erklären. Wie dies bei den drei Herrschaftsmodellen des Soziologen Max Weber (1864-1920) geht, beweist Fleur Niessen vom Radebeuler Lößnitzgymnasium.

In einem dreiminütigen Videoclip erklärt sie, was der Klassiker der Sozialwissenschaften unter legalem, traditionalem und charismatischem Herrschaftstyp versteht. Bei erstgenannten Typ beruhen Machtverhältnisse auf klaren Regeln und Gesetzen, an die sich Regierende und Regierte gleichermaßen halten. Die Herrschenden werden gewählt oder ernannt. Eine traditionale Herrschaft beruht auf jeher geltenden Ordnungen und Überlieferungen. Das Volk gehorcht als Untertan seinem Herren, wie beispielsweise einem König oder Fürsten von Gottes Gnaden, und befolgt dessen Befehle. Bei der charismatischen Herrschaft basiert die Gefolgschaft auf der Persönlichkeit des Anführers und dem Glauben an dessen besonderen und außergewöhnlichen Fähigkeiten und Talenten.

An schwere Lektüre gewagt

Die Lektüre Max Webers zählt nicht zur leichten Kost, vor allem nicht für eine 17-Jährige. Und dennoch hat sich Fleur Niessen an dessen Modell zur Beschreibung von Herrschaft gewagt. Mit ihrem Film kann sie an diesem Freitagabend den Erklärbären in Gold, Silber oder Bronze gewinnen. Das sind der erste, zweite und dritte Preis beim Erklärvideowettbewerb der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung.

Fleur Niessen kann man trotz ihrer Jugend schon als eine erfahrene Füchsin bei dem Wettbewerb bezeichnen, der zum dritten Mal stattfindet. Denn bereits bei der ersten Auflage nahm die Radebeulerin mit Schulkamerad Julius Roth vor zwei Jahren erfolgreich daran teil. In ihrem damaligen Film beschrieben sie als Zehntklässler, wie der Wirtschaftskreislauf funktioniert.

Sechs Beiträge aus Radebeul in der Endrunde

Mehr als 50 Erklärvideos haben Schüler aus ganz Sachsen beim diesjährigen Wettbewerb eingesandt. Sieger werden sowohl in den Klassenstufen neun und zehn als auch elf und zwölf gekürt. In beiden Kategorien haben es jeweils zehn Beiträge in die Endrunde geschafft. Und auf beiden Listen der Nominierten ist das Lößnitzgymnasium mit zusammen sechs Erklärfilmen vertreten - zwei davon stammen von Fleur Niesen, zum einen über Max Weber und zum anderen über das Modell von David Ricardo, mit dem man den Außenhandel zwischen zwei Ländern erklären kann. Auch Julius Roth hat es mit seinem Erklärvideo über die Europäische Zentralbank unter die Nominierten geschafft.

Dass das Lößnitzgymnasium bei dem Wettbewerb so stark vertreten ist, ist ein Verdienst von Peter Müller. Er unterrichtet Gesellschaft, Recht und Wirtschaft, kurz GRW, im Steinbachhaus und verlangt von der achten bis zwölften Klasse ein digitales Werk pro Schuljahr. „Das Projekt ist seit vier Jahren verpflichtend“, berichtet Müller. Die Schüler können das Thema, was sie in ihrem Film behandeln, frei wählen, es muss aber auf dem Lehrplan des jeweiligen Schuljahres stehen. Bis zur zehnten Klasse können die Jugendlichen in Gruppen zusammenarbeiten, in der elften und zwölften Klasse müssen es Einzelbeiträge sein. Die Teilnahme mit ihren Videos an dem Wettbewerb ist ihnen freigestellt.

Schüler hoffen auf Preisgeld für die Klassenkasse

Das Preisgeld für die Klassenkasse ist ein Beweggrund, warum Fleur Niessen und Julius Roth ihre Clips eingereicht haben. Vor zwei Jahren gab es bei ihrem Sieg noch 500 Euro, die der Abschlussfahrt in der zehnten Klasse zugutekamen. Dieses Mal winken als Preisgeld für den Erklärbären in Gold 300 Euro. Damit wollen beide die Kasse für die Abifahrt aufstocken, wenn es mit dem Gewinn klappen sollte.

Fleur Niessen entpuppt sich im Gespräch als eine Pragmatikerin. Ein besonderes Faible für Philosophie und Soziologie hat sie nicht. Dem Werk Max Webers ist sie erst begegnet, als es Lehrstoff im Unterricht war. Als sie nach einem Thema für ihr Erklärvideo suchte, stand zunächst nur eines fest: Duplofiguren müssen eine Rolle spielen. Und beim Durchsuchen des Lehrplans stieß sie auf Webers Herrschaftsmodell. „Sein Schema lässt sich einfacher erklären als Begriffe wie autoritär und totalitär“, meint die Abiturientin.

Tipps und Kniffe zur filmischen Umsetzung hat sie sich bei ihrem großen Bruder eingeholt. Er ist in der Branche tätig. „Gedreht habe ich aber alles selbst“, betont Fleur Niessen. Auch das Drehbuch samt Regieanweisungen schrieb sie selbst. Das war Bestandteil der von Lehrer Müller geforderten schulischen Leistung. Eine Note erwartet sie noch, so wie auf eine positive Entscheidung der Jury.

Die Preisverleihung beginnt an diesem Freitag um 17 Uhr und wird online übertragen. Die Zuschauer können während der Übertragung live den Gewinner des Publikumspreises küren.

https://us02web.zoom.us/j/81292684094