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Reisetipp: Urlaub in Litauen ist sicher und günstig

Kaum einer traut sich zurzeit in das baltische Land. Schade, denn jetzt lassen sich die deutschen Spuren in Ostpreußen und ursprüngliche Landschaften in Ruhe entdecken.

Von Susanne Plecher
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Sieht aus wie Schweden? Ist aber Litauen: In den kleinen Dörfern auf der Kurischen Nehrung sind solche hübschen Fischerhäuschen wie hier in Pervalka überall zu sehen.
Sieht aus wie Schweden? Ist aber Litauen: In den kleinen Dörfern auf der Kurischen Nehrung sind solche hübschen Fischerhäuschen wie hier in Pervalka überall zu sehen. © Susanne Plecher

Udrius ist ein Schlawiner. Streut heimlich Bernsteinsplitter am Strand aus, um seiner Reisegruppe eine Freude zu machen, und lacht sich ins Fäustchen, als der Plan aufgeht: „Ich habe einen gefunden!“ „Ich auch!“ „Ich auch!“, ruft es von allen Seiten.

Dabei ist der wahre Schatz nicht der Bernstein, in dem sich sanft das Licht der Morgensonne bricht. Es ist die Landschaft, in der er zu finden ist: Die Sandstrände der Kurischen Nehrung und die Wanderdünen, die sich dahinter auf bis zu 67 Meter erheben. Unvergesslich ist die Aussicht vom Kamm. Im Norden schillert blau die Ostsee, im Süden grün die Wasserfläche des Kurischen Haffs.

Auch wenn Udrius nichts vorbereitet, kann man auf der Kurischen Nehrung Sandsteine finden. Diese hier sind allerdings ausgestreut worden.
Auch wenn Udrius nichts vorbereitet, kann man auf der Kurischen Nehrung Sandsteine finden. Diese hier sind allerdings ausgestreut worden. © Susanne Plecher

98 Kilometer lang und maximal vier Kilometer breit ist diese Halbinsel im Norden Litauens und des Kaliningrader Gebietes. 50 Kilometer davon sind feiner, weißer Sandstrand. Die atemberaubende Dünenlandschaft ist Unesco Weltkulturerbe und als Vogelrast- und Durchzugsgebiet ein Dorado für Naturliebhaber.

Angst vor Putin hält Touristen fern - unbegründet

Aber auch Wassersportler, Angler und Geschichtsfans werden sich hier nicht langweilen. Die Menschen sind gastfreundlich und fröhlich, viele sprechen deutsch. Die Orte sind sauber und gepflegt, die Preise etwa 20 Prozent günstiger als in Deutschland. Trotzdem bleiben die Touristen aus.

Seit Putins Truppen in die Ukraine einmarschierten, sank die Zahl der Übernachtungen ausländischer Gäste von 4,1 Millionen im Jahr 2019 auf 2,6 Millionen in 2022. Viele trauen sich zurzeit nicht mehr nach Litauen, weil das baltische Land 266 Kilometer seiner Grenze mit der russischen Exklave Kaliningrad teilt. Dass es im Süden auf 680 Kilometern an das russlandtreue Belarus angrenzt, macht es als Reiseziel offensichtlich nicht attraktiver.

Udrius Armalis kennt viel schöne Ecken und interessante Menschen seiner Heimat Litauen.
Udrius Armalis kennt viel schöne Ecken und interessante Menschen seiner Heimat Litauen. © baltikum-erleben.de

Für kleine Touristikfirmen wie die von Udrius Armalis ist das eine Katastrophe. Vor 15 Jahren hat er seine Agentur gegründet, um Gästen auf individuellen Reisen das Baltikum näher zu bringen. „Es lief ganz gut, bis zur Pandemie. Und dann kam der Krieg, der nicht unser Krieg ist“, sagt Udrius.

Auch für die Küstenstadt Klaipeda, die drittgrößte Stadt Litauens, ist das schwierig. Als einziger Seehafen des Landes wurde sie etwa 70-mal im Jahr von Kreuzfahrtschiffen angefahren. Doch seit die Routen nach Kaliningrad, dem ehemaligen Königsberg, und Sankt Petersburg geschlossen sind, gibt es auch in Klaipeda kaum noch Kreuzfahrttouristen. Selbst die Hauptstadt Vilnius erreicht trotz eines bunten Programms zur 700-Jahr-Feier nicht die Übernachtungszahlen von 2019.

Touristen finden hier jetzt viel Ruhe

Für Gäste, die sich nicht abschrecken lassen, ist es herrlich. Landschaften und Städte sind nicht überlaufen, vor Museen bilden sich keine Schlangen, in Gaststätten findet man einfach so Platz.

Links die Ostsee, rechts das Haff, dazwischen Sand. Von oben sieht man, dass die Kurische Nehrung nichts anderes als eine schmale Wanderdüne ist.
Links die Ostsee, rechts das Haff, dazwischen Sand. Von oben sieht man, dass die Kurische Nehrung nichts anderes als eine schmale Wanderdüne ist. © Nationalparkverwaltung Kurische

Ein Schwarm Kormorane fliegt im Morgengrauen über dem Hafen von Nida in Keilform zum Haff. Sechs Kilometer nur ist das Dorf von Russland entfernt. Oben auf den Dünen kann man die Grenztürme sehen. Unten überschlägt sich in Bauerngärten die spätsommerliche Blütenpracht. Sacht schaukeln Segelboote und Jachten an den Liegeplätzen. Ein Mann streicht in aller Seelenruhe seinen Zaun.

„Nirgendwo in ganz Litauen ist die Porschedichte höher als hier“, verrät Reiseführerin Greta Siksne. Man kann sich in schicke reetgedeckte Häuschen einmieten oder in einem eleganten Spa-Hotel. Die Nationalparkverwaltung wacht mit Argusaugen, dass die Nehrung schön, natürlich und unverbaut bleibt.

Es gibt nur traditionelle Fischerhütten, Holzvillen vom Anfang des 20. Jahrhunderts oder Neubauten, die ihnen nachempfunden sind. Klotzförmige Bettenburgen, die andernorts Strände und Städte verschandeln, findet man nicht.

Deutsche Spuren im alten Ostpreußen

Thomas Mann hat sich in Nida ein Holzhaus mit großer Terrasse und Blick aufs Meer errichten lassen, weil er „von der unbeschreiblichen Eigentümlichkeit und Schönheit dieser Natur, der fantastischen Welt der Wanderdünen“ beeindruckt war. Ein Jahr, nachdem die blau getäfelte Villa stand, erhielt er den Literaturnobelpreis. Weil Stars wie er schon 1929 belagert wurden, traute er sich nur montags zu seinen Freunden in die benachbarte Künstlerkolonie.

Das Thomas-Mann-Haus in Nida: Der Schriftsteller verbrachte hier drei Sommer mit seiner Familie. Ausstellung und Kulturzentrum. Tickets kosten 2,50 Euro, ermäßigt 1 Euro.
Das Thomas-Mann-Haus in Nida: Der Schriftsteller verbrachte hier drei Sommer mit seiner Familie. Ausstellung und Kulturzentrum. Tickets kosten 2,50 Euro, ermäßigt 1 Euro. © Susanne Plecher

„Da wurden die Betten der Wochenendgäste abgezogen und die Laken und Bezüge zum Trocknen in die Gärten gehängt. Mann versteckte sich dahinter und schlich so von Grundstück zu Grundstück“, erzählt Nationalparkleiterin Ausra Feser in makellosem Deutsch. Später, die Manns waren ins Exil geflohen, beschlagnahmten die Nazis das Anwesen. Hermann Göring beanspruchte es als Jagddomizil. Ausgerechnet.

Region war 700 Jahre deutsch

Es gibt viele Geschichten wie diese in dieser geschichtsträchtigen Gegend. Man kann sie sammeln wie die Bernsteinsplitter, die Udrius an der Küste ausgestreut hat.

Zum Beispiel die von den gusseisernen Kreuzen des deutschen Friedhofs in Klaipeda, der zu den größten in Ostpreußen gehörte. In den 1970ern wurde er geschlossen, weil kaum noch einer da war, um die Gräber zu pflegen. Die Kreuze wären eingeschmolzen worden, hätte sie nicht ein Mann gerettet. „Er hat sechs Lkw damit befüllt und sie in einer Scheune gelagert“, berichtet Stadtführerin Rasa Miuller.

Heute ist ein Teil davon im Museum in der alten Schmiede von Familie Katzke zu sehen, die sich 1944 dem großen Flüchtlingsstrom gen Westen anschloss. Immer wieder kommen Gäste mit deutschen Wurzeln und suchen auf den Kreuzen nach den Namen ihrer Vorfahren.

Auf dem Gelände der alten Schmiede von Familie Katzke in Klaipeda finden sich noch viele alte Kreuze des alten deutschen Friedhofs. Zum Teil sind sie zu Kunstwerken verarbeitet worden. Eintritt frei.
Auf dem Gelände der alten Schmiede von Familie Katzke in Klaipeda finden sich noch viele alte Kreuze des alten deutschen Friedhofs. Zum Teil sind sie zu Kunstwerken verarbeitet worden. Eintritt frei. © Susanne Plecher

700 Jahre war die Region deutsch. Noch jetzt leben hier etwa 300 Familien mit deutschem Hintergrund, zwei Vereine erhalten das Brauchtum.

Interessant ist auch die Geschichte vom damals kleinen Klaipeda als preußischer Interimshauptstadt. König Friedrich Wilhelm III. erließ hier, im östlichsten Winkel seines Reiches, 1807 die Aufhebung der Leibeigenschaft, weil Napoleon den Rest Preußens besetzt hatte. Die Villa, in der König und Königin Luise residierten, ist heute Rathaus. Neben der litauischen bauscht sich daran auch die ukrainische Flagge.

Die Litauer essen viel Fisch, in allen Varianten, vor allem Hering, meist mild, zart, in unterschiedlichsten Geschmacksrichtungen mariniert. Unbedingt probieren! Es git oft Fischsuppe, wie diese in Jolantas Gaststätte Vejopacio Uzeiga in Pervalka (Reservi
Die Litauer essen viel Fisch, in allen Varianten, vor allem Hering, meist mild, zart, in unterschiedlichsten Geschmacksrichtungen mariniert. Unbedingt probieren! Es git oft Fischsuppe, wie diese in Jolantas Gaststätte Vejopacio Uzeiga in Pervalka (Reservi © Susanne Plecher

Klaipeda ist die russischste Stadt Litauens

Die 20 Prozent Russen, die nach der Unabhängigkeit Litauens in Klaipeda geblieben sind, arrangieren sich. Sie seien nicht immer einverstanden mit dem, was die Regierung tut, aber generell sei das Land pro Litauen, sagt Rasa. Aber gärt es nicht, besonders hier in unmittelbarer Grenznähe? „Nein, wir haben Frieden. Wir Litauer sind entspannte Leute“, erklärt Greta.

Für deutsche Verhältnisse sind die Preise relativ günstig. Ein Liter Vollmilch kostet zwischen 1,15 Euro und 1,45 Euro, ein Liter Superbenzin 1,699 Euro, ein Liter Diesel 1,649 Euro (Stand 23. September). Die Litauer kaufen, um Geld zu sparen, viele Leben
Für deutsche Verhältnisse sind die Preise relativ günstig. Ein Liter Vollmilch kostet zwischen 1,15 Euro und 1,45 Euro, ein Liter Superbenzin 1,699 Euro, ein Liter Diesel 1,649 Euro (Stand 23. September). Die Litauer kaufen, um Geld zu sparen, viele Leben © Greta Siksne

Litauen ist sicher

Vielleicht hat ihre abwechslungsreiche Geschichte sie so gelassen gemacht. Womöglich trägt der vier Meter hohe Zaun, den die Nato entlang der Grenze zu Russland errichtete, dazu bei. Ganz sicher beruhigt sie die Präsenz von 1.600 Nato-Soldatinnen und Soldaten, die schon seit 2017 in Rukla unter Führung der Bundeswehr stationiert sind.

Verteidigungsminister Boris Pistorius hat erst im Juni noch 4.000 weitere in Aussicht gestellt. „Uns freut das, aber die deutschen Touristen schreckt das ein bisschen ab“, sagt Rasa. „Aber hier ist alles ganz normal, sicher. Sie sehen es ja.“

Ja, das sieht man. Schön und grün ist das Land, der Himmel weit. Nicht zu sehen auf einer Tour quer durchs Land sind Soldaten, Militärkonvois oder Hubschrauber. Man fühlt sich als Tourist in Litauen sicher, kann die Zeit genießen, Geschichten und Bernsteine mit nach Hause nehmen.

Näher als gedacht

  • Anreise: Von Dresden mit dem Auto etwa 1.500 km. Flüge ab Berlin oder Prag nach Vilnius bietet Air Baltic in den Oktoberferien schon ab 84 Euro an (z. T. via Riga). Auch Ryanair fliegt direkt. Dauer: 1.30 h. Die Lufthansa fliegt von Leipzig über Frankfurt nach Vilnius. (4h, ab 184 Euro)
  • Schlafen: z.B. im Wellness-Hotel SpaNida in Nida ab 89 Euro p. P., Old Mill-Hotel Klaipeda ab 63 Euro pro Zimmer, im Palaima Lakeside retreat, Anyksciai ab 90 Euro/ Zimmer.
  • Individuell: Zug-, Aktiv- oder Individualreisen zur Vogelbeobachtung stellt Baltikum-erleben.de zusammen.
  • Pauschal: Busrundfahrten durch Masuren-Kurische-Nehrung-Stockholm bietet SZ-Reisen vom 18.-28. Mai und 17.-28. Juni 2024 an. (11 Ü/HP ab 1.689 Euro p. P.)
  • Die Recherche wurde unterstützt von Baltikum erleben und Air Baltic.