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Warum seltene Wildbienen im Radebeuler Weinberg heimisch werden

Im Weinberg "Goldener Wagen" wurde die Rote Zweizahnbiene gefunden. Es ist eine Kuckucksbiene. Sie benötigt eine Wirtsbiene und diese ist sehr eigen.

Von Silvio Kuhnert
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Alexander Thau, stellvertretender Weinbauleiter des Staatsweinguts Schloss Wackerbarth betrachtet zwischen Rebstöcken eine Pflanze der Gattung Natternkopf. Deren Pollen sind für einige Wildbienenarten überlebenswichtig.
Alexander Thau, stellvertretender Weinbauleiter des Staatsweinguts Schloss Wackerbarth betrachtet zwischen Rebstöcken eine Pflanze der Gattung Natternkopf. Deren Pollen sind für einige Wildbienenarten überlebenswichtig. © Norbert Millauer

Radebeul. Die Weinberge an der Hoflößnitz waren bereits vor 100 Jahren ein Paradies für Wildbienen. Diese Insektenart zog zahlreiche Liebhaber an. Sie kamen nach Radebeul, um diese zu beobachten. Und ein Garten Eden für Wildbienen scheint die Premiumlage Goldener Wagen wieder zu werden. Denn kürzlich wurde dort ein spektakulärer Wildbienen-Fund gemacht.

Die extrem seltene Rote Zweizahnbiene hat der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) bei einem Wildbienen-Monitoring in den Weinbergen entdeckt. Unterhalb des Bismarckturmes konnten zwei Individuen dieser Art mit dem lateinischen Namen "Dioxys cincta" beobachtet werden. "Die Biene ist extrem selten und wurde in Deutschland bisher nur aus Brandenburg gemeldet, mit zwei Funden im Jahr 2020", teilt der BUND-Landesverband Sachsen mit. Dieser ist dabei einen Wildbienenlehrpfad in Radebeul aufzubauen. Deshalb wird bei dem Monitoring derzeit erfasst, welche der über 560 verschiedenen in Deutschland lebenden Wildbienenarten im Elbtal und den Hängen der Lößnitz vorkommen.

Ausbreitung entlang der Elbe

Die Rote Zweizahnbiene ist in Tschechien heimisch. Es wird vermutet, dass sich dieses Insekt entlang der Flussläufe von Elbe beziehungsweise Oder-Neiße ausbreitet, was sich mit dem Fund des BUND Sachsen zu bestätigen scheint. Die Ausbreitung nach Norden erfolgt vermutlich im Zusammenhang mit dem Klimawandel. Der deutsche wie der wissenschaftliche Name der Roten Zweizahnbiene bezieht sich auf die Form des Rückenschildchens der Biene. Vertreter dieser Art sind acht bis zwölf Millimeter lang.

"Ein wirklich toller Fund. Die Rote Zweizahnbiene ist eine Kuckucksbiene", berichtet BUND-Wildbienen-Expertin Mandy Fritzsche. Das heißt, diese Wildbienenart baut keine eigenen Nester, sondern sie schmuggelt ihre Eier in die Nester anderer Wildbienenarten. Hier ist sie sehr wählerisch. "Die entdeckten Bienen flogen an den Nestern der Matten Natternkopfbiene, die sich dort an den Weinbergmauern finden", so Fritzsche.

Im Weinberg unterhalb des Bismarckturms wurde die seltene Rote Zweizahnbiene (Dioxys cincta) gefunden.
Im Weinberg unterhalb des Bismarckturms wurde die seltene Rote Zweizahnbiene (Dioxys cincta) gefunden. © apidarium.de

Der Wirt, die Natternkopfbiene, ist sehr speziell und eigen. Diese Wildbiene nistet an großen Steinblöcken und Steinmauern. Sie baut ihr Nest nur dort, wo sie im Umkreis von 20 Metern ihre Nahrungsquelle findet. Wie der Name dieser Wildbienenart verrät, ernährt sie sich vom Pollen des Natternkopfes. Die zur Familie der Raublattgewächse gehörende Pflanzenart hat blau-violette Blüten und wird daher im Volksmund „Blauer Heinrich“, in Österreich auch „Himmelbrand“, „Starrer Hansl“ oder „Stolzer Heinrich“ genannt. In den Weinbergen links und rechts der Spitzhaustreppe sind auf den Trockenmauern und zwischen den Weinstöcken viele Natternköpfe zu sehen.

Verzicht auf Unkraut- und Insektenvernichtungsmittel

In dieser Steillage baut das Staatsweingut Schloss Wackerbarth Wein an. "Wir bewirtschaften unsere Weinberge naturnah und nachhaltig – greifen dabei sowohl auf altes Winzerwissen wie auch auf neue Technologien zurück", berichtet Weinbauleiter Till Neumeister. In den Steillagen und Terrassenweinbergen, wie den Goldenen Wagen, verwenden die Winzer von Schloss Wackerbarth seit sieben Jahren kein Glyphosat zur Unkrautbekämpfung. "Wir schützen das sensible Ökosystem und den Lebensraum Weinberg auch, indem wir auf den Einsatz nützlingsschädigende Insektizide und mineralische Dünger verzichten", so Neumeister.

Auch wenn das Staatsweingut kein Biosiegel für seine Weine anstrebt, unterscheidet sich der Weinbau in den Spitzenlagen von Biobetrieben kaum. "Um die Fruchtbarkeit und Vitalität des Bodens zu unterstützen, setzen wir auf eine natürliche, standortangepasste Begrünung", informiert Neumeister. Hierfür werden spezielle Pflanzen als Bodendecker zwischen den Rebstöcken eingesät. Diese müssen mit der Zeit auch gemäht werden. Hierfür setzen die Winzer in der Steillage auf eine schonende, mechanische und manuelle Bodenbearbeitung. Auf der Seußlitzer Heinrichsburg lassen sie zudem Schafe in ausgewählten Weinbergen grasen.

Aktualisierung der Roten Liste

Resultat dieser Mühen ist, dass neben Wildbienen in den Steillagen verschiedene Echsen, Insekten und Schmetterlinge leben. Alexander Thau, stellvertretender Weinbauleiter, hat auf seinem Smartphone beispielsweise eine App installiert, in der er schnell nachschauen kann, welches ihm unbekannte Insekt gerade um den Kopf herumschwirrt oder zu seinen Füßen auf dem Boden krabbelt, wenn er im Weinberg arbeitet.

Seit 2020 führt der BUND Sachsen an ausgewählten Standorten ein Wildbienen-Monitoring durch. „Viele Wildbienenarten sind stark gefährdet oder vom Aussterben bedroht. Um Wildbienen in der Region nachhaltig schützen zu können, sind Erkenntnisse über die Verbreitung verschiedener Wildbienenarten notwendig", informiert Maxi Weber, Koordinatorin des Wildbienen-Projekts beim BUND Sachsen. Die Erfassung sei nicht nur wichtig für BUND-Projekte und die zielgerichtete Umsetzung von Schutzmaßnahmen, sondern ebenso für die Wissenschaft und die Aktualisierung der Roten Liste Sachsen. "Sowohl für die Kuckucksbiene Rote Zweizahnbiene als auch für die Wirtsbiene Matte Natternkopfbiene ist der Natternkopf als Pollenquelle überlebenswichtig. Das sollten vor allem auch die Weinbergbewirtschafter berücksichtigen“, ergänzt Wildbienen-Expertin Mandy Fritzsche.