Radebeul. Die 30. Karl-May-Festtage haben begonnen. Vor der feierlichen Eröffnung in der Westernstadt "Little Tombstone" und dem Konzert der Country Band "TRUCK STOP" gab es am Freitagnachmittag die Möglichkeit, echte Indianer im Karl-May-Museum kennenzulernen. NuVassie Blacksmith und Delacina mit ihrer Schwester Starr Chief Eagle von der Oglala Lakota Nation gaben als Botschafter ihres Volkes einen Einblick in ihre Kultur.
Doch darf man noch Indianer sagen? Eine einfache Antwort gibt es auf diese Frage nicht. Das Karl-May-Museum hat dazu extra für die Festtage einen Flyer herausgebracht. Die Auflage beträgt 5.000 Stück und diese liegen unter anderem an den Eingängen zum Festgelände aus und sollen einen Beitrag zur Diskussion über den Begriff und die Debatte über kulturelle Aneignung sein. In dem Informationsblatt steht: "Wichtig sollte bei Treffen mit indigenen Menschen aus Nordamerika sein, immer darauf zu achten, wie sie selbst angesprochen werden möchten."
Powwow im Lößnitzgrund
Bei den Karl-May-Festtagen besteht die Chance, mit Ureinwohnern Nordamerikas ins Gespräch zu kommen. Die drei Vertreter der Oglala Lakota Nation, der der größte und bekannteste der sieben Lakota-Stämme ist, traten nicht nur im Karl-May-Museum auf. Beim Powwow am Sonnabend und Sonntag sind sie in der "Kleinen Feder" im Lößnitzgrund zu erleben. "Ich bin Lakota", sagt selbstbewusst Starr Chief Eagle. Ihrer Meinung nach gibt es viele unterschiedliche Stämme mit eigener Kultur und Traditionen. Diese lassen sich nicht in einem Wort zusammenfassen, wie "Indianer", "Native Americans", "Indians" oder "Indigene", so die junge Frau, die aus der Familie von Big Foot kommt. Die Farben ihrer Gewänder und die Muster der Stickereien erzählen, von welchem Volk und aus welcher Familie sie stammt.
Die Worte von Starr Chief Eagle weisen auf ein weiteres Problem hin. "Die eine Alternative zu Indianer gibt es nicht", informiert das Karl-May-Museum auf dem Flyer. Der Begriff "indigen" beispielsweise leitet sich vom lateinischen Wort "indigenus" ab und bedeutet "dort geboren" oder "eingeboren". Indigene Kulturen gibt es nicht nur in Nordamerika, sondern das Wort wird als Oberbegriff für circa 5.000 Völker und 450 Millionen Menschen mit indigenen Wurzeln genutzt – ist also noch viel verallgemeinernder.
Nicht nur mit der Broschüre und einer Gesprächsrunde am Lagerfeuer soll die Diskussion um den Indianerbegriff und die Vielschichtigkeit der Problematik während der Festtage thematisiert werden. Im Gelände haben das Karl-May-Museum und der Verein "One Spirit Deutschland" große Zettel mit Zitaten von Stämmen Nordamerikas ausgehängt, die zum Nachdenken anregen sollen. Es gebe sowohl positive wie auch negative Statements, informiert Kevin Sternitzke, Sprecher des Karl-May-Museums.
"Wir sind DAS Volk, wir sind die Menschen“
So macht Lakota Wicahpi Peta Win auf ein politisches Problem aufmerksam, was weitreichende Folgen haben kann: "Ich achte sehr darauf, wann ich welchen Begriff benutze. Native American, American Indian und Indian sind sehr gebräuchlich und wir werden sie als ein Ganzes beanspruchen. Aufgrund der Verträge, in denen das Wort 'Indian' (Indianer) steht, ist dieser Begriff so wichtig für uns, denn der Inhalt dieser Verträge gilt nur für diejenigen, die sich auch als Indianer bezeichnen."
Oder Santee-Sioux John Trudell (1946-2015), Sänger, Schauspieler und Aktivist des American Indian Movement (AIM) vertrat folgenden Standpunkt: „Wir sind nicht Indians und wir sind nicht Native Americans. Wir sind älter als diese beiden Konzepte. Wir sind DAS Volk, wir sind die Menschen.“
Ein weiterer Standpunkt der amerikanischen Indianerbewegung AIM liegt Kerstin Schmäling, Chefin vom Traumfänger Verlag, vor. Diese Organisation sagt, dass, solange diese sich nicht selbst umbenennt, müsse man sich in Deutschland keine Gedanken machen. Schmäling ist seit 2010 Übersetzerin bei den Karl-May-Festtagen und bringt Bücher der Indianistik heraus. Sie bekommt die Folgen der Debatte zu spüren. Als sie Lebensberichte von Menominee oder Lakota unter ihren Stammesbezeichnungen herausbrachte, hieß es von den Buchhäusern, die kennt niemand. "Also wurden Indianererzählungen daraus", berichtet Schmäling. Nun meiden Buchhäuser ihre Publikationen wegen des "i-Worts". Dies treffe auch auf indigen zu.
Besser miteinander als bloß übereinander reden
Dies habe fatale Folgen, wie Schmäling weiter ausführt. Auch Schulen meiden Indianerprojekte. Die Ureinwohner Nordamerikas geraten so aus dem Blickpunkt und dem öffentlichen Interesse, werden verschwiegen und vergessen. "Ich habe als Kind Indianer gespielt. Und wie weit hat mich dies gebracht? Ich spreche die Sprache der Lakota und habe sie besucht", sagt Schmäling. Das Wort "Indianer" wurde nie negativ genutzt, wie sie weiter ausführt. Dagegen regt sie die Eintragung im Duden auf. Dort wird als ein Synonym für "Indianer" "Spürhund" aufgeführt. "Hier werden Menschen mit Tieren gleichgesetzt. Das ist rassistisch", empfindet Schmäling.
Vom Autor Karl May hat Delacina Chief Eagle schon gehört, bevor sie nach Deutschland und Radebeul kam. Die Darstellung der Indianer in seinen Büchern empfindet sie als klischeehaft. "Ich bin aber sehr glücklich, dass er die Menschen hier inspiriert, sich für uns zu interessieren", sagt sie. Der beste Weg, etwas über Deutsche zu erfahren, sei nach Deutschland zu reisen und mit ihnen zu sprechen. Und so sei es auch andersherum, wenn man die Lakota kennenlernen will. Um zwischen uns und ihnen Brücken zu bauen, sind die drei von der Oglala Lakota Nation zu den Karl-May-Festtagen gekommen. NuVassie Blacksmith und Delacina Chief Eagle sind nach 2019 zum zweiten Mal auf dem Fest dabei.
Die Festtage sind aber nicht nur politisch. Sondern Freude und Feiern, ein Spaß für Groß und Klein mit vielen Abenteuern werden im Karl-May-Museum sowie im Lößnitzgrund den Besuchern geboten. Ein Höhepunkt der Festtage ist die große Sternreiterparade am Sonntag, wenn hunderte Reiter – angeführt von Westernvereinen und Linedancern – gegen 10 Uhr über die Meißner Straße ziehen. Winnetou höchstpersönlich ehrt den Sternreiter mit dem weitesten Ritt nach Radebeul.