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Die Landwirtschaft ist in Radebeul auf dem Rückzug, oder doch nicht?

Stadtverwaltung und Landesbehörde legen zwei Statistiken zu Ackerbau- und Weideflächen vor. Ihre Zahlen unterscheiden sich sehr.

Von Silvio Kuhnert
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Außer Betrieb: Die Gewächshäuser der ehemaligen Gärtnerei neben dem Lößnitzbad verfallen zusehends. Schon lange wird dort kein Gemüse angebaut oder gedeihen Beet- und Schnittblumen.
Außer Betrieb: Die Gewächshäuser der ehemaligen Gärtnerei neben dem Lößnitzbad verfallen zusehends. Schon lange wird dort kein Gemüse angebaut oder gedeihen Beet- und Schnittblumen. © Norbert Millauer

Radebeul. Wird Radebeul zugepflastert? Diesen Eindruck kann man beim Blick auf die jüngsten Zahlen aus dem Rathaus bekommen. Die Stadtverwaltung hat einmal jeweils für die Jahre 2011 und 2021 zusammengestellt, wie alle Grundstücke in Radebeul genutzt werden und wie sich diese sogenannten Nutzungsarten verändert haben.

Bei der regen Bautätigkeit im Stadtgebiet verwundert es beispielsweise nicht, dass die Wohnbaufläche von 663,7 auf 671,7 Hektar und damit um acht Hektar angestiegen ist. Zum Vergleich: Ein Hektar entspricht in etwa der Größe eines Fußballfeldes. Ebenfalls um rund acht Hektar sind die industriell genutzten Gewerbeflächen im Stadtgebiet angewachsen. Davon gab es im Jahr 2011 rund 94,4 Hektar und zehn Jahre später circa 102,4 Hektar. Ebenfalls um 8,3 Hektar sind die Gewerbeflächen für Handel und Dienstleistungen gestiegen, und zwar von 31,2 (2011) auf 39,5 Hektar (2021).

Radebeuler Stadtgebiet ist gewachsen

Einen der größten Zuwächse gab es bei den Verkehrsflächen. Die für Straßen, Wege und Plätze beanspruchten Flächen im Stadtgebiet haben sich von 192,9 auf 209,2 und damit um 16,3 Hektar erhöht. Sogar die Stadt selbst ist gewachsen. Die Flächensumme lag 2011 bei rund 2606,1 Hektar. Innerhalb von zehn Jahren ist die Größe des Stadtgebiets auf über 2608,8 Hektar angestiegen. Grund: Im Jahr 2012 gab es einen Gemarkungstausch mit der Nachbarstadt Coswig. Vorwiegend Wald und Gehölze und ein kleiner Anteil Bauland wechselten in das Eigentum der Lößnitzstadt.

Den Größen Flächenschwund gab es nach der Statistik der Stadtverwaltung im Landwirtschaftsbereich. Um 62,3 Hektar oder 62 Fußballfelder schrumpfte die landwirtschaftlich genutzte Fläche innerhalb von zehn Jahren. Wurde Ackerbau und Viehzucht im Jahr 2011 auf 980,6 Hektar betrieben, waren es 2021 nur noch 918,3 Hektar.

Zahl der Landwirtschaftsbetriebe gestiegen

Ein noch dramatischeres Bild bietet sich, wenn man die Daten des sächsischen Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie anschaut. Danach wurden Ende 2020 im Radebeuler Stadtgebiet nur noch 639 Hektar landwirtschaftlich genutzt. Im Zehnjahresvergleich stellt sich allerdings ein anderes Bild dar. Danach ist die Acker- und Weideläche sowie Obst- und Weinanbaufläche gegenüber 2010 sogar um 27 Hektar gewachsen. Die Zahl der Landwirtschaftsbetriebe stieg in dem Zeitraum von 32 (2010) auf 33 (2020) an.

In den Daten der Landesbehörde werden die Weide-, Gärtnerei- und Weinbaufläche nicht separat ausgewiesen. "Gartenbauflächen werden mit bei den Ackerflächen gezählt", teilt Karin Bernhardt mit. Danach gab es im Jahr 2010 in diesem Bereich noch 20 Betriebe, zehn Jahre später sank ihre Zahl auf 17. "Der Weinbau ist Teil der Dauerkulturen", so Bernhardt. Hier gab es innerhalb von zehn Jahren eine Zunahme um vier auf 16 Betriebe.

Die Anzahl der Rinder ist in Radebeul relativ konstant geblieben. 167 waren es im Jahr 2020, 165 im Jahr 2010. In diesem Zeitraum hat sich dagegen die Menge der Pferde von 25 auf 61 erhöht.

Unterschied von 279 Fußballfeldern

Wie lassen sich jedoch die unterschiedlichen Zahlen von Stadt und Landesbehörde erklären? Immerhin machen sie aktuell einen Unterschied von 279,3 Hektar beziehungsweise 279 Fußballfeldern aus. "Bei der hier genannten Landwirtschaftszählung und bei der von Radebeul angegebenen Flächenstatistik handelt es sich um Datenquellen mit unterschiedlichen Erfassungsmethoden und unterschiedlichen Grundgesamtheiten. Deshalb sind die Daten nicht 1:1 vergleichbar", informiert Bernhardt.

Das Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie nimmt jedes Jahr eine Zählung vor. Am Stichtag 31. Dezember werden die Daten zu Ackerbau und Viehzucht für jede Kommune erfasst. Die Datenquelle der Stadtverwaltung beruht dagegen auf dem sogenannten Alkis, dem Amtlichen Liegenschaftskatasterinformationssystem. In diese Datenbank werden Vermessungsdaten eingepflegt, wie Daniela Bollmann, Amtsleiterin Zentrale Leitstelle im Radebeuler Rathaus, informiert. Immer wenn eine Fläche neu vermessen wird, tippen die Vermessungsingenieure die ermittelten Zahlen dort ein. Und so werden nach jeder amtlichen Vermessung die Flächengröße und Nutzungsart entweder bestätigt oder im System geändert.

Mehr Erholungs- und Freizeitflächen

So sind beispielsweise die Angaben zu den Verkehrsflächen ziemlich genau und aktuell. Denn Straßen und Wege werden häufig vermessen, etwa dann, wenn Bauarbeiten bevorstehen. Zwischen dem Vermessen von Landwirtschaftsflächen können dagegen Jahre oder Jahrzehnte vergehen. In der Zwischenzeit liegen sie bereits lange brach oder ihre Nutzung hat sich längst geändert, bis dies in der Katasterdatenbank erfasst ist.

Auch wenn die Daten nicht 1:1 vergleichbar sind, bilden die Vermessungsdaten einen Zustand der Vergangenheit ab. Das Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie dagegen die aktuelle Nutzungsform.

Zwischen 2011 und 2021 haben in Radebeul nicht nur die bebaute Flächen mit Häusern, Gewerbe und Straßen zugenommen. Auch der Anteil an Sport-, Freizeit- und Erholungsflächen inklusive Grünanlagen ist gestiegen, und zwar um 17,2 auf 107,9 Hektar.