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Als Schloss Hirschstein Außenstelle eines Konzentrationslagers war

Am Sonntag gab es den Ostermarkt. Gleichzeitig wurde mit prominenten Gästen eine Ausstellung zur Inhaftierung der belgischen Königsfamilie eröffnet.

Von Jürgen Müller
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Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer, Hirschsteins Bürgermeister Conrad Seifert und Nic Van der Marliere, Botschaftsrat und Generaldelgierter von Flandern, besichtigen die sanierte Kapelle im Schloss Hirschstein.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer, Hirschsteins Bürgermeister Conrad Seifert und Nic Van der Marliere, Botschaftsrat und Generaldelgierter von Flandern, besichtigen die sanierte Kapelle im Schloss Hirschstein. © Jürgen Müller

Auf dem Parkplatz ist kaum eine Lücke zu finden, selbst die Straße nach Bahra ist zugeparkt. Der Andrang zum Ostermarkt am Schloss Hirschstein am Sonntag ist riesig. Vielleicht auch, weil sich hoher Besuch angekündigt hat.

Zunächst aber hoppelt der Osterhase über den Markt und verteilt kleine Geschenke. Dabei ist es gar kein Osterhase. Sondern eine Osterhäsin. Julia Seifert heißt sie, ist 17 Jahre alt. Moment mal, Seifert und Hirschstein, war da nicht etwas? Sie ist doch nicht...? Doch, sie ist es. Julia ist die Tochter von Bürgermeister Conrad Seifert (CDU). "Ich mache das schon zum dritten Mal. Die Leute freuen sich und lächeln, jedes Kind bekommt etwas", sagt die Schülerin, die am Riesaer Rudolph-Stempel-Gymnasium die 11. Klasse besucht und dort ihr Abitur machen wird. Trotz der kühlen Temperaturen ist ihr warm. "Unter dem Kostüm schwitze ich ganz schön", sagt sie.

Matthias Donath, Vorsitzender des Vereins Schlösserland Sachsen, erläutert den Gästen die Ausstellung im Schloss Hirschstein.
Matthias Donath, Vorsitzender des Vereins Schlösserland Sachsen, erläutert den Gästen die Ausstellung im Schloss Hirschstein. © Jürgen Müller
Eröffnet wurde am Sonntag die Ausstellung "Schatten über Hirschstein" im gleichnamigen Schloss.
Eröffnet wurde am Sonntag die Ausstellung "Schatten über Hirschstein" im gleichnamigen Schloss. © Jürgen Müller
Trotz kühlen Wetters, Regens und Windes war der Ostermarkt am Schloss Hirschstein am Sonntag gut besucht
Trotz kühlen Wetters, Regens und Windes war der Ostermarkt am Schloss Hirschstein am Sonntag gut besucht © Jürgen Müller
Die Meißnerin Kerstin Neumann bot auf dem Ostermarkt in Hirschstein kunstvolle Ostereier aus Keramik und Kunststoff an.
Die Meißnerin Kerstin Neumann bot auf dem Ostermarkt in Hirschstein kunstvolle Ostereier aus Keramik und Kunststoff an. © Jürgen Müller
Der Hirschsteiner Osterhase ist eine Häsin: Die 17-jährige Julia Seifert ist schon zum dritten Mal in das Kostüm geschlüpft.
Der Hirschsteiner Osterhase ist eine Häsin: Die 17-jährige Julia Seifert ist schon zum dritten Mal in das Kostüm geschlüpft. © Jürgen Müller
Österliches auf dem Ostermarkt. Auch diese kunstvoll gestalteten Keramikeier von der  Firma "Ideensalat" wurden verkauft.
Österliches auf dem Ostermarkt. Auch diese kunstvoll gestalteten Keramikeier von der Firma "Ideensalat" wurden verkauft. © Jürgen Müller

Die Osterhäsin ist nicht die einzige Prominente auf dem diesjährigen Ostermarkt am Schloss. Gegen 14 Uhr begrüßt sie gemeinsam mit ihrem Vater den sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) und Nic Van der Marliere, Botschaftsrat und Generaldelegierter von Flandern. Der Grund für den Besuch ist, dass im Schloss die Ausstellung „Schatten über Hirschstein“, welche der Heimat- und Förderverein Hirschstein mithilfe von Förderungen des Freistaates Sachsen auf Schloss Hirschstein erarbeitet hat, eröffnet wird. Sie erinnert an die Inhaftierung der belgischen Königsfamilie im Zweiten Weltkrieg.

