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Udo Kühns Ideen am Sächsischen Weinwanderweg werden fehlen

Udo Kühn - Winzer, Rudersportler, Hobby-Historiker - ist bei einem Fahrradunfall in Radebeul tödlich verunglückt. Ein Nachruf.

Von Peter Redlich
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So haben ihn viele Weinwanderer kennengelernt - Udo Kühn mit Strohhut am Brunnenhaus auf der Besenwirtschaft Jägerhof im Paradies.
So haben ihn viele Weinwanderer kennengelernt - Udo Kühn mit Strohhut am Brunnenhaus auf der Besenwirtschaft Jägerhof im Paradies. © privat

Radebeul. Er hat vielen Menschen Freude und Interessantes gebracht. Den Lesern der Sächsischen Zeitung und von sächsische.de dürfte Udo Kühn mindestens bekannt sein durch seine Entdeckung im Backofen seines Hauses. Dort fand sich ein nur halb verbranntes Dokument, welches nachweist, dass es in Radebeul eine Eliteschule der Nationalsozialisten gab. Der mittelgroße, sportliche Mann ist den meisten Radebeulern und Touristen auf dem Sächsischen Weinwanderweg in seiner Besenwirtschaft am Weinberg Paradies begegnet.

Das Tor war fast immer geöffnet. Und selbst wenn nicht, konnte man den Hausherrn rufen oder klingeln, und er goss freundlich ein Glas Wein ein. Kredenzt wurde das immer mit Storys um die Geschichte des Paradieses in Radebeul.

Bronze bei den Weltmeisterschaften

Jetzt ist Udo Kühn vielleicht im Paradies, wie man so sagt. Verdient hat er es. Ende September ist der 58-Jährige bei einem Fahrradunfall in Radebeul-Ost so schwer verletzt worden, dass er im Krankenhaus starb. Radebeuls Oberbürgermeister Bert Wendsche (parteilos) sagte, als er davon erfuhr: „Udo Kühn war einer, der immer neue Ideen hatte, umtriebig und hilfsbereit war und damit das Leben in der Stadt bereichert hat.“

Zur Welt gekommen im vogtländischen Oelsnitz engagierte er sich im Sport und wurde mit 15 Jahren als Leichtgewicht als Leistungssportler für den Rudersport ausgewählt. Als gewiefter Steuermann in verschiedenen Bootsklassen war er gefragt. 1980 kam er zum SC Einheit Dresden. 1984 verhinderte der Olympiaboykott der DDR den Start bei den Spielen in Los Angeles. Später war er in verschiedenen Mannschaften Studentenweltmeister, dreimal Sprint-Europameister sowie mehrfach Deutscher Meister. Sein größter Erfolg - die Bronzemedaille mit den Dresdner Ruderlegenden Olaf Förster und Thomas Greiner - errudert 1986 bei der Weltmeisterschaft im britischen Nottingham.

Die beliebte Besenwirtschaft der Familie Kühn ist geschlossen, aber nur vorerst.
Die beliebte Besenwirtschaft der Familie Kühn ist geschlossen, aber nur vorerst. © Peter Redlich

Eine Stätte der Sammelleidenschaft

In Radebeul ist der Erzgebirgler sesshaft geworden. Mit seiner Frau Christine, die Lehrerin für Englisch und Russisch an der Oberschule in Coswig-Kötitz ist, hat er ein Grundstück in den Radebeuler Weinbergen erworben. Das kleine Fachwerkhaus darauf, mit der Anschrift Auf den Bergen 11, ist auf dem Sächsischen Weinwanderweg vom Stadtweingut Hoflößnitz Richtung Wackerbarth die nächste Raststation für Touristen. Grundstück und Gebäude, in welchem einst der Hausmeister der Bankiersfamilie Goldschmidt wohnte und das nach 1945 die DDR-Gewerkschaft FDGB nutzte, musste aufgeräumt, das Haus saniert werden. Die Kühns sind beides mit Tatkraft angegangen und haben eine weithin bekannte Besenwirtschaft dort eingerichtet - die hier alle Jägerhof im Paradies nennen, obwohl sich der eigentliche Jägerhof ein paar Meter weiter östlich befindet.

Auf dem Jägerhof hatte Udo Kühn immer wieder neue Ideen, um Besucher zu locken und ihnen eine Freude zu bereiten, vor allem den Kindern. Mal war es eine Kugelbahn den Berg hinab, mal eine Seilrutsche oder ein anderes Spiel. Das ehemalige Brunnenhaus auf dem Hof ist seine Stätte der Sammelleidenschaft. Wer sich hier drin umschauen kann, trifft auf historische Zeichnungen, Schriften und Sammelstücke aus der königlichen Weinberggeschichte Radebeuls.

Alles Geschichte

Dort wo die Kühns um die Ecke ihren Terrassenweinberg mit 350 Rebstöcken bewirtschaften, hat der umtriebige Hobby-Historiker eine Burg tief aus dem Mittelalter vermutet. Auch in der SZ nachzulesen (Auf ins Paradies). Geschichte ausgegraben hat der Radebeuler ebenso weiter elbaufwärts. Beteiligt mit einem Stand zu den Markttagen auf der Festung Königstein kamen den dortigen Stadtherren seine sächsischen Geschichtskenntnisse gerade recht. Christine Kühn: „Udo hat mehrere Jahre mitgeholfen bei der Aufarbeitung des Stadtarchivs.“

Jetzt ist das alles Geschichte. Christine Kühn hat am Tor eine Aufschrift angebracht, dass die Besenwirtschaft geschlossen ist. Vorerst, sagt sie. Im Frühjahr will sie wieder für Weinwanderer öffnen. „Das ist doch sein Leben gewesen - das Haus, das Grundstück, die Besenwirtschaft. Zusammen mit unseren Söhnen Stefan und Albrecht wollen wir das in seinem Sinne bewahren.“