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Weinböhla: Lachen und Weinen sind nah beieinander

Eigentlich bringt sie als „Frau Andrea“ die Leute zum Lachen. Jetzt ist Andrea Müller auch Trauerrednerin. Dafür musste sie sogar ihren eigenen Abschied planen.

Von Beate Erler
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Trauerrednerin Andrea Müller auf dem Friedhof in Weinböhla.
Trauerrednerin Andrea Müller auf dem Friedhof in Weinböhla. © Norbert Millauer

Weinböhla. Ihre erste und schwerste Abschiedsrede hat sie vor 19 Jahren gehalten. Kurz vor ihrem 30. Geburtstag war ihr Vater unerwartet gestorben. Er war Lehrer, sehr beliebt und viele Menschen waren bei seinem Abschied dabei. „Damals fragte mich der Pfarrer, ob ich ein paar persönliche Worte sagen möchte“, erinnert sich Andrea Müller. Schon damals war es ihr wichtig, von besonderen Momenten und Geschichten zu erzählen und ihren Vater zu beschreiben, wie er war: „Herzlich, hilfsbereit und er hatte ein Talent, sich über die kleinen Dinge zu freuen“, sagt die Weinböhlaerin.

Dass sie das einmal beruflich machen würde, Trauerreden halten, hat sie damals und auch lange Zeit danach nicht geahnt. Schließlich ist Andrea Müller seit sieben Jahren als Comedian „Frau Andrea“ in Weinböhla und auch darüber hinaus unterwegs. Unter dem Motto „Starke Weiber dürfen alles“ hat sie zwei Soloprogramme entwickelt. In denen geht es um Diäten, müde Männer und Schuhe. „Mein Programm ist auch tiefgründig und vermittelt die ein oder andere Botschaft, aber um das Thema Tod geht es natürlich nicht“, sagt die 49-Jährige.

Trotzdem kommt immer wieder die Frage „Hältst du eigentlich auch Abschiedsreden?“ Freunde, Kollegen und Menschen, die sie durch ihre Arbeit auf der Bühne trifft, fragen sie das. Der Grund ist ihre Stimme, sagt Andrea Müller. Die Leute finden sie schön und berührend und sagen ihr immer wieder, dass sie sich als Trauerrednerin versuchen sollte. „Ich bin Comedian, da passt das nicht“, hat sie anfänglich geantwortet.

Rechtspflegerin, Comedian, Trauerrednerin

Sie erinnert sich an die Trauerreden, die sie als Kind und Erwachsene gehört hat. Oft waren sie unpersönlich, austauschbar und so geschrieben, dass man fast nichts über den Menschen erfahren hat. „Eigentlich war es fast immer das übliche Geleiere“, sagt Andrea Müller. Sie mag es, mit Menschen zu sprechen, sie zu unterhalten und zu berühren. „Und das kann ich mit einem Comedy-Programm genauso wie mit einer Abschiedsrede“, sagt sie.

Vor ihrer Selbstständigkeit als Comedian war Andrea Müller lange Zeit Rechtspflegerin und hat sich damals auch schon mit Themen beschäftigt, die nach dem Tod eines Menschen geklärt werden müssen. Dabei ging es dann um Erbscheine und Nachlässe. Nach einem Burn-out beginnt sie über ihr Leben neu nachzudenken und macht das, wovon sie schon als Kind geträumt hat. „Ich wollte immer auf die Bühne und Schauspielerin werden“, sagt sie.

Vor Neuanfängen und Veränderungen hat sie spätestens seit diesem großen Schritt keine Angst mehr. Über eine Freundin nimmt sie Kontakt zu einem Dresdner Unternehmen auf, das Abschiede plant und macht eine Schulung zur Trauerrednerin. Als Prüfungsaufgabe muss sie am Ende ihre eigene Abschiedsfeier planen: Den Blumenschmuck, die Musikbegleitung, die Rede und die Gästeliste. „Ich möchte, dass die Gäste in bunter Kleidung kommen und, dass ein guter Freund von mir die Abschiedsrede hält“, weiß Andrea Müller schon jetzt und dass, obwohl sie 100 Jahre alt werden will.

Auch Lachen ist erlaubt

Bisher hat sie etwa zehn Abschiedsreden gehalten, meist auf dem Friedhof oder in der Kapelle. Zur Vorbereitung fährt Andrea Müller zu den Angehörigen nach Hause, um sie in ihrer gewohnten Umgebung zu erleben. Sie lässt sich Bilder der verstorbenen Person zeigen. „Ich stelle dann viele Fragen, um so viel wie möglich aus dem Leben des Menschen zu erfahren.“

In einer schwarzen Mappe steckt eine Rede, die sie im Februar auf dem Friedhof in Striesen gehalten hat. Sie schreibt sie meist direkt nach dem Vorgespräch mit den Angehörigen, wenn alles noch frisch ist. Immer ist sie am Tag der Trauerfeier schon eher da als die Gäste. „Ich bin ein spiritueller Mensch und nehme die Energie des Saals vorher auf“, sagt sie. Sie spricht ein paar Worte, hört die Musik und setzt sich auf die Stühle, wo später die Angehörigen sitzen.

Auch an ihre erste Rede als professionelle Trauerrednerin kann sie sich noch gut erinnern. Sie war für einen 78-jährigen Mann, der sehr naturverbunden und lebensfroh war. Andrea Müller spricht bewusst auch nicht von Trauerfeiern, sondern von Abschiedsfeiern. „Es ist ja alles schon traurig genug und mir ist es wichtig, dass die Angehörigen auch in diesen Momenten lachen können.“ Comedian und Trauerrednerin geht eben doch zusammen.

Wer Interesse an Andrea Müller als Trauerrednerin hat, kann diese Seite besuchen, die gerade noch im Aufbau ist: www.andrea-mueller.net