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Dirk Zöllner: "Über eine Rückkehr nach Meißen und Radebeul würde ich mich freuen"

Zu den Dresdner Jazztagen spielt Dirk Zöllner mit seiner Big Band zweimal in vollen Häusern. Viele Fans wünschen sich aber eine Rückkehr der Ostrock-Legende ins Meißner Elbtal.

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„Ich halte Veränderungen für Glück und sie machen mich lebendig. Wiederholungen machen mich dagegen blind“, sagt Dirk Zöllner im Interview.
„Ich halte Veränderungen für Glück und sie machen mich lebendig. Wiederholungen machen mich dagegen blind“, sagt Dirk Zöllner im Interview. © Johanna Bergmann

In gewisser Weise ist Dirk Zöllner mit seinen „Zöllnern“ bald zurück im Elbtal, wenn er mit seiner Band im Rahmen der Albumrelease-Tour „Portugal“ am 10. und 19. November bei den Dresdner Jazztagen auftritt. Das erste Konzert findet in der Ostra-Lounge statt und ist jetzt bereits seit Monaten ausverkauft. Für das Zusatzkonzert am 19. November in den Ostra-Studios gibt es nur noch Restkarten. Konzerte im Landkreis Meißen wünschen sich einige Fans der Berliner Ostrock-Legende nun, die im Interview auch über sein neues Album „Portugal“, Krieg, Zukunftspläne und das Elbtal spricht.

Lieber Dirk, „Portugal“ heißt dein siebzehntes und neustes Studioalbum. Wie sah der Arbeitsprozess aus, bis das Album fertig war?

Alle Lieder sind während des Lockdowns 2021 und 2022 zwischen mir und meinem Keyboarder André Gensicke entstanden und meine Band hat unsere Ideen dann ausgemalt. Bis wir das komplette Material zusammengeschrieben hatten, sind eigentlich nur zehn Tage vergangen. Diesmal wollte ich bewusst nicht alle Texte selbst schreiben. Ohnehin wühle ich immer in Gedicht- und Textbüchern befreundeter Poeten. Mal habe ich etwas dazu gedichtet, etwas weggelassen oder die Texte zusammengefasst. Nur der Song „Zwei blinde Passagiere“ war schon älter.

Wie kamst Du zum Albumtitel „Portugal“?

Der Titel kommt aus einer Textmappe des leider bereits verstorbenen Leipziger Poeten Andreas Hähle. Mit ihm habe ich früher viel zusammengearbeitet. Sätze wie „Schau mal drüber und sag mir, was dir nicht gefällt“ oder „Was siehst du zur Erweiterung des Textes“ fielen da öfter mal von mir. Seinen Text „Elegie eines Leipziger Helden“ habe ich mir genommen und nach Berlin geholt. Portugal ist dort wie eine Art Fluchtgedanke in den Vordergrund gerückt. Es ist das westlichste Land in Europa, das man zur Not auch noch mit dem Auto oder zu Fuß erreichen könnte, wenn man seine Fluchtgedanken, die man ja jetzt so haben kann, ausleben will.

Portugal erscheint mir da wie ein Refugium. Alle Menschen in Krisensituationen denken ja immer: „Wenn man jetzt woanders wäre, wäre alles besser.“ Es scheint so, als wäre Portugal ein freundliches und ungefährliches Land. Auch der lateinamerikanische Einfluss gefällt mir gut. Es hat doch irgendwie etwas „Helles“.

Im Interview mit dem Bundestagsabgeordneten Dietmar Bartsch sprachst du vor ein paar Monaten über den Krieg in der Ukraine und den damit verbundenen Waffenlieferungen. Deutlich geht hervor, du bist ein überzeugter Pazifist.

Das bin ich auch. Dieses zurückschlagen wollen in jeder Situation und das Schwarz-Weiß-Denken gehört meiner Meinung nach der Vergangenheit an - auch, wenn es in manchen Momenten grotesk klingt oder nicht passend scheint. Wir sehen es jetzt auch am neuen Krisenherd in Israel. Krieg ist unser Untergang. Wir bedrohen uns gegenseitig so sehr, dass wir uns selbst komplett auslöschen könnten.

Die Polarisierung der Gesellschaft und das damit verbundene Gezänk hat einen echten Fluchtgedanken in mir verursacht. Mit dem russischen Krieg in der Ukraine ist das nicht besser geworden. Jetzt scheinen tatsächlich die „Kreuzzüge“ der großen Glaubensgemeinschaften zu beginnen und da wird es keine Rückzugsmöglichkeiten mehr geben. Selbst Portugal ist da nicht mehr weit genug entfernt. Die Menschheit spielt mit ihrer Existenz. Mein eigentlich unerschütterlicher Optimismus ist angeschlagen, ich mache mir ernsthaft Sorgen um die Zukunft meiner Kinder.

Reden wir über die Jazztage. Obwohl du auch im Duo oder Trio für eine gute Stimmung sorgst, trittst du dort in großer Big-Band-Besetzung auf. Welche Stücke wirst du spielen?

Wir spielen tatsächlich einen Großteil des neuen Albums. Ich habe mir vorgenommen, acht oder neun Songs von „Portugal“ zu spielen. Es ist immer eine Mischung aus Stücken, die dem Publikum und uns als Band gefallen. „Zwei Sonnen“, „Aus Liebe“ und „Viel zu weit“ spielen wir ebenfalls und auch „Käfer auf'm Blatt“, den ich in den letzten Jahren nicht live gespielt habe. Jetzt passt das aber sehr gut, weil dieser Titel in der jetzigen, aufgewühlten Zeit wieder eine inhaltliche Relevanz hat.

Das erste Konzert war schnell ausverkauft, das zweite wird ebenfalls voll. Bist du selbst ein wenig überrascht, dass du noch so gut bei den Leuten ankommst?

In der Tat läuft es sehr gut. Es sind ja auch große Räume mit über 500 Plätzen und der Veranstalter ruft gepfefferte Preise auf. Ich bin also absolut glücklich und stolz darüber, dass ich da noch mithalten kann. (lacht)

Viele Fans haben in den sozialen Medien den Wunsch nach Konzerten zwischen Meißen und Radebeul geäußert. Wann spielst du wieder im Landkreis Meißen?

Ich schätze die Region sehr und habe schon oft in Radebeul, Weinböhla und Coswig Auftritte gehabt. Dieses Interview würde ich direkt mal als Offerte nutzen. Seit diesem Jahr bin ich ohne Management, fische und lerne auf völlig neuem Terrain. Wenn jemand den Gedanken hat, mit mir etwas machen zu wollen, bin ich sofort dabei und auch für sämtliche Crossover-Projekte zu haben. Ich halte Veränderungen für Glück und sie machen mich lebendig. Wiederholungen machen mich dagegen blind. Über baldige Konzerte zwischen Meißen und Radebeul würde ich mich also sehr freuen.

Das Gespräch führte Julian Wolf.

Weiterführende Informationen zu Dirk Zöllner, seiner Band und kommende Tourdaten finden Sie unter: www.die-zoellner.de