SZ + Radebeul
Merken

Zöllner hat noch richtig Lust

Dirk Zöllner und André Drechsler gastierten mit ihrer musikalischen Lesung im Zentralgasthof Weinböhla. Das Publikum war begeistert.

 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Musiklegende Dirk Zöllner (l.) und Gitarrist André Drechsler (r.) spielten am Freitag im Foyer des Zentralgasthofes.
Musiklegende Dirk Zöllner (l.) und Gitarrist André Drechsler (r.) spielten am Freitag im Foyer des Zentralgasthofes. © Norbert Millauer

Von Julian Wolf

Den Punkt genauestens getroffen. So könnte man den Abend mit musikalischer Lesung und Live-Konzert von Komponist, Songwriter, Gitarrist und Sänger Dirk Zöllner gut zusammenfassen. Mit brandaktuellen Themen und meist witzigen, aber auch teilweise sehr ernsten Anekdoten und Musikstücken wurde der musikalische Buchvortrag gestaltet. Egal, ob Coronavirus-Pandemie, der russisch-ukrainische Konflikt, Klimawandel, Religion oder Depression. Dirk Zöllner hat mit bald 60 Jahren noch klare Botschaften, Vorstellungen und Wünsche an die Welt. Eins wurde ab der allerersten Sekunde klar, diese Rocklegende hat absolut Lust auf seinen Job.

In einem schwarzen Anzug mit passendem Hemd und Hut gekleidet, leicht strubbeligen, grauen Haaren und Schnauzbart betrat der Musiker pünktlich um 20 Uhr die Bühne. Tosender Applaus empfing den Künstler aus Ost-Berlin, der inzwischen in Köpenick wohnt und mit dem Mietwagen anreiste. Nur mit einem Zettel in der Hand trug er vor, was ihn während Corona bewegte und was ihm jetzt während des russischen Überfalls auf die Ukraine Sorge bereitet.

„Endlich können wieder Konzerte und Lesungen vor Publikum stattfinden“, begrüßt der Sänger das Publikum im gut gefüllten Foyer des Zentralgasthofes Weinböhla. „Es ist mal was anderes als Facebook und Rotwein“, witzelt er. Dann wurde es ernster: „Ich sehe aus erster Hand, wie viel Schmerz die Leute in der Ukraine erleiden. Ich arbeite mit einem ukrainischen Musiker zusammen, der mit Freunden und seinen Angehörigen telefoniert.“ Nach kurzem Innehalten sagt Dirk Zöllner: „Ich glaube, die Menschheit bewegt sich gerade zwei Schritte zurück. Überzeugungen, Gemäuer und Menschen sterben. Es ist ein Krieg der Macht- und Geldmonster.“ Dafür erntet er Applaus.

Eine tief sitzende Angst vor einer nuklearen Endszene verfolge ihn schon sein ganzes Leben lang. Seinen Musikerkollegen tut er es gleich und beginnt den Abend mit einem Lied gegen Krieg, „Bleifrei“. Begleitet wird er den ganzen Abend lang dabei von dem Gitarristen und Sänger André Drechsler. Dann nahm der Abend auch Fahrt auf. Krankheit, Religion, Familie, Klimawandel, Kapitalismus — Zöllner erklärt zu jedem Thema seine Gedanken. Mal wird gelacht, mal gibt es Grummeln, mal wird still geschwiegen.


Gekonnt bringt Zöllner Ausschnitte seines im September 2020 erschienenen Buches „Herzkasper“ in das Programm. Ein Lied beginnt, mittendrin wird gelesen, während die Musik im Hintergrund bleibt, der Titel endet mit dem eigentlichen Liedtext. Nur mit zwei Akustik-Gitarren traten Zöllner und Drechsler auf, brachten aber durch Effekte wie Oktavierer und Hall viel Abwechslung ins Instrument. Interessiert verfolgen die Zuschauer Zöllner als kopfgesteuerten Gedanken, während Drechsler – ganz in rot angezogen – das Herz des Musikers verkörperte. Das Publikum jedoch verlor sich eher in der Musik und war ganz erstaunt, als nach 45 Minuten die Pause begann.

„Schon seit den 1980er-Jahren sind wir Zöllner-Fans“, berichtet eine Gruppe Frauen. „Was er als fast 60-Jähriger noch auf die Bühne bringt, erstaunt uns wirklich positiv. Heute ist er eigentlich besser als je zuvor“, strahlen sie begeistert.

Nach der Zwischenpause bedankten sich die Künstler beim Publikum für ihre Aufmerksamkeit, aber auch bei den Organisatoren für das tolle Catering, den Wein und singen „Happy Birthday“ für Tontechniker Jens, der am Freitag seinen Geburtstag feierte. Liederlastig war die zweite Hälfte des knapp 90-minütigen Auftritts. Klassiker, aber auch Cover wie „Sittin On (The Dock of the Bay)“ in englischer Sprache trug Zöllner vor, dessen Stimme sicherlich das Highlight des Abends war. Von Bariton bis Falsett saß alles und schlich sich bei der Gitarrenbegleitung mal ein kurzer Fehler ein, merkte man es selbst nur am kurzen Figur-Suchen der Hand auf dem Griffbrett des Instruments und einem lachenden, schnellen Kopfschütteln der Musiker.

Die Zeit verflog schnell, die Zuschauer wünschten sich zwei Zugaben, die sie auch bekamen. Doch damit war der Abend noch nicht vorbei. Schnell umgezogen widmeten sich Zöllner und Drechsler ihren Fans. Bücher signieren, Konzertplakate unterzeichnen, Selfies machen oder mit Rotwein und Bier anstoßen. Gelassen und entspannt war der Musiker an dem Abend, ein Abend an dem fast alle fragten: „Herr Zöllner, wann kommen Sie wieder?“

www.die-zoellner.de