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Radebeuler sind wegen Filialschließung verärgert über die Post

Seit Anfang dieses Jahres gibt es keine Postfiliale in Radebeul-Ost. Der Stadtrat fordert Ersatz im Zentrum und nicht am Stadtrand.

Von Silvio Kuhnert
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Anna Gungl steht vor der leeren Postfiliale an der Hauptstraße in Radebeul-Ost. Sie hat diese nicht nur für das Senden von Briefen und Paketen genutzt, sondern auch für Bankgeschäfte. In der Nähe gibt es keine Alternative.
Anna Gungl steht vor der leeren Postfiliale an der Hauptstraße in Radebeul-Ost. Sie hat diese nicht nur für das Senden von Briefen und Paketen genutzt, sondern auch für Bankgeschäfte. In der Nähe gibt es keine Alternative. © Matthias Schumann

Radebeul. Das Ladengeschäft Hauptstraße 26 a im Wohn- und Geschäftshaus "Vier Jahreszeiten" im Zentrum von Radebeul-Ost ist verwaist. Am Fenster ist ein Plakat mit der Aufschrift "zu vermieten" angebracht, innen alles leer. Von der Postfiliale, die sich bis Ende vorigen Jahres dort befand, ist nur noch ein gelber Streifen über Türen und Schaufenster geblieben. Schilder und Banner mit "Deutsche Post", "Postbank" und "DHL" sind entfernt.

"Wo sollen wir nun unsere Briefe und Pakete aufgeben?", fragt Anna Gungl. Und nicht nur das. Sie ist auch Kundin der Postbank. Bislang konnte sie für ihre Bankgeschäfte die Filiale an der Hauptstraße nutzen. Seit 1965 lebt Gungl in Radebeul. Sie kann sich noch an Zeiten erinnern, als es das große Postamt neben dem Rathaus gab. "Das wurde gleich nach der Wende geschlossen", sagt sie.

Und jetzt soll das Zentrum von Radebeul-Ost ohne eine Filiale sein? Diese konnte Gungl bislang zu Fuß erreichen. Doch jetzt muss sie die öffentlichen Verkehrsmittel nehmen, um an die Standorte nach Radebeul-West oder im Elbepark zu gelangen. Allerdings bieten diese keine Dienstleistungen der Postbank an. Und die Filiale im Dresdner Einkaufszentrum ist mit Bus oder Bahn von der Hauptstraße aus nicht so einfach zu erreichen.

Im Schnitt rund 10.000 Postkunden im Monat

Die Schließung der Postfiliale mit der Nummer 538 sorgt für Verärgerung. Das Geschäft hatte im Schnitt 10.000 Kunden pro Monat, gehörte jedoch nie direkt zum Konzern, sondern war als Post-Agentur nur Partner. Doch das Vergütungssystem wurde immer schlechter für den Betreiber. Im vorigen Jahr wurde ihm dann vonseiten der Post nahegelegt, seine Verträge zu kündigen. Ihm wurde mitgeteilt, dass man für seine Filialen weder in Meißen noch in Radebeul eine Zukunft sehe. Zweischaltrige Filialen seien nicht mehr zeitgemäß. Man setze auf das Shop-in-Shop-Konzept sowie Paket- und Poststationen, hieß es.

Weder an seine Partner noch an die Kunden hat die Post gedacht. Denn das Unternehmen teilte im vorigen Herbst noch mit: "Wir sind in Radebeul bereits intensiv auf der Suche nach einem neuen Kooperationspartner aus dem Einzelhandel oder örtlichen Gewerbe, der Interesse daran hat, eine neue Partner-Filiale in seinen Geschäftsräumen zu betreiben." Eine erneute Anfrage, wie es denn um diese Bemühungen steht, blieb bislang unbeantwortet.

Auch im Rathaus ist nichts bekannt, dass die Suche Erfolg hatte. "Am 1. Januar ging das Licht bei der Post im Zentrum von Radebeul-Ost aus. Es gibt keine Alternative", sagt Baubürgermeister Jörg Müller (parteilos). Es werde auf die Standorte im Kaufland an der Weintraubenstraße in Radebeul-Mitte und an der Ecke Meißner, Moritzburger Straße in West verwiesen. Jedoch gebe es Gerüchte, dass Postdienstleistungen in der Peripherie von Radebeul-Ost angeboten werden sollen. Müller stellt klar, dass er sich nicht an Gerüchten beteiligt. Und betont, dass eine Filiale ins Zentrum des Stadtteiles gehöre.

Erinnerung an Pflichten

"Für uns als Verwaltung und Stadtrat ist es nicht egal, was die Deutsche Post treibt", sagt Müller. Deshalb bekommt dessen Vorstand in den nächsten Tagen ein Schreiben aus der Lößnitzstadt. Die Räte haben auf ihrer ersten Sitzung des jungen Jahres eine Resolution einstimmig verabschiedet, mit der sie ihren Unmut über die Schließung zum Ausdruck bringen und eine neue Filiale fordern. Diese soll "im lebendigen, fußläufig erreichbaren und dicht bewohnten Zentrumsbereich der Radebeuler Hauptstraße, zwischen Meißner Straße und Bahnhof Radebeul-Ost, angesiedelt werden", heißt es dort.

Die Räte erinnern die Post an ihren gesetzlichen Auftrag: "Nach der Post-Universaldienstleistungsverordnung (PUDLV) muss in Gemeinden mit mehr als 4.000 Einwohnern eine Filiale in zusammenhängend bebauten Gebieten in maximal 2.000 Metern erreichbar sein." Mit der Schließung der Filiale 538 sei die Versorgungskette am östlichen Ende der Stadt jedoch gerissen.

Die Filiale im Kaufland sei keine Alternative. Den Supermarkt steuern eher autofahrende Kunden an. Sie sei nicht dafür ausgelegt für Anwohner, die ihre Filiale fußläufig erreichen wollen oder müssen. Die Hauptstraße bildet dagegen eines der beiden Zentren der Stadt und ist durch öffentliche Verkehrsmittel hervorragend erschlossen. Nicht zuletzt wohnen im Umkreis "auch viele ältere Menschen, die nicht nur auf die räumliche Nähe, sondern auch auf den Service einer Filiale in besonderer Weise angewiesen sind", heißt es in der Resolution.

Aufgabe der Daseinsvorsorge

Auf die Sorgen und Nöte betagter Einwohner ging auch Stadtrat Martin Oehmichen (Bürgerforum/Grüne) ein: "Eine alte Dame soll ein Paket an ihren Enkel nicht mehr abschicken können. Der ältere Herr muss eine App herunterladen, um eine Packstation nutzen zu können." So werden neue Barrieren auf- statt abgebaut.

CDU-Stadtratsfraktionschef Ulrich Reusch stellt fest, dass Post und Bahn zwei klassische Aufgaben der Daseinsvorsorge seien. Beide stehen allerdings für zwei große Fehlentwicklungen in Deutschland. "Es fehlt die Orientierung am Gemeinwohl", sagte Reusch und merkte an, dass, wenn die Lokführer wie früher Beamte wären, sie nicht streiken dürften. Er verwies auch darauf, dass die Postbank zur Deutschen Bank gehöre. Diese hatte bereits Ende 2022 ihre SB-Stelle in Radebeul geschlossen. "Eine gut funktionierende Postfiliale mit Postbank belebt unser Zentrum", so Reusch.

AfD-Stadtratsfraktionschef René Hein sagte, dass die Post ihr Kerngeschäft vernachlässige. Er ist allerdings skeptisch, ob die Resolution beim Konzernvorstand zu einem Umdenken führt. "Ob es was bringt, darf ich bezweifeln", so Hein.

Kritik an Privatisierung

Stadtrat Andreas Franzke (Freie Wähler) führte aus, dass die Bürger interessiert seien, viel digital zu machen. "Wenn man aber im Online-Handel ein Paket bestellt hat und der Inhalt stellt sich als falsch heraus, muss es wieder zurückgeschickt werden", so Franzke. Dafür benötigt man die Post.

Ein Sterben der klassischen Postdienste macht FDP-Stadtratsfraktionschef Alexander Wolf nicht nur in Deutschland aus. Auch in der Schweiz setze ein Schließen von Postämtern ein. Für ihn sind das Beispiele, dass eine Marktliberalisierung nicht immer funktioniere.

Linken-Stadtrat Daniel Borowitzki meinte, dass die Wortmeldungen von CDU und FDP sich anhörten, als kämen sie aus seiner Partei. Die Linke habe immer die Privatisierung von Aufgaben der Daseinsfürsorge kritisiert. Das Beispiel Post zeige, dass dies nicht immer der richtige Weg sei, so Borowitzki.