Schloss wird zum Staatsgefängnis

Auf Weisung des Landrates zu Meißen an die Sächsische Revisions- und Treuhandgesellschaft wurde das Schloss am 7. Oktober 1943 beschlagnahmt. Im Auftrag Hitlers wurde das Schloss zum Staatsgefängnis, ist auf der Homepage der Gemeinde Hirschstein zu lesen. Nach der Kapitulation der belgischen Truppen am 28. Mai 1940 Truppen bezog Leopold III., König der Belgier, als Gefangener sein Schloss Laeken. Als am 6. Juni 1944 die Alliierten in Frankreich landeten, wurde König Leopold auf Befehl Himmlers verhaftet und mit unbekanntem Ziel nach Deutschland deportiert. Einen Tag später erfolgte der Abtransport seiner Frau mit den Kindern des Königs aus erster Ehe, Josephine, Albert und Baudouin, sowie ihrem 1942 geborenen Sohn Alexander.

Als im Frühjahr 1945 die Alliierten vordrangen, wurde am 6. März die belgische Königsfamilie unter Bewachung der SS von Hirschstein nach Salzburg gebracht. Dort wurde sie von der 7. Amerikanischen Armee befreit.

Aus der Vergangenheit lernen

Michael Kretschmer zeigte sich von der Ausstellung beeindruckt: "Ich komme mit großer Anerkennung und Dankbarkeit über das, was hier von der Gemeinde gemeinsam mit dem Heimatverein und dem Amt für Denkmalpflege geleistet wurde", sagte er. Mit ihrem "positiven Verrücktsein" habe man andere Menschen angesteckt. "Wenn man Geschichte nicht erinnert, besteht die Gefahr, dass sie sich wiederholt", so der Ministerpräsident.

Es sei wichtig, dass wir aus der Vergangenheit lernen", sagte auch Hirschsteins Bürgermeister Conrad Seifert (CDU). Er erinnerte daran, dass das Schloss 1944 als "Haus Elbe" dem Konzentrationslager Flossenbürg angegliedert wurde. Häftlinge hätten es hergerichtet. "Das Schloss ist ein Ort der Mahnung und des Gedenkens", so der Gemeindechef.

Nic Van der Marliere, Botschaftsrat und Generaldelegierter von Flandern, dankte im Namen seiner Landsleute für die Ausstellung. "Hirschstein ist eine Episode, die einer Tragödie würdig ist", sagte er. Himmler habe die gesamte königliche Familie hinrichten lassen wollen. Leopoldt habe sich zur Kapitulation entschlossen, blieb daher in Deutschland in Kriegsgefangenschaft.

Warum es 80 Jahre gedauert habe, bis diese Ausstellung entstehen konnte, begründete Matthias Donath, Vorsitzender des Vereins "Schlösserland Sachsen", unter anderem damit, dass es nicht zu antifaschistischen Erzählung der DDR gepasst habe, dass Nazis in Hirschstein die belgische Königsfamilie gefangen hielten und die Täter später in Bayern zu hohen Haftstrafen verurteilt wurden.

Die Ausstellung ist in den drei in Belgien geltenden Amtssprachen Niederländisch, Französisch und Deutsch gestaltet. Die kleine Exposition solle vor Ort etabliert werden und die Geschichte Belgiens und Sachsen zusammenführen, so Donath.

Draußen haben sich derweil die Regenwolken verzogen, sogar die Sonne schaut hervor. Die Osterhäsin ruht sich auf einer Bank aus. Ostereier verteilen ist ganz schön anstrengend.