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Das THW Radebeul wünscht sich mehr Wertschätzung für seine Leistungen

Beschimpfungen von Einsatzkräften nehmen auch in unserer Region zu. Doch was die ehrenamtlichen Kameraden des Radebeuler THW in ihrer Freizeit leisten, verdient mehr als Respekt, wie die Bilanz für 2023 zeigt.

Von Silvio Kuhnert
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Kein Raumschiff, sondern die mobile Hochleistungspumpe des THW, eine der leistungsstärksten in Europa. Mit dieser haben die Ortsverbände Radebeul und Riesa sowie die Feuerwehr Coswig den Kötitzer Kiessee gerettet.
Kein Raumschiff, sondern die mobile Hochleistungspumpe des THW, eine der leistungsstärksten in Europa. Mit dieser haben die Ortsverbände Radebeul und Riesa sowie die Feuerwehr Coswig den Kötitzer Kiessee gerettet. © THW Radebeul

Radebeul. Der Einsatz einer von Europas leistungsstärksten mobilen Pumpen bleibt den Kameraden vom Ortsverband Radebeul des Technischen Hilfswerks (THW) noch länger in Erinnerung. "Sie kann bis zu 25.000 Liter in der Minute bewegen", sagt Andreas Gruhl, Beauftragter für Öffentlichkeitsarbeit. Die Pumpe selbst kommt aus dem benachbarten THW Ortsverband Riesa und gemeinsam mit den Kameraden aus der Stahlstadt sowie der Feuerwehr Coswig wurde ein Kraftakt erfolgreich umgesetzt. Das Wort "Katastrophe" möchte Gruhl nicht verwenden, um das Einsatzgeschehen Mitte September vorigen Jahres an der Kötitzer Kiesgrube zu beschreiben. Aber es ging darum, die Gefahr abzuwenden, dass unbrauchbares Seewasser ins Grundwasser gelangt und dieses verunreinigt.

Wegen Hitze und niedrigem Wasserstand war der Sauerstoffgehalt im Kiessee stark zurückgegangen. Fische starben. Und es drohte, dass das Gewässer völlig aus dem biologischen Gleichgewicht gerät und kippt. Die Gefahr, die es abzuwenden galt, war ein unkontrolliertes Ausbreiten von Blaualgen. Diese Cyanobakterien bilden Toxine. Die Giftstoffe durften nicht das Grund- und Trinkwasser verseuchen. Aus diesem Grund wurde das THW Radebeul und Riesa sowie die Feuerwehr Coswig um Hilfe gebeten. Der Riesaer Ortsverband stellte und betrieb die mobile Pumpe, mit der sie Tag und Nacht das Wasser des Baggersees umwälzten. Die Pumpe saugte dieses an, das sofort wieder wie bei einem Springbrunnen zurück in den See gesprüht wurde. So wurde Sauerstoff in das Gewässer eingetragen.

OV Radebeul zählt 117 Mitglieder

Ein Umkippen des Sees konnte so verhindert werden. Oder wie es Andreas Gruhl beschreibt: "Die guten Bakterien gewannen wieder die Oberhand." Der Sauerstoffgehalt stieg durch den fünftägigen Dauereinsatz und ein Erholen der biologischen Aktivitäten trat ein.

Das Wasser der Kiesgrube drohte, biologisch umzukippen. Daher wurde es mit der Pumpe angesaugt und anschließend wieder in den See gesprüht, um Sauerstoff einzutragen.
Das Wasser der Kiesgrube drohte, biologisch umzukippen. Daher wurde es mit der Pumpe angesaugt und anschließend wieder in den See gesprüht, um Sauerstoff einzutragen. © THW Radebeul

Das THW wird oft auch die blaue Feuerwehr bezeichnet. Die Kameraden beider Organisationen handeln im Bereich des Katastrophenschutzes. Während die Feuerwehrleute vor allem lokal vor Ort Brände löschen, Menschen aus Unfallwagen bergen oder Türen öffnen und Tragehilfe leisten, "werden wir gerufen, wenn die Feuerwehr es nicht mehr allein schafft und Verstärkung benötigt. Unsere THW-Strukturen ermöglichen ein bundesweites Agieren", berichtet Gruhl. Deutschlandweit zählt das THW rund 85.000 ehrenamtliche Mitglieder. Im Radebeuler Ortsverband sind 117 aktiv, davon 17 Mädchen und Jungen in der Jugendgruppe sowie um die 15 in der Grundausbildung.

Letztgenannte dürfen zu den technisch anspruchsvollen Einsätzen noch nicht ausrücken. Sondern sie stecken noch mitten in der Ausbildung. Und dort gilt es einiges zu lernen. So gehören Spreizer und hydraulische Scheren bis hin zu Betonsägen zur Ausrüstung des THW. Mit diesen kann man enorme Kräfte entwickeln. Auch Leitern und Gerüste müssen sicher aufgestellt werden. Beim THW geht es um 15 Meter und noch mehr Länge beziehungsweise Höhe. Da werde es ohne fachmännische Absicherung gefährlich auf diese zu klettern, so Gruhl. Aber auch der Umgang mit Stromaggregaten oder das Aufstellen von Lichtmasten, die Sturmböen standhalten können, gehören zu den Aufgaben des THW.

Auf schwere Bergung spezialisiert

So leuchten die Kameraden beispielsweise Einsatzorte von Rettungskräften aus. Oder sie werden wie Anfang Februar vorigen Jahres zu einem Rohrbruch an einer Talsperre gerufen. Aufgrund tiefer Temperaturen war der Zulauf zur Kläranlage Seifersdorf geplatzt. Dieser befindet sich in direkter Nähe zur Talsperre Malter, von der aus auch Trinkwasser gewonnen wird.

Durch das THW und die Freiwillige Feuerwehr Dippoldiswalde wurde anfangs eine Quellkade aus Sandsäcken und einer mobilen Ölsperre aufgebaut, um das austretende Abwasser auf der Straße aufzufangen und in Tankwagen zu pumpen. Zugleich musste an der geborstenen Leitung eine Pumpe in Stellung gebracht werden, die über eine rund 1.200 Meter lange Schlauchtrasse - verlegt vom THW - das Schmutzwasser in das Klärwerk pumpte. Da sich die Reparatur der Leitung über annähend eine Woche zog, wurde auch der OV Radebeul alarmiert. Der Auftrag war es, zwei Kameraden für die Schmutzwasserpumpe zu deren Überwachung zu entsenden. Der OV verfügt über ausgebildete Fachleute für solche Spezialaufgaben.

Das THW ist in Deutschland in acht Landesverbände untergliedert. Sachsen und Thüringen bilden einen gemeinsamen Verband, der aus Ortsverbänden besteht. Bundesweit gibt es insgesamt 668 davon. Diese verfügen über mindestens einen Technischen Zug, einen Bergungstrupp sowie eine Gruppe für Notversorgung. Hinzu kommen Spezialgebiete. "Der OV Radebeul ist auch auf die schwere Bergung spezialisiert", informiert Gruhl. Das heißt, Kameraden verfügen über das Knowhow sowie die technische Ausstattung, um beispielsweise das Einstürzen von Hauswänden zu verhindern oder ein halbes Gebäude anzuheben. Eine weitere Spezialaufgabe ist die Abwehr von Wassergefahren, sprich Hochwasser. Vier Boote zählt das THW Radebeul zu seinem Equipment.

In der Fahrzeughalle wird es eng

Diese sind wie auch die Fahrzeuge, darunter fünf Lkw, im Stützpunkt an der Wilhelm-Eichler-Straße untergebracht. Direkt neben der Feuerwache Kötzschenbroda ist der 2006 eingeweihte Neubau Teil des Rettungszentrums Radebeul-West. Doch mittlerweile platzt die Fahrzeughalle aus allen Nähten. Die Einsatzfahrzeuge stehen dicht an dicht, mitunter passt gerade noch ein Stück Papier zwischen die Stoßstangen. Eine Erweiterung des Stützpunktes steht auf der Wunschliste des Ortsverbandes.

Ein weiterer Wunsch ist laut Gruhl auch mehr Wertschätzung für die geleistete Arbeit. Alle Mitglieder vor Ort engagieren sich ehrenamtlich, wenn sie dann noch für ihr Engagement beschimpft und beleidigt werden, schmerzt das. Beleidigungen nehmen auch in unserer Region zu, vor allem dann, wenn Alkohol mit im Spiel ist, wie Gruhl berichtet. Zu den Einsätzen des Radebeuler THW gehört auch das Absichern von Veranstaltungen. Im kommenden Monat sind Kameraden unter anderem wieder beim Faschingsumzug in Radeburg dabei, Anfang Mai unterstützen sie den Treppenlauf in der Lößnitzstadt und im Herbst den Dresden-Marathon.


Der letzte Einsatz im vorigen Jahr war vor Weihnachten. Aufgrund der Reisewelle vor den Feiertagen staut es sich erfahrungsgemäß immer auf der Autobahn 4. Dieses Jahr kam noch ergiebiger Schneefall hinzu. Zum Bereitschaftsbereich der Radebeuler zählte der Autobahnabschnitt zwischen Wilsdruff und der Anschlussstelle Siebenlehn. Dort mussten sie einige Unfallstellen absichern sowie einen Lkw mit Motorschaden abschleppen